Östrogen: Was bewirken Estradiol, Estriol und Co.?
Östrogen ist eines der wichtigsten weiblichen Sexualhormone. Es ist maßgeblich an der Steuerung des weiblichen Zyklus beteiligt und spielt auch in der Schwangerschaft eine wichtige Rolle.
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Es gibt verschiedene Arten von Östrogenen, die unter der Bezeichnung Östrogen zusammengefasst werden. Die wichtigsten sind Östradiol, Östron und Östrion. Sie werden hauptsächlich in den Eierstöcken, aber auch in der Nebennierenrinde produziert. In der Schwangerschaft produziert auch die Plazenta Östrogene (etwa ab der 9. Schwangerschaftswoche).
Obwohl sie zu den weiblichen Geschlechtshormonen gehören, stellen auch die männlichen Hoden Östrogene her, allerdings nur in sehr geringer Anzahl. Östrogene sorgen bei Mädchen ab Beginn der Pubertät für die Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale und der weiblichen Geschlechtsorgane, die hohe Stimme und die typischen weiblichen Rundungen.
In diesem Artikel liest du:
- Wirkung
- Veränderungen im Verlauf des Zyklus
- Estradiol: Das wirksamste Östrogen
- Estriol: In der Schwangerschaft wichtig
- Östrogenproduktion in der Schwangerschaft
- Allgemeine Wirkung
- Konstantes Östrogenlevel durch Einnahme der Pille
- Wechseljahre
- Abbauprodukt von Östrogen
Welche Wirkung hat Östrogen?
Östrogen spielt eine wichtige Rolle im weiblichen Zyklus, vor allem in der ersten Zyklushälfte. Vereinfacht gesagt schaffen Östrogene bei Frauen die Voraussetzungen für eine mögliche Schwangerschaft. Deshalb steigt der Östrogenspiegel in der ersten Zyklushälfte auch kontinuierlich an. In dieser Zeit wird die Gebärmutterschleimhaut, die mit der letzten Periodenblutung ausgestoßen wurde, wieder neu aufgebaut (Proliferation) und gut durchblutet.
Gleichzeitig verändern sich Qualität und Beschaffenheit des Zervixschleims von zunächst klumpig über dickflüssig bis hin zu glasig, spinnbar und wässrig in den Tagen vor dem Eisprung – das Östrogen hat dann seinen höchsten Spiegel erreicht. Der Zervixschleim hat nun die ideale Konsistenz, damit die Spermien sich besonders gut in ihm in Richtung Eileiter fortbewegen können.
Der Muttermund öffnet sich unter dem Einfluss von Östrogen, sodass die Spermien ihn passieren können. Um den Zeitpunkt des Eisprungs herum sorgen die Hormone für leichte Uteruskontraktionen (cervico-fundale Uteruskontraktionen), die durch ihren Sogeffekt den Weg der Spermien in Richtung Gebärmutter unterstützen. Mehr noch: Der im jeweiligen Zyklus dominante Follikel (der Follikel, der "springen" wird) produziert besonders viel Östrogen und verstärkt so die Kontraktionen der Ringmuskulatur der Gebärmutter – die Spermien werden gezielt auf seine Seite des Eileiters geleitet. Östrogen signalisiert der Hypophyse die Eizellreife und löst damit indirekt den Eisprung aus.
In der zweiten Zyklushälfte verdickt sich die Gebärmutterschleimhaut weiter. Östrogen sorgt so für optimale Einnistungsbedingungen, sofern sich eine befruchtete Eizelle auch wirklich erfolgreich in der Gebärmutterwand einnistet. Ist das der Fall, bleibt der Östrogenspiegel weiter hoch. Im Laufe der Schwangerschaft ist Östrogen unter anderem dafür verantwortlich, dass sich das Brustgewebe vergrößert und die Milchbildung einsetzt. Es hat aber noch weitere Aufgaben:
- regt die Bildung neuer Blutgefäße an
- erhöht den Blutfluss
- erhöht die Dehnbarkeit der Blutgefäße
- senkt den Blutzuckerspiegel und verbessert die Glukosetoleranz
- erhöht in der Spätschwangerschaft die Sensibilität der Gebärmutter gegenüber Progesteron
- führt zu gut durchfeuchteter Haut und Schleimhäuten
- fördert unter der Geburt die Kontraktionsbereitschaft der Gebärmuttermuskulatur
So verändert sich der Östrogenspiegel im Laufe des Zyklus
In der ersten Zyklushälfte bereitet sich der Körper einer geschlechtsreifen Frau auf das Eintreten einer Schwangerschaft vor. Einen großen Anteil daran hat das Östrogen. Zu Beginn des neuen Zyklus und während der Periodenblutung ist der Östrogenspiegel noch konstant niedrig. Etwa eine Woche vor der Zyklusmitte mit dem Eisprung steigt es langsam an. Dieser Anstieg hängt vor allem mit dem follikelstimulierenden Hormon (FSH) zusammen, das ebenfalls ansteigt.
Das FSH lässt zusammen mit dem luteinisierenden Hormon (LH) Follikel (Eibläschen) im Eierstock heranreifen, in denen sich je eine Eizelle befindet. Die Eibläschen wiederum regen die Produktion von Östrogenen an. Bis zum Eisprung steigen die Werte von FSH, LH und der Östrogene an, um den Zeitpunkt des Eisprungs herum sogar sprunghaft.
Nach dem Eisprung fällt das Östrogen zunächst stark ab, erhöht sich dann aber wieder und bleibt während der gesamten zweiten Zyklushälfte hoch. Ist keine Schwangerschaft eingetreten, sinkt der Östrogenspiegel erst kurz vor der Periodenblutung wieder.
Estradiol: Das wirksamste Östrogen
Das am stärksten wirkende unter den Östrogenen ist das Estradiol (E2), häufig auch Östradiol genannt (beide Schreibweisen sind korrekt). Bei geschlechtsreifen Frauen ist Estradiol das im Körper dominierende Östrogen. Es wird überwiegend in den Eierstöcken gebildet (zu einem kleinen Teil auch in der Nebenniere) und ist maßgeblich für die Follikelreifung in der ersten Zyklushälfte verantwortlich. Im Rahmen von Fruchtbarkeitsuntersuchungen wird die Konzentration des Estradiols im Blutserum an bestimmten Zyklustagen bestimmt.
Auch in der Schwangerschaft spielt Estradiol eine Rolle, es wird dann auch von der Plazenta gebildet und seine Blutkonzentration steigt stark an. Auch auf die Schleimhäute sowie die Kollagenbildung und Elastizität der Haut hat Estradiol eine starke Wirkung.
Als synthetisch hergestelltes Hormon hat Estradiol deshalb auch einen Platz in der modernen Anti-Aging-Kosmetik.
Estriol: In der Schwangerschaft wichtig
Estriol (Östriol, E3) hingegen ist das am schwächsten wirksame Hormon aus der Östrogen-Familie. Jedoch wird es in der Schwangerschaft vermehrt in der Plazenta gebildet. Für seine Produktion liefert der Embryo/Fötus die hormonellen Vorstufen.
Im Laufe der Schwangerschaft steigt der Estriolwert im mütterlichen Blutserum. Estriol dient als wichtiger Indikator für das Zusammenspiel zwischen mütterlichem und kindlichem Organismus. Ein niedriger Estriolwert kann auf eine Chromosomen- oder Wachstumsstörung des Kindes hinweisen. Im Rahmen des pränataldiagnostischen Triple-Test wird deshalb auch der Estriolspiegel gemessen.
Als synthetisch hergestelltes Ersatzhormon wird Estriol auch in der Hormonersatztherapie nach der Menopause eingesetzt. In Cremes gegen Scheidentrockenheit ist das Östrogen ebenfalls häufig enthalten.
Östrogenproduktion in der Schwangerschaft
In der Schwangerschaft steigt die Produktion von Östrogenen massiv an: der Östriol- und Östronspiegel hundert-, der Östradiolspiegel sogar tausendfach. Die Östrogen- und Progesteronkonzentration erhöht sich extrem schnell. Die an einem einzigen Tag während der Schwangerschaft produzierte Östrogenmenge ist genauso hoch wie die einer Nichtschwangeren innerhalb von drei Jahren.
In der Frühschwangerschaft sind zunächst nur Estron (Östron) und Estradiol (Östradiol) erhöht. Bereits etwa ab der 9. SSW nehmen die kindlichen Nebennieren ihre Tätigkeit auf und produzieren Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEAS), das wiederum von der Plazenta benötigt wird, um selbst Estriol (Östriol) zu produzieren. Nachdem sich der Embryo in der Uteruswand eingenistet hat, sind er selbst und die Plazenta Hauptlieferanten des Östrogens.
Ein niedriger Östriolspiegel im mütterlichen Blut kann daher auf Fehlbildungen oder andere Störungen hinweisen. So wird das Östriol beispielsweise beim Triple-Test gemessen, einer Methode der pränatalen Diagnostik zur Erkennung von Chromosomenstörungen. Ein niedriger Wert deutet auf Störungen hin.
Allgemeine Wirkung von Östrogen
Östrogene sind maßgeblich am Knochen-/Kalziumstoffwechsel beteiligt. In Ländern, in denen häufig Lebensmittel auf den Tisch kommen, die Phytoöstrogene (Pflanzenstoffe, die in ihrer Wirkung dem Hormon ähneln) enthalten, tritt vergleichsweise selten Osteoporose auf. Die Erkrankung wird mit einem niedrigen Östrogenspiegel in Verbindung gebracht. Östrogen sorgt nämlich dafür, dass Kalzium in den Knochen eingelagert wird. Sinkt der Östrogenspiegel, nimmt auch die Knochendichte ab, weil weniger Kalzium resorbiert werden kann.
Auch auf die Wasserbindefähigkeit von Haut und Schleimhaut haben Östrogene einen Einfluss. So ist etwa die hohe Östrogenkonzentration im Körper der Grund dafür, warum Schwangere häufig besonders "pralle" und feine Haut haben, während umgekehrt mit dem Einsetzen der Wechseljahre die Haut vieler Frauen sehr trocken werden kann. Gemeinhin gilt Östrogen als "weibliches Schönheitshormon".
Beim Erwachsenen bewirkt das Hormon die Stimulation des Geschlechtstriebes. Östrogen wirkt sich außerdem günstig auf den Fettstoffwechsel aus.
Bei Einnahme der Antibabypille bleibt Östrogenlevel konstant
Alle beschriebenen Vorgänge und die Wirkung von Östrogen im Verlauf des Zyklus finden so nicht oder etwas anders statt, wenn du die Antibabypille nimmst oder ein anderes hormonelles Verhütungsmittel verwendest.
Die herkömmliche Antibabypille enthält Östrogene und Gestagene. Gestagene sind synthetisch hergestellte Hormone, die in ihrer Wirkung dem Progesteron ähneln. Durch die Einnahme wird der Eisprung verhindert, die für die Veränderungen im Zyklus verantwortlichen Hormone bleiben auf einem konstanten Level.
Verschiedene Varianten von hormonellen Verhütungsmitteln wie die Antibabypille, die Minipille, die Dreimonatsspritze und das Hormonstäbchen enthalten kein Östrogen, sondern nur Gestagene. Dadurch bleibt der Schleimpfropfen, der sich während der fruchtbaren Tage normalerweile verflüssigt und so die Spermien passieren lässt, fest und geschlossen. Die Gebärmutterschleimhaut baut sich nicht richtig auf, sodass selbst im Falle einer Befruchtung eine Einnistung sehr unwahrscheinlich bleibt. Je nach Art und Dosierung der Gestagene findet der Eisprung statt oder nicht.
Östrogen und Wechseljahre
Mit zunehmendem Alter kommt es immer häufiger vor, dass der Eisprung ausbleibt. Dadurch entsteht eine Östrogendominanz, denn der Follikel produziert immer weiter Östrogen, aber kein Progesteron. In der Folge treten immer häufiger längere blutungsfreie Phasen auf, die oftmals mit einer sehr starken Periodenblutung enden – ein klares Zeichen für den Beginn der Wechseljahre.
Erst Jahre später stellt der Körper auch die Östrogenproduktion ein, die "typischen" Wechseljahresbeschwerden wie trockene Haut und Schleimhäute, Hitzewallungen und Schweißausbrüche, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen können auftreten.
Abbauprodukt von Östrogen
Östron 3 Glucuronid ist ein im Urin erscheinendes Abbauprodukt von Östrogen. Von Beginn des Zyklus an steigt die Konzentration dieses Hormons konstant an und erreicht ihren Höchstwert im Durchschnitt 24 Stunden vor dem Eisprung. Die Östrogenmenge im Urin wird von verschiedenen Zykluscomputern bei Kinderwunsch beziehungsweise zur Empfängnisverhütung nachgewiesen und ausgewertet. Auch manche digitalen Ovulationstests werten zusätzlich zu anderen Hormonen den Östrogenspiegel im Urin aus.