Plazenta: Aufgaben und Geburt des Mutterkuchens
Die Plazenta, auch Mutterkuchen genannt, ist ein Organ, das eigens für die Versorgung des ungeborenen Babys wächst. Ihre Hauptaufgabe besteht im Austausch von Nähr- und Stoffwechselprodukten zwischen Mutter und Kind sowie in der Produktion verschiedener Hormone. Alles zur Entstehung und Geburt der Plazenta und warum manche Frauen im Anschluss an die Geburt Teile der Plazenta essen.
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Die Plazenta, auch Mutterkuchen genannt, ist zusammen mit der Nabelschnur der wichtigste Teil des Lebenserhaltungssystems eines ungeborenen Kindes. Ihre Entstehung zu Beginn der Schwangerschaft stellt eine der entscheidenden Veränderungen während dieser Zeit dar. Ab etwa der 12. Schwangerschaftswoche übernimmt die Plazenta die Versorgung des Kindes. Abfallprodukte und Giftstoffe werden durch sie gefiltert.
Artikel-Inhalte im Überblick:
Aufbau und Entstehung der Plazenta
Die Plazenta ist ein flaches, blutfarbenes Organ, das im Laufe der Schwangerschaft einen Durchmesser von 15 bis 20 Zentimetern und ein Gewicht von etwa 500 Gramm erreicht. Sie ist mit der Nabelschnur verwachsen und besitzt Ausstülpungen (Chorionzotten), die direkt in das Blut der Mutter eindringen, das sich in der Plazenta befindet. Feine Verzweigungen (Kapillaren) der Nabelschnur-Blutgefäße münden in diese Zotten. Sie stellen so die nötige Verbindung für den Austausch von Nährstoffen und Stoffwechselprodukten her.
Die Chorionzotten werden von einer dünnen Zellschicht, der sogenannten Plazentaschranke, umgeben. Diese sorgt dafür, dass sich das mütterliche Blut nicht mit dem Blut des Kindes vermischen kann. In den Frühstadien besteht diese Grenze aus vier Schichten. Ab dem vierten Schwangerschaftsmonat wird sie wesentlich dünner, wodurch sich der Stoffaustausch verbessert.
Mix aus mütterlichem und kindlichem Gewebe
Das Gewebe der Plazenta entspringt einem Teil des jungen Embryos, der während der Einnistung mit den Zellen der Gebärmutterschleimhaut verwächst. Daher besteht sie sowohl aus fetalen Zellen als auch aus Zellen mütterlichen Ursprungs.
Aufgaben und Bedeutung der Plazenta
Die wichtigsten Aufgaben der Plazenta sind:
- Versorgung des ungeborenen Kindes mit Vitaminen, Nährstoffen, Wasser und Sauerstoff
- Entsorgung von Kohlendioxid und anderen Abfallprodukten des kindlichen Stoffwechsels
- Aufnahme von mütterlichen Antikörpern und deren Abgabe in den Blutkreislauf des Kindes
- Filterung von Giftstoffen aus dem Blut der Mutter durch die Plazentaschranke
- Produktion von Hormonen
Der Austausch von Nährstoffen wie Amino- und Fettsäuren, Kohlenhydraten, Vitaminen und Elektrolyten ist entscheidend für die gesunde Entwicklung des Fötus und nimmt im Laufe der Schwangerschaft stetig zu.
Gegen Ende der Schwangerschaft, wenn sich der Geburtstermin nähert, benötigt das ungeborene Kind pro Minute etwa 20 bis 30 Milliliter Sauerstoff aus dem Kreislauf der Mutter. Daher kann bereits eine kurze Unterbrechung der Sauerstoffversorgung zu einer Schädigung des Kindes führen.
Antikörper-Zufuhr und Schutz vor Giftstoffen
Die Plazenta nimmt im Verlauf der Schwangerschaft verschiedene Antikörper aus dem Blutkreislauf der Mutter auf und gibt diese an das Kind weiter. So erhält das Kind einen Schutz gegen Diphtherie, Pocken, Masern und weitere Infektionskrankheiten.
Die Filterfunktion der Plazentaschranke ist abhängig von der Größe und den chemischen Eigenschaften der Moleküle, die eindringen möchten. Aus diesem Grund werden viele Giftstoffe aus dem Blutkreislauf der Mutter zurückgehalten. Jedoch können beispielsweise Alkohol, Nikotin und einige Medikamente ungehindert die Plazentaschranke passieren und zu Entwicklungsstörungen oder Fehlgeburten führen. Auch Krankheitserreger können in den Blutkreislauf des Fötus gelangen.
Hormone der Plazenta
Eine weitere wichtige Funktion der Plazenta ist die Produktion verschiedener Hormone. Beispielsweise sorgt Progesteron für den Erhalt der Schwangerschaft und stimuliert das Wachstum der Gebärmutter (Uterus). Das Hormon hPL (kurz für: humanes Plazentalaktogen) fördert unter anderem die Bildung der Milchdrüsen und stellt sicher, dass das ungeborene Kind ausreichend mit Zucker versorgt wird. Diese Priorität der Zuckerversorgung des Kindes gegenüber der Mutter ist an der Entstehung von Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) beteiligt. Bei Mehrlingsschwangerschaften steigt die hPL-Produktion besonders stark an.
Die Konzentration einiger Hormone der Plazenta kann zu diagnostischen Zwecken eingesetzt werden. Zum Beispiel erlaubt die Messung der Progesteron-Konzentration eine Beurteilung des fetalen Zustands in der Frühschwangerschaft. Der hPL-Spiegel erlaubt eine Beurteilung der Plazentafunktion.
Plazenta-Komplikationen während der Schwangerschaft
Es gibt verschiedene Komplikationen, die während der Schwangerschaft in Zusammenhang mit der Plazenta auftreten können. Dazu gehören:
- Plazentainsuffizienz
- Plazentarandblutungen
- Placenta praevia
- Placenta accreta
- vorzeitige Plazentaablösung
Bei der Plazentainsuffizienz treten Störungen der Plazentafunktion auf und das Kind wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Dies kann unter anderem durch Rauchen und Diabetes verursacht werden.
Zu Plazentarandblutungen kommt es, wenn Risse an den kleinen Blutgefäßen am Rand der Plazenta entstehen. Die Blutungen sind schmerzlos und hören meistens schnell von alleine wieder auf. Es können sich jedoch kleine Blutgerinnsel in der Nähe des Gebärmutterhalses bilden, die bräunlichen Ausfluss hervorrufen. Dies kann in einigen Fällen zu Schmerzen führen, da das Blut die Gebärmutter reizt und sie zu Kontraktionen veranlasst.
Eine Placenta praevia liegt vor, wenn die Plazenta den Muttermund bedeckt und so den Geburtskanal versperrt. Dies wird häufig in der 20. Schwangerschaftswoche diagnostiziert. In den meisten Fällen aber wird der Geburtskanal wenige Wochen vor der Geburt von selbst wieder freigelegt. In etwa einem Prozent der Fälle bleibt der Muttermund jedoch bedeckt, was in den letzten Schwangerschaftswochen zu verstärkten Blutungen führen kann. Die Placenta praevia tritt gehäuft bei Frauen auf, die bereits mehr als ein Kind geboren haben, einen Kaiserschnitt hatten oder eine Mehrlingsgeburt erwarten.
Bei der Placenta accreta wächst die Plazenta in die tieferen Schichten der Gebärmutterwand ein. Das tritt sehr selten auf und muss operativ behandelt werden.
Im Zuge einer vorzeitigen Plazentalösung kann es zu Blutungen und starken Bauchkrämpfen kommen. In sehr schweren Fällen löst sich die Plazenta im mittleren Teil und kann zu einer Ansammlung von Blut zwischen der Uteruswand und der Plazenta führen. Dies macht sich meistens durch schwere Krämpfe und ein deutliches Schwächegefühl bemerkbar.
Coronavirus kann die Plazenta schädigen
Inzwischen ist auch bekannt, dass eine Covid-Infektion die Plazenta schädigen kann. In seltenen Fällen wird das ungeborene Baby dann nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Kommt es durch das Coronavirus SARS-CoV-2 zu einer Entzündung der Plazenta, kann daher eine Totgeburt die Folge sein. Das war das Ergebnis einer kleinen Studie an 68 nicht geimpften Schwangeren. Die Untersuchung war jedoch vor dem Auftreten der Omikron-Variante durchgeführt worden. Die Wirkung weiterer Virus-Mutationen auf Schwangere und ihre Kinder muss erst noch wissenschaftlich geklärt werden.
Geburt der Plazenta ("Nachgeburt") und was passiert damit?
Nachdem das Neugeborene auf der Welt ist, setzen mit der Zeit die Nachwehen ein. Das Anlegen des Babys zum Stillen kann diesen Prozess unterstützen. Durch die Kontraktionen wird die Plazenta zusammen mit den Eihäuten und dem Rest der Nabelschnur ausgestoßen (Nachgeburt). Mitunter wird dieser Vorgang von der Hebamme durch leichtes Ziehen an der Nabelschnur beschleunigt. Dieses Vorgehen wird in Fachkreisen aber zunehmend kritisch und als überflüssige Intervention betrachtet. In der Regel dauert es nach der Geburt des Babys zehn bis 30 Minuten, bis auch die Plazenta geboren ist.
Im Anschluss überprüft das geburtshilfliche Personal sorgfältig, ob die Plazenta vollständig ausgestoßen wurde, da eine nicht restlos entfernte Plazenta starke Blutungen sowie Infektionen verursachen kann. Weitere Kontraktionen sorgen dafür, dass sich die Blutgefäße der Gebärmutter an der Ablösungsstelle wieder schließen. Die Plazenta selbst wird nach den meisten Geburten vom jeweiligen Geburtshaus oder der Entbindungsklinik entsorgt.
Plazenta-Baum pflanzen und Lotusgeburt
Manche frischgebackenen Eltern nehmen die Plazenta im Anschluss aber auch mit nach Hause, um als Erinnerung an die Geburt zum Beispiel einen Baum auf dem vergrabenen Mutterkuchen zu pflanzen. Auch die Lotusgeburt ist ein Ritual, bei welchem die Plazenta die Hauptrolle spielt: Hierbei wird das Kind nicht nach einigen Minuten abgenabelt, sondern bleibt über die Nabelschnur mit der Plazenta verbunden, bis sich diese nach einigen Tagen bis Wochen von alleine löst. Die Plazenta wird dabei mit Salz und/oder Kräutern behandelt und vertrocknet dadurch.
Plazenta essen und Plazenta-Globuli: Was bringt das?
Seit einigen Jahren wird zudem verstärkt auf das Thema "Plazenta essen" aufmerksam gemacht. Zu diesem Zweck können Frauen zum einen direkt Stücke des mitgenommenen Mutterkuchens abtrennen und zubereiten/roh verzehren. Zum anderen besteht die Möglichkeiten, sogenannte Plazentanosoden anfertigen zu lassen. Das sind individuell hergestellte Globuli aus dem Grundstoff Plazenta, die gegen verschiedene Beschwerden bei Mutter und Kind im Wochenbett zum Einsatz kommen können. Der wissenschaftliche Nachweis ihrer Wirksamkeit steht jedoch noch aus.
Das Essen der Plazenta begründen Befürworter*innen damit, dass diese Praxis in der Tierwelt gängig ist; helfen soll der Verzehr unter anderem gegen den Baby Blues nach der Geburt. Auch diese Aussagen konnten jedoch nicht wissenschaftlich untermauert werden. Im Gegenteil gibt es stichhaltige Argumente, wieso das Essen der Plazenta ungesund sein kann: Beim Mutterkuchen handelt es sich um ein Filterorgan, in dem sich beispielsweise gefährliche Schwermetalle anreichern, damit sie das Baby nicht erreichen.
Im geburtshilflichen Alltag spielen sowohl das Essen des Organs (Plazentophagie) als auch die Lotusgeburt bisher kaum eine Rolle.