Husband Stitch: Nach der Geburt enger genäht
Der Begriff Husband Stitch bezeichnet eine abscheuliche Praktik, um den Eingang der Vagina nach der Entbindung durch eine zusätzliche Naht zu verengen. Was du über diese Form von Gewalt im Kreißsaal wissen solltest.
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Kurzübersicht: Husband Stitch
Was ist das? Bei einem Husband Stitch handelt es sich um einen zusätzlichen Stich beim Vernähen von Wunden am Damm, die den Scheideneingang nach der Entbindung über das notwendige Maß hinaus verengen soll. Angeblich soll dem Ehemann dadurch ein lustvolleres Sexleben beschert werden. Der Begriff Husband Stitch kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie: Extra-Stich für den Mann.
Gibt es das wirklich? Der Husband Stitch ist eine frauenverachtende, diskriminierende Praxis, die in deutschen Kliniken sicher nicht an der Tagesordnung ist. Um einen Mythos scheint es sich bei dieser schrecklichen Vorgehensweise aber trotzdem nicht zu handeln. Unter anderem ist der Begriff auch der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geläufig. Bekannt ist zudem, dass verschiedene Formen von Gewalt in der Geburtshilfe vorkommen.
Was tun bei Schmerzen nach der Geburt? Lasse Beschwerden immer von deiner*deinem Ärztin*Arzt abklären. Nach einer Entbindung kann es eine Weile dauern, bis die Naht von Dammriss oder -schnitt keine Schmerzen mehr bereitet. Manchmal sind aber auch falsche Vernähungen dafür verantwortlich, die im Gegensatz zum Husband Stitch jedoch nicht absichtlich getätigt wurden. Sie können in einer Operation korrigiert werden. Solltest du irgendeine Form von Gewalt unter der Geburt erfahren haben, lass dich hierzu beraten. Anlaufstellen findest du weiter unten in diesem Artikel.
Artikelinhalte im Überblick:
- Definition
- Nur ein Mythos?
- Folgen
- Ursachen für Schmerzen?
- Hilfe bei erlebter Gewalt
- Vorbereitung auf die Geburt
Was ist der Husband Stitch?
Als „Husband Stitch“, „Gentleman's Stitch“ oder „Daddy Stitch“ wird ein chirurgisches Vorgehen bezeichnet, bei dem der Vaginaleingang nach einer Geburt absichtlich enger genäht wird.
Es heißt, bei der Vernähung der Wunde von Dammriss oder Dammschnitt würde in solchen Fällen ein Stich (englisch = stitch) mehr als nötig vorgenommen. Die zusätzliche Naht soll extra für den Ehemann (englisch = husband) gemacht werden, damit er beim zukünftigen Geschlechtsverkehr eine engere Vagina vorfindet, die ihm angeblich ein lustvolleres Sexualleben verschafft. Dies geschieht weder auf ausdrücklichen Wunsch der Frau noch mit ihrer Zustimmung.
Der Husband Stitch unterscheidet sich von einer Vaginalstraffung (Scheidenstraffung), die von einigen Frauen nach mehreren Geburten oder aufgrund einer Bindegewebsschwäche als Operation gewünscht wird. Bei einem solchen intimchirurgischen Eingriff wird das Gewebe im Vaginalkanal gestrafft.
Husband Stitch: Gibt es das wirklich?
Was sich nach einem furchtbaren Mythos anhört, scheint tatsächlich zu existieren. Womöglich handelt es sich beim Husband Stitch um eine Praktik, die vor Jahrzehnten in Kreißsälen Anwendung fand. Aktuelle Berichte von Frauen, die Opfer dieses menschenverachtenden Vorgehens wurden, zeigen: Auch heute scheint es den Husband Stitch vereinzelt noch zu geben. Betroffene berichten zum Beispiel in den Sozialen Netzwerken von ihren Erfahrungen.
In Fachquellen ist der Husband Stitch als Form von Gewalt unter der Geburt bekannt. Unter anderem führt ihn der Verein Traum(a)Geburt e.V. auf der Website der Bewegung „Roses Revolution“ als unsachgemäße/gewaltvolle medizinische Behandlung unter der Geburt auf. Die „Roses Revolution“ ist eine Vereinigung, die sich gegen Gewalt in der Geburtshilfe einsetzt.
Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kennt den Begriff Husband Stitch. Laut einer Studie, die im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle durchgeführt wurde, liegen bisher aber keine Zahlen dazu vor, wie viele Frauen betroffen sind.
Welche Folgen hat der Husband Stitch?
Jede Form von erlebter Gewalt unter der Geburt kann psychische Folgen haben, dazu gehören Depressionen oder Traumatisierungen.
Betroffenen Frauen wird aber nicht nur auf emotionaler Ebene Schaden zugefügt: Während der Mann durch den engeren Scheideneingang angeblich mehr Spaß beim Sex haben soll, können Frauen vermehrt Schmerzen verspüren. Die Schmerzen können Geschlechtsverkehr qualvoll machen und selbst das Tragen eines Tampons unerträglich werden lassen.
Schmerzen nach der Geburt: Husband Stitch als Ursache?
Für Schmerzen nach der Geburt muss nicht automatisch ein getätigter Husband Stitch verantwortlich sein. Jede Naht nach einem Dammriss oder -schnitt kann Schmerzen bereiten, die vor allem beim Sex nach der Geburt auftreten. In einigen Fällen dauert es mehrere Monate, bis sich alles wieder „normal“ anfühlt.
Wenn du Schmerzen verspürst, lasse deine Beschwerden unbedingt ärztlich abklären. Nur so erhältst du eine fachliche Einschätzung dazu, welche Ursache vorliegt und welche Behandlung passend ist. Bereitet ein Dammschnitt oder -riss ungewöhnliche starke oder lange andauernde Beschwerden, könnten zum Beispiel falsche Vernähungen oder Vernarbungen dahinterstecken. Manchmal muss das in einer kleinen Operation korrigiert werden. Solche falschen Vernähungen können auch ohne absichtliches Engernähen zustande kommen.
Solltest du etwa aufgrund von Kommentaren im Kreißsaal vermuten, dass ein Husband Stitch bei dir vorgenommen wurde, teile deine Bedenken unbedingt deiner ärztlichen Praxis mit. Hole dir bei Bedarf eine ärztliche Zweitmeinung ein.
Husband Stitch: Hilfe nach Gewalt im Kreißsaal
Es gibt verschiedene Formen von Gewalt unter der Geburt, der Husband Stitch ist nur eine davon. Laut der Initiative Mother Hood e.V. sind Schätzungen zufolge 20 bis 45 Prozent der Gebärenden von den diversen Ausprägungen betroffen. Zu Gewalt während der Geburt zählen unter anderem:
physische Gewalt (zum Beispiel medizinische Eingriffe ohne Einverständnis)
psychische Gewalt (zum Beispiel Diskriminierungen oder sexualisierte Gewalt in Form von Sprache oder Witzen)
strukturelle Gewalt (zum Beispiel das Abweisen von Frauen mit Wehen und Voranmeldung in der Klinik)
Solltest du irgendeine Form von Gewalt unter der Geburt erfahren haben, findest du unter folgenden Adressen Informationen und Hilfe:
Angst vor dem Husband Stitch: Was tun?
Auch wenn es den Husband Stitch leider zu geben scheint: Man geht davon aus, dass es in deutschen Kliniken keineswegs an der Tagesordnung ist, Dammrisse oder -schnitte enger zu vernähen als nötig, um dem Ehemann einen „Gefallen“ zu tun.
Die Erzählungen von Frauen, die ein solches Schicksal erleiden mussten, sind aber sehr bewegend und können Schwangere rund um ihren Geburtstermin durchaus verunsichern. Ängste vor unerwünschten Eingriffen, sollten dir bei deiner Entbindung nicht im Kopf kreisen. Wenn du von den Nachrichten rund um das Thema Husband Stitch und Gewalt unter der Geburt verunsichert bist, kannst du Folgendes tun:
- Besprich deine Sorgen mit deiner*deinem Gynäkologin*Gynäkologen und deiner Hebamme.
- Informiere dich über deine Rechte im Kreißsaal – zum Beispiel bei den oben genannten Adressen.
- Schreibe einen Geburtsplan. Das ist eine Art Wunschliste, auf der du Gos und No-Gos festhalten kannst.
- Nutze das Gespräch in der Geburtsklinik, um genau mitzuteilen, welches Vorgehen du dir bei der Geburt wünschst.
- Lies dir den Aufklärungsbogen deiner Geburtsklinik aufmerksam durch. Du musst keine Hemmungen haben, Rückfragen bei dem Aufklärungsgespräch zu stellen.
- Lass dich dazu beraten, welche unvorhergesehen Ereignisse bei einer Geburt auftreten können. Manchmal werden auch Maßnahmen von Frauen als gewaltsam empfunden, die zur Rettung des Lebens von Mutter und Kind notwendig waren.
- Instruiere deine*deinen Partnerin*Partner, was dir bei der Entbindung wichtig ist.