Gründe fürs Langzeitstillen ??!
ich hab mal eine frage an euch die ihr lange stillt.
meine freundin hat 2 kinder (4 Jahre und 13 monate alt). beide gestillt.
die 13 monate alte tochter soll jetzt abgestillt werden. meine freundin möchte wieder unabhängig sein, sport machen etc.
sie hat immer gerne gestillt und hätte es gerne noch länger gemacht, aber sie fühlt sich so angebunden.
außerdem wäre es ihr in der öffentlichkeit peinlich, ein kind welches fast laufen kann, noch zu stillen. oder das kind fängt an zu sprechen und dann noch stillen?
sie würde schon gerne, fühlt sich aber durch äußere zwänge nicht gut dabei.
wie steht ihr über den dingen? gibt doch genügend menschen um einen herum vor denen man meint sich ständig rechtfertigen zu müssen. (was man natürlich nicht muß)
ich würde mich über antworten freuen. ich drucke sie dann aus und gebe sie meiner freundin.
lg
S_U_N_S_H_I_N_E
Gründe fürs Langzeitstillen ??!
Hallo Sunshine,
ich denke mal, dass die Mehrheit hier einfach auf die Bedürfnisse ihres Kindes gehört hat und deshalb nicht abgestillt hat. Vielleicht melden sich noch ein paar Frauen ...
Meine Gründe waren erst mal recht "technischer" Art:
Die WHO empfiehlt Stillen nach Bedarf für Industrieländer für mind. 2 Jahre:
Nicht gestillte Kinder haben häufiger Atemwegsinfektionen, Mittelohrinfektionen, Magen-Darm-Infektionen. All diese Infekte verlaufen zudem bei nicht gestillten Kindern wesentl. schwerer als bei Stillkindern, sie müssen öfter ins Krankenhaus.
Da ich meinen Sohn nach 10 Monaten abgestillt hatte und er ab da ständig einen Infekt nach dem anderen hatte mit nächtlichen Klinikbesuchen und er dann mit 4 Jahren schon drei OPs hinter sich hatte, war für mich klar: Das passiert mir nicht noch mal, ich mache alles dafür, dass es meiner Tochter gesundheitlich besser geht. Natürlich sind obige Punkte rein statistischer Natur, im Einzelfall kann ein Stillkind öfter und schwerer krank sein als ein nicht gestilltes. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass häufige und vor allem schwere Infekte auftreten, ist eben bei nicht gestillten Kindern nun mal größer!
Wenn meine Tochter kränkelt, dann isst und trinkt sie nichts bis kaum und stillt nur noch. Mein Sohn mußte dann Heilnahrung bekommen und wir hatten einen erfolglosen Tanz Elektrolytlösungen in ihn reinzubringen mit wie gesagt einigen Krankenhausbesuchen. Muttermilch ist gut verträglich und bleibt auch bei Kotzeritis meist drin.
Es kommt hinzu, dass das Brustkrebsrisiko der Mutter umso höher ist, desto kürzer sie stillt. Es gibt noch ein paar andere Krankheiten, die sowohl bei Mutter als auch Kind bei Nichtstillen öfter auftreten ...
Weitere Vorteile des Stillens für mich sind, dass ich nachts nicht aufstehen und Fläschchen bereiten muss. Meine Tochter und ich schlafen gleich - eigentlich schon beim Stillen - weiter.
Sie liebt das Stillen sehr und beruhigt sich abends prima an der Brust. Meistens mag ich es auch :-) (Hatte gerade eine andere Phase, aber das gehört nicht hierher ...) Diese besondere Verbundenheit beim Stillen ist einmalig.
Deine Freundin müßte ja nicht ganz abstillen, wenn sie nur unabhängiger sein will oder sie es in der Öffentlichkeit nicht mag. Wenn sie nicht mehr nach Bedarf stillen mag, dann kann sie doch z.B. nur noch zu Hause und nachts stillen. Wenn Baby dann mal krank ist, dann kann sie wieder mehr stillen ... Sie kann dem Baby ein Wort fürs Stillen beibringen, dass öffentlichkeitsverträglich ist. (Meine Tochter sagt einfach "Milch", na ja, "Miiiiiich!")
Wieso kann Deine Freundin wg. Stillen kein Sport treiben?! Hä?
Ich konnte ganz lange nicht unterwegs stillen bzw. nur mit Riesenaufwand, weil meine Tochter auf ein bestimmtes "Ambiente" bestand. Somit bin ich jetzt ganz froh, dass sie sich da etwas locker gemacht hat! Ich stille also nicht "noch" in der Öffentlichkeit, sondern "endlich"!
Je nachdem, wer so um mich ist, kostet mich das auch Überwindung. Aber je öfter man es tut, desto leicht geht es :-) Und ich persönlich weiß ja, dass Stillen das Beste für uns beide ist! Die meisten Leute wissen das nicht und kennen das nicht, da kann ich über manchen komischen Blick oder doofe Frage dann auch hinwegsehen. Schließlich ist Oxytocin das Kooperationshormon :-) Wie gesagt, man braucht ja auch nicht unterwegs zu stillen.
So, nun noch zum Schluss:
Bist Du sicher, dass Deine Freundin wirklich noch stillen mag? So, wie Du es beschreibst - sie mag wieder unabhängig sein, Sport treiben - klingt es nicht ganz so! Das klingt für mich ein bisschen nach einem Grund, der herbei muss, weil ja nun stillen weder ihre Unabhängigkeit besonders einschränkt noch ihren Sport verhindert. Es gibt einfach Frauen, die das Stillen nicht so leiden können und froh sind, wenn sie es hinter sich gebracht haben. Das muss man dann akzeptieren und anerkennen, dass sie es überhaupt getan haben ... Hab auch so eine Freundin, die mit allerlei Vorwänden ankam, nach deren Entkräftigung hat sie dann einfach mal zugegeben, dass sie schlicht keinen Bock zum Stillen hat ...
Wenn man Kinder hat und sich sicher ist, dass irgendwas das Beste für sie ist und man selber das will, dann läßt man sich auch nicht vom Gerede der anderen davon abbringen.
Grüße von Einzigartig
Hab Dir ne PN geschickt!
Gründe fürs Langzeitstillen ??!
ich habe meine Tochter in einer Kirche gestillt, da war sie 2,5 Jahre alt. Gerade das fand ich am Stillen ja so gut, dass man unabhängig war. Keine Fläschchen machen, man brauchte nichts zum wärmen, etc. Meine Tochter war auch viel gesünder als mein Sohn, den ich nur 6 Wochen lang gestillt habe. Er war in den ersten 3 Jahren seines Lebens eigentlich nur dauerkrank.
Katharina war in den ersten 3 Jahren eigentlich nur 2x krank. Der erste schwere Husten war leider wohl der Auslöser für ihren Diabetes mit knapp 2 Jahren, aber das hätte man eh nicht verhindern können und hat auch nichts mit stillen oder nicht stillen zu tun.
In der Folge war ich froh, dass ich sie noch stillen konnte, denn sie hat eigentlich alles andere abgelehnt.
Sie hat sich dann selbst mit fast 6 Jahren abgestillt. Es war ein ruhiger, friedlicher Ausklang einer meist ausgeglichenen Stillbeziehung, die ich nicht missen möchte. Und wenn ich wieder vor der Wahl stünde, ich würde es wieder so machen.
LG Lili
Gründe fürs Langzeitstillen ??!
man kann kurzfristig ans Stillen rangehen und sich momentan angeBUNDEN fühlen oder man kann es langfristig betrachten: Wie wenig Zeit sind zwei Jahre intensives Stillen und intensive "AnBINDUNG" im Verhältnis zur eigenen und zur Lebenszeit des Kindes!?
Ich stille jetzt ununterbrochen seit insgesamt 4,5 Jahren (erst meinen Sohn, nun meine Tochter) - nicht ohne Stillkrisen, aber alles in allem harmonisch. Zu beiden Kindern verbindet mich etwas ganz Starkes, das sie wiederum selbstbewusst und stark macht - im seelischen wie im körperlichen Sinne (v.a. weniger krank). Natürlich kann eine solche Bindung auch entstehen, wenn die Kinder nicht bzw. weniger gestillt werden. Aber ich behaupte einfach mal, das Stillen vieles erleichtert - das Praktische (siehe die Punkte meiner Vorschreiberinnen), aber eben auch das Emotionale.
Alles Gute wünscht
Koboldmama
Gründe fürs Langzeitstillen ??!
ich weiß nicht so genau, ob Argumente da helfen. Du beschreibst die Situation unklar bzw. zwiespältig: Angeblich will sie einerseits noch länger stillen (wie lange hat sie denn das 1. Kind gestillt?) andererseits gibt es durch die angebl. "äußeren Zwänge" (die ich übrigens in 3 Jahren Stillen in einer Großstadt nicht wirklich wahrgenommen habe - was an MEINER Einstellung u. Wahrnehmung liegt u. nicht an den anderen :-)) den Wunsch des Abstillens.
Wenn sie weiterstillen möchte, dann könnte sie sich klar machen:
- Stillkrisen (also keine Lust, anstrengende Stillmethoden der Kinder) gibt es immer, meist mehrmals. Ich hatte 2x Milchstau (der ja nix mit dem Kind zu tun hat, aber höllisch weh tut), das wünsche ich niemandem. Abgestillt hab ich deshalb trotzdem nicht. Allerdings verstehe ich, dass sie jetzt vllt müde od. genervt ist, wenn es eine lange Phase des Tandemstillens gegeben hat.
- Sie bestimmt mit ihrer Einstellung, wie die Stillbeziehung aussieht. Wenn sie Sport machen will, warum sollte das Stillen sie abhalten? Ihr Kind ist mit 13 Monaten alt genug, um Zeitfenster fürs Stillen zu akzeptieren. Wenn die Mama nicht da ist, betreut eben solange jemand ohne zu stillen. Verhungern od. verdursten wird das Kind jedenfalls nicht. Mein Sohn wurde mit 13 Monaten täglich ca. 7 std. in der Kita betreut u. hat dort nicht 1x nach dem Stillen verlangt.
- Äußere Zwänge: Die nehme ich gar nicht wahr. Ich habe meinen Sohn auch "draußen" gestillt, bis er ca. 15 Monate alt war. Dann hatte ich einfach keine Lust mehr, auch im öffentl. Raum immer "verfügbar" sein zu müssen fürs Stillen. Einzige Ausnahme war das Stillen nach der Kita. Das hat wunderbar funktioniert. Abends/nachts hat er noch lange gestillt (das war für mich phasenweise furchtbar anstrengend u. nervig) u. sich selbst Anfang des Jahres mit 3 Jahren u. 3 Monaten abgestillt.
- Angebunden zu sein ist, wie bereits erwähnt, eine Frage der Einstellung und der Form der Stillbeziehung. Ich habe mich eigentl. nie angebunden gefühlt sondern vor allem im 1. Lebensjahr viel freier als die Frauen, die immer Pulver, heißes Wasser, sterile Fläschchen usw. dabei haben mussten :-). Im 2. Lebensjahr und danach geht es beim Stillen ja nicht mehr nur ausschließlich um die Nahrungsaufnahme sondern um viele andere Dinge, die das Stillen wichtig erscheinen lassen. Aber nur dann, wenn beide es wollen u. überwiegend ihre Freude daran haben. Besser abstillen als genervt noch Monate od. Jahre weitermachen. Das ist nicht der Sinn der Sache.
LG
Nadine
Gründe fürs Langzeitstillen ??!
hi sunshine
sport und stillen schließen sich nicht gegenseitig aus,wenn man nicht grad was macht,wo man mit vollem gewicht auf den brust liegt ;-)
je älter das kind wird,um so seltener kommt man in die situation,öffentlich zu stillen.und selbst wenn...meine tochter (2,6jahre,stillt noch mittags-am we und abends/nachts) habe ich notgedrungen im flugzeug und im bus gestillt.es hat nicht mal jemand mitbekommen...
lg,sylvi-die trotz stillens sport macht,abends weggehen kann und auch mal ein weinchen trinkt
wenn die kinder so klein sind,ist mann als eltern eben gefordert-mit oder ohne stillen.sie werden selbsständiger und nabeln sich ab-mit oder ohne stillen.
Gründe fürs Langzeitstillen ??!
Material über die Vorteile des Stillens gibt es massig. Aber letzten Endes zählt doch, was sie im Einzelnen stört, was ihr Angst macht, und natürlich, wie das Kind so "drauf" ist.
Bei uns war das Weiterstillen in dem Alter kein Thema, da Ella und Clara nicht mehr so oft getrunken haben bzw. sich da noch gut vertrösten ließen. Da kann man auch Strategien entwickeln, um das Stillen in der Öffentlichkeit zu vermeiden.
Andererseits kann man sich auch für die "Konfrontation" mit Andersdenkenden vorbereiten. Wenn man will und es für die Familie passt, dann schafft man das auch.
LG,
Susanne
marathon
nur kurz:
ich laufe drei mal die woche und stille nach bedarf.
das klappt sehr gut.
im herbst gehts hoffentlich zum marathon.
lg
ana
Gründe fürs Langzeitstillen ??!
Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät. Ich würde Dir gerne noch meine Meinung aufschreiben, obwohl oder vielleicht gerade weil ich schon einige Zeit nicht mehr stille.
Denn ich denke, ich hatte mit deiner Freundin viel gemeinsam. Meinen ersten Sohn habe ich 6 Monate voll gestillt, nur wenn es sich gar nicht vermeiden ließ in der Öffentlichkeit. Dann war er ein Beikostliebhaber und ich hatte für unterwegs immer einen Brei dabei, so dass ich überhaupt nicht mehr in der Öffentlichkeit gestillt habe. Bei meine Tochter habe ich das dann schon etwas anders gesehen, sie habe ich in der ersten Zeit schon einmal unterwegs gestillt, als sie aber anfing zu essen, auch nur noch zu Hause. Bis ca. 1 Jahr habe ich sie noch bei meinen Eltern gestillt. Dann ging es mir wie Deiner Freundin: ich wollte noch weiter stillen, aber ich fand es sehr schwer mit dem Druck von außen umzugehen. Mir hat dieses Forum geholfen und die WHO-Richtlinie. So haben wir bis ca. 22 Monate gestillt.- allerdings nur noch zu Hause.
LG Anja
Gründe fürs Langzeitstillen ??!
ich will das Beste für mein Kind und auch gleichzeitig etwas für meine Gesundheit tun.
Gründe: Stillen des "älteren" Säuglings
Elizabeth Hormann, IBCLC
Vortrag, gehalten am Berlin-Brandenburgischen Stillseminar, 25. Oktober 1997
Wenn wir die Abstillkurven von 64 Gesellschaften (nicht USA und Europa) vergleichen, zu einer Zeit, als wenig kommerzielle und westliche Einflüsse das traditionelle Ernährungsmuster störten, so machen wir interessante Feststellungen: So gut wie keine dieser Gesellschaften hat ihre Kinder vor einem Jahr abgestillt. Bis 2 Jahre war es ein relativ kleiner Prozentsatz der Kinder, der keine Muttermilch mehr bekam. Dies stieg im nächsten halben Jahr rapid an. Bis zum dritten Geburtstag wurden immer noch über ein Viertel der Kleinkinder gestillt; die Restlichen stillten sich zum größten Teil im nächsten Jahr ab; einige wenige haben erst im fünften Lebensjahr die Stillbeziehung ganz beendet.
Auch in den USA gab es immer Langzeit gestillte Kinder, aber die Proportionen sind ganz anders. Die überwiegende Mehrheit ist in den frühen Lebensmonaten ganz abge-stillt worden; bis zum ersten Geburtstag gingen 90% nicht mehr an die Mutterbrust.
Die Beantwortung der Frage, wie es dazu gekommen ist, dass Kinder in Industrie-ländern im Vergleich zu denen in anderen Länder auf der Welt und im Vergleich zu den meisten Kindern im Laufe der Geschichte der Menschheit so früh abgestillt werden, würde den Rahmen dieses Referats sprengen. Sie besteht aus einer Kom-bination von geschichtlichen, kulturellen und kommerziellen Faktoren.
Was ich hier darlegen möchte, sind die wissenschaftlichen Begründungen für die Fortsetzung des Stillens nach den ersten Lebensmonaten, in denen die Vorteile des Stillens mehr oder weniger unbestritten sind.
Die ersten 6 Monate
Muttermilch hat alles, was ein Baby braucht, um sich optimal körperlich und geistig zu entwickeln. Es geht vor allem um die Entwicklung des Gehirns und nicht darum, das möglichst größte Baby in kürzester Zeit zu produzieren.
Der niedrige Eiweißgehalt der Muttermilch ist unter anderem dafür ein Vorteil. Aus der Erfahrung mit künstlicher Babynahrung mit hohem Eiweißgehalt wurde fest-gestellt, dass solche Nahrung nicht nur zum schnellen Körperwachstum - das erstrebte Ziel - führte, sondern auch zu hohen Aminosäurewerten im Blut, die eine permanent negative Auswirkung auf das Zentralnervensystem haben könnten (Cunningham 253).
DHA (Docosa Hexanoic Acid), eine langkettige Aminosäure, einzigartig in der Mut-termilch, sammelt sich im Gehirn (und in der Retina) und ist für deren strukturelle Entwicklung wichtig (Cunningham 254).
Diese und sämtliche anderen wissenschaftlichen Entdeckungen sind die Theorie, aber wie sieht es in der Praxis aus?
Stillende Mütter haben immer geglaubt, dass ihre Kinder deswegen klüger seien als die Nachbarskinder, die künstliche Babynahrung bekamen. Jetzt gibt es Forschungen, die diese Behauptung zu bestätigen scheinen. Frühgeborene, die in den ersten Lebens-wochen die Milch der eigenen Mutter durch Sonde bekommen hatten, hatten nach 8 Jahren durchschnittlich 10 Punkte mehr auf der 10 Skala als die Kinder die künstlich ernährt worden waren (Cunningham 254). Weil diese Studie nur die Muttermilch-ernährung ohne das Stillen an der Brust erfasst hat, hat sie effektiv die Interaktionen zwischen Mutter und Kind als Faktor in der intellektuellen Entwicklung ausgeklam-mert und dabei die Vermutung bestätigt, dass Muttermilch per se das Wachstum des Gehirns und Zentralnervensystems positiv beeinflusst.
Das gestillte Kind hat nicht nur ein ganz anderes Gehirn- und Zentralnervensystem; auch seine Körperentwicklung verläuft anders. Gestillte Kinder haben eine Tendenz, etwas weniger zu wiegen als künstlich ernährte Kinder. Das Fettpolster ist anders aufgebaut und durch den natürlichen Sättigungsmechanismus lernen sie, ihren Appetit zu steuern.
Haut und Muskulatur fühlen sich bei Stillkindern anders an (Stuart-Macadam 20). Unterschiede im Blutbild und in der Darmflora sind messbar.
Nicht nur dank den nutritiven Komponenten, sondern auch wegen der bioaktiven Zusammensetzung - Immunfaktoren, Enzyme, Wachstumsfaktoren und Hormonen, die in der Muttermilch einzigartig sind - hat das Stillkind lebenslänglich einen anderen Körper als seine nicht-gestillte Kohorte, also flaschenernährte Kinder.
Um nur einen Faktor unter die Lupe zu nehmen: Die Rolle der Immunfaktoren ist auch in Industrieländern nicht unerheblich. Kurzfristig und langfristig stimuliert das Stillen den Aufbau und die Steuerung des Immunsystems des Kindes und bietet Schutz gegen die Entwicklung sowohl von Autoimmun- und Herzkranzarterien-krankheiten als auch vor Allergien.
All dies sind mehr als genug Gründe, ein Kind 6 Monate voll zu stillen. Aber welche Vorteile hat es, das Stillen danach fortzusetzen?
Stillen bis ca. ein Jahr
Ab Mitte des ersten Lebensjahrs zeigt das Kind großes Interesse an dem, was seine Mitmenschen essen. Wird es ihm nicht angeboten, drückt es sein Missfallen ganz deutlich aus - ein intellektueller Sprung, aber auch eine Reaktion auf Körpersignale, dass die Zeit gekommen ist, seinen gastronomischen Horizont etwas zu erweitern. Das heißt aber nicht, dass Muttermilch plötzlich nicht mehr wertvoll ist. Sie bleibt während dem ersten Lebensjahr - und oft darüber hinaus - das wichtigste Nahrungs-mittel, nach wie vor eine Quelle von hochwertigen Kalorien, Eiweiß, Vitaminen und Mineralien. Die nächsten sechs Monate - oder länger - sind eine Kennenlernzeit, in der feste Nahrung Muttermilch ergänzt, aber nicht ersetzt.
Auch der Immunschutz und die Entwicklung des Zentralnervensystems wird im zweiten Halbjahr fortgesetzt. Hier gilt das Prinzip von dosisbezogener Auswirkung. Bei der o.g. Studie mit Frühgeborenen war ein Verhältnis ganz eindeutig. Je mehr Muttermilch, desto höher der IQ-Wert (Stuart-Macadam 18).
Die Verbindung zwischen Muttermilchdosis und der Wahrscheinlichkeit der Entwicklung bestimmter Krankheitsbilder ist noch klarer.
Allergien - Kinder, die 6 Monate oder länger gestillt wurden, haben weniger Allergien (5%) als die, die weniger als 6 Monate gestillt wurden (36%) (Strimas JH, Chi OS, 1988).
Haemophilus Influenza Typ B - Stillen länger als sechs Monate schützt gegen diese Krankheit (Takala, AK et al 1989).
Otitis media ( Mittelohrentzündung) - Stillen länger als sechs Monate reduziert Otitis media drei- bis fünffach bis zum Alter von 27 Monaten (Teei, DW, Klein, JO, Rosner, B, 1980).
Malocclusion - Als die Stilldauer von 12 auf 3 Monate reduziert wurde, stieg die Prävalenz von Malocclusion von 3% auf 16% (Labbok, MH und Hendershot, GE, 1987).
Lymphoma in der Kindheit - Für Kinder unter 15 Jahren ist das Risiko fünf- bis achtfach höher, wenn sie weniger als 6 Monate (oder gar nicht) gestillt wurden (Davis MK, Savitz, DA und Graubord, BI, 1988).
Diabetes - Wenn Kinder 12 Monate oder länger gestillt wurden, ist die odds ratio für die Entwicklung dieser Krankheit 0.54 im Vergleich zu nicht-gestillten Kindern.
Multiple Sklerose - Ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für Multiple Sklerose entsteht, wenn ein Kind weniger als 7 Monate oder gar nicht gestillt wurde.
Stillen im zweiten Lebensjahr und danach
Was spricht für das weitere Stillen nach dem ersten Geburtstag? Überraschend viel: Ernährung, z. B.:
Zwischen dem 6. und 24. Lebensmonat beträgt die Muttermilchmenge rund 500 ml täglich. Sie kann also einen großen Teil der Kalorien, die ein Kind in diesem Alter braucht, liefern. Im Notfall kann die Milchmenge gesteigert werden und auch ein Kind, das normalerweise Beikost isst, kann wieder ausschließlich mit Muttermilch ernährt werden.
Muttermilch liefert 70 Kilokalorien pro 100 ml - zweimal die Energiedichte eines Ab-stillbreis. Kinder im zweiten Lebensjahr können ihren Energiebedarf zu 31% durch Muttermilch decken. Stillkinder im Alter von 13-18 Monaten erhalten bei gleicher Nahrungsmenge 25% mehr Energie als nicht-gestillte; ältere Kinder erhalten 17% mehr. Je nach Studie gibt es auch Hinweise darauf, dass Muttermilch noch mehr Energie im zweiten Lebensjahr liefern könnte. Eine Studie aus Uganda machte deutlich, dass dort die Energiebedürfnisse in dieser Lebensphase durch Muttermilch zu 53% gedeckt wurden. Wenn man daran denkt, wie wenig viele Kinder im zweiten Lebensjahr essen - sie haben einfach keine Zeit; die Welt ist dafür viel zu interessant - sind diese Ergebnisse nur logisch. Wenn ein Kind vor dem zweiten Geburtstag abgestillt wird, braucht es selbstverständlich viel mehr feste Nahrung als vorher - laut einer Studie wurden die anderen Nahrungsmittel um 60% erhöht und auch das reicht nicht immer aus. Unter Umständen kann ein abgestilltes Kind unter einem Energiedefizit leiden - einem 28%igen Defizit laut einer Studie von 1982.
Eine andere Studie zeigte, dass nicht-gestillte Kinder nur 84% der vorgeschlagenen Kalorieneinnahme hatten, während noch gestillte Kinder 108% der optimalen täglichen Kalorien zu sich nahmen.
Bioverfügbarkeit, Vitamine und Mineralien
Die Kalorien der Muttermilch sind keine leeren Kalorien. "Muttermilch bleibt auch die wichtigste Quelle an hochqualitativem Eiweiss, Vitaminen und anderen Nährstoffen" (Helsing und King, 1982). Hochqualitativ und gut bioverfügbar. Wie viel eines Nährstoffes in der Milch ist, ist nicht die interessante Frage. Wir müssen danach fragen, wie bioverfügbar er ist. Es nutzt also nichts, wenn der Nährstoff nur da ist und das Kind nicht darüber verfügen kann.
Eiweiss wird in der Muttermilch besonders gut absorbiert. Im zweiten Lebensjahr deckt Muttermilch die Eiweissbedürfnisse zu 38%.
Und die Ergebnisse bei den Vitaminen und Mineralien sind noch eindrücklicher:
Vitamin A wird im zweiten Lebensjahr 100%ig durch Muttermilch gedeckt. In Ent-wicklungsländern kann dies besonders wichtig sein. Es wurde da festgestellt, dass nicht-gestillte Kinder einem sechs- bis achtfach höheren Risiko an Xerophthalmie (einer Vitamin A-Mangel-Erkrankung des Auges) zu erkranken ausgesetzt sind als gestillte Kinder. Der Schutz bleibt auch nach dem Abstillen erhalten.
Eine tägliche Einnahme von 500 ml Muttermilch liefert 19 mg Vitamin C, 95% der Menge, die Kinder im zweiten Lebensjahr brauchen (Armstrong, 1987). Gegen Ende des ersten Lebensjahres ist die Vitamin CKonzentration der Muttermilch 3,3 mal höher als im Blutplasma der Mutter. Selbst wenn die Mutter erniedrigte Vitamin C-Werte hat, wird es in der Milch bis zu 6-12fach angereichert. Stillkinder erhalten so höhere Konzentrationen an Vitamin C als Kinder, die mit Vitamin C angereicherter künstlicher Babynahrung, Gemüse und Früchten ernährt werden.
Eisen ist zu 50% in der Muttermilch im zweiten Lebensjahr erhalten, Kalzium zu 44%, Niacin zu 41 %, Folsäurezu 26% und Riboflavin zu 21%.
Eisen ist eines der wichtigen Beispiele der Bioverfügbarkeit. Es ist zwar niedriger in der Muttermilch als in der Kuhmilch, nur wird es aus der Muttermilch zu rund 70% absorbiert (vgl. 10% in Kuhmilch), so dass ein Stillkind besser mit Eisen versorgt ist als ein nichtgestilltes Kind.
Immunfaktoren
Immunfaktoren sind auch noch wichtig. Früher wurde angenommen, dass nur im Kolostrum sehr hohe Anteile bereitstünden, die sich im Verlauf der Laktation zurück-bildeten und nach sechs Monaten nur noch von geringer Bedeutung seien. Heute ist bekannt, dass die Immunglobulinmengen nach dem sechsten Monat steigen, offen-sichtlich als Reaktion auf die absinkende Milchmenge. Mit 20 Monaten entspricht der Spiegel von IgA und IgG der Höhe, die nach einer Laktationsdauer von zwei Wochen gemessen wurde. Wenn wir darüber nachdenken, ist es auch ganz logisch, dass einige Schutzfaktoren in dieser Zeit steigen, weil Kinder ab sechs Monaten sehr mobil werden; sie kommen überall hin und stecken die unmöglichsten Dinge in den Mund. Sie brauchen viel Schutz. Dieser Schutz erfolgt durch verschiedene Immunfaktoren in der Muttermilch, darunter: Lysozym, ein unspezifischer antimikrobieller Faktor wird in Muttermilch angereichert und erreicht in einigen Fällen nach 12 Monaten die gleiche Menge wie im Kolostrum. Nach neueren Untersuchungen weiss man, dass es bis zum 25. Lebensmonat des Kindes ansteigt und erst dann abfällt. 1 ml Muttermilch enthält rund 4000 lebende Zellen (überwiegend Lymphozyten und Makrophagen) , die das Wachstum von Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten hemmen.
Der Bifidusfaktor in der Muttermilch fördert nach wie vor das Wachstum des Lacto-bazillus bifidus im kindlichen Darm, so dass sich Staphylokokken gar nicht erst aus-breiten können. Interferon, ein antiviraler Faktor, und Laktoferrin, das durch seine Eisenbindung ein Wachstum von E. coli, Staphylokokkus aureus und einigen Candi-dapilzen verhindert, sind ebenfalls in der Muttermilch enthalten. Laktoferrin zeigt kontinuierlich ansteigende Werte.
Wie wichtig ist dieser immunologische Aspekt für das ältere Stillkind? Diesbezüglich ist die Studie von Chandra aus Kanada sehr interessant, weil seine Studienobjekte gesunde Kinder der Mittelklasse in einem gut entwickelten Industrieland waren. 60 Kinder wurden über einen Zeitraum von 24 Monaten untersucht. Im Hinblick auf drei übliche Erkrankungen fand er erhebliche Unterschiede bei deren Auftreten bei gestillten und künstlich ernährten Kindern:
Atemwegserkrankungen auf 10 gestillte Kinder kommen 23 Flaschenkinder
Durchfall auf 10 gestillte Kinder kommen 35 Flaschenkinder
Mittelohrentzündungen auf 10 gestillte Kinder kommen 95 Flaschenkinder
Nach der Einführung fester Nahrung, sind Stillkinder besonders in Entwicklungsländern für Durchfall anfällig. In Bangladesch wurden noch-gestillte Kinder und nichtgestillte Kinder zwischen 6 und 35 Monaten bezüglich Durchfallerkrankung ver-glichen. Die Energieaufnahme bei nicht-gestillten Kindern fiel um 40%; bei gestillten Kindern blieb sie fast unverändert. Die Stillkinder bekamen auch 2,5 mal soviel Eiweiß wie die nicht-gestillten. Bei Durchfall ist ein Appetitverlust häufig - auch in Industrieländern. Doch viele Stillkinder trinken sehr gerne, auch wenn sie sonst keinen Appetit haben. Es wird vermutet, dass das hochqualitative Eiweiß in der Muttermilch dazu führt, dass ein krankes Kind wieder Appetit auf Kohlenhydrate hat, die für die Gewichtszunahme so wichtig sind (Armstrong, 1987) - und dies ist bei unseren Kindern auch nicht unwichtig.
Das "natürliche" Abstillalter
Aus dem bisher Gesagten ist klar geworden, dass Muttermilch ihre Nahrungs- und immunologischen Werte behält, so lange sie produziert wird. Trotzdem muss die Stillbeziehung irgendwann zur Ende kommen - aber wann?
Die Anthropologin Katherine Dettwyler hat versucht, durch kulturvergleichende Studien und durch Vergleiche der Säugetiere untereinander diese Frage in etwa zu beantworten. Ich werde hier auf die Vergleiche der Säugetiere verzichten - obwohl sie hoch interessant und überzeugend sind, und nur kulturenvergleichende Studien berücksichtigen. Auf ihrer Suche nach einem "hominiden Entwurf" (hominide blue-print) für das "natürliche" Abstillalter hat sie verschiedene Kriterien angeschaut:
Alter, in dem das Kind das Geburtsgewicht vervierfacht hat
Alter, in dem das Kind ein Drittel des durchschnittlichen Erwachsenengewichts erreicht hat
Bezug auf das Gewicht einer erwachsenen Frau (Abstillalter in Tagen = 2,71 mal das Gewicht einer erwachsenen Frau in Gramm)
Vergleich zu Schwangerschaftswochen (6 x Schwangerschaftswochen - auf vergleichenden Primatendaten basiert.
Alter beim Durchbrechen der ersten Backenzähne.
Nach keinem der Kriterien würde ein Kind unter 2,3 Jahren abgestillt und die Grenzen reichen bis 6 Jahre für Mädchen und 7 Jahre für Jungen. Sechs Jahre übrigens ist der Zeitpunkt, wann das eigene Immunsystem des Kindes reif und eigenständig wird. Bis zu diesem Punkt, schreibt Dr. Dettwyler, können die Lymphokine in der Muttermilch die aktive Immunantwort - sowohl im Serum als auch sekretorisch - steigern (Dettwyler, 56).
Ist die Idee, dass Muttermilch eine positive Auswirkung auf das Immunsystem des Kindes bis zu 6 Jahren haben könnte, so weit hergeholt? Ganz und gar nicht. Gespendete Muttermilch als Behandlung für verschiedene Krankheitsbilder ist mittlerweile weit verbreitet:
Marinkovich (1988) behandelt IgA-lnsuffizienz mit 100ml frischer Frauenmilch täglich
Asquith berichtet über den Einsatz von Frauenmilch bei der Therapie für Leukämie oder Knochenmarktransplantation
Erichson (1990) berichtet, dass verbrannte Kinder Frauenmilch besser vertragen als die übliche hypermolekulare Nahrung und
Wright benutzt - mit Erfolg - frische Frauenmilch für Erwachsene in den ersten Tagen nach Lebertransplantation (Springer, persönliche Kommunikation, 1996).
Ist es so schwierig zu glauben, dass die Milch der eigenen Mutter lange Zeit - bis ins Schulkindalter - als effektiver Stimulus für das kindeseigene Immunsystem dienen kann?
Sollten wir unsere Abstillvorschläge so hoch setzen? Nicht unbedingt. Die Vorschläge bleiben nach wie vor die Gleichen: "Im Idealfall wird die Stillbeziehung fortgesetzt, bis das Kind ihr entwachsen ist" (Grundsatz 6, La Leche Liga).
Das eine Kind wächst aus seinem Stillbedürfnis früher, das andere später hinaus. Weil das Stillen eine Partnerschaft ist, spielen auch die Bedürfnisse der Mutter eine Rolle. Wir möchten hier keine neue Vorschriften erstellen, sondern durch das Anschauen der wissenschaftlichen und anthropologischen Daten einen erweiterten Blick für das "normale" Abstillalter - und eine größere Toleranz für die Mütter, deren Stillpraktiken von der kulturellen Norm abweichen - schaffen.
Gründe fürs Langzeitstillen ??!
Dem Grossen habe ich mit ca. 18 Monaten davon überzeugen können, dass Stillen nur was für uns beide ist und dass wir das zu Hause machen. Die Mittlere und jetzt auch schon die Kleine sind unterwegs in dem Alter einfach zu beschäftigt mit anderen Dingen (laufen, kucken, mit Omas flirten), als dass sie nur einen einzigen Gedanken ans Stillen verschwenden könnten. Also passiert das automatisch nur noch zu Hause. Wenn doch mal unterwegs, dann sitzen wir dafür im Auto oder in einer Umkleidekabine. Passiert aber nur noch echt selten.
Von daher ist das LZS nicht etwas, dass ich ständig nach aussen vertreten und rechtfertigen muss.
Übrigens fühle ich mich stillend wesentlich weniger angebunden als mit Flaschen kaufen/anmachen/putzen, etc... Aber auch das ist Ansichtssache.
Gruss
Fanny mit
FannyBoy (6j4m), FannyGirl (4j4m) und FannyMaus (1j)
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