nichts gefunden beim kleinen Jasip
die Cousine meines Mannes verlor ja im September ihren ersten Sohn (eine Tochter hat sie) einige Tage vor ET, er ist einfach gestorben und normal geboren.
Sie verreiste, um Abstand zu bekommen, zu ihrer Familie nach Kanada und kam letzte Woche wieder.
Ich hab sie gerade angerufen, sie wohnt in England und wir kommunizieren nur auf Englisch und es fiel mir sehr schwer, irgendwelche klaren Worte zu finden, ich hab nach dem Tod zwei Mal mit ihr telefoniert und kaum Worte gefunden, so durcheinander war ich.
Jetzt ist es 2 Monate her und ich dachte, ich könnte gelassener drüber sprechen, aber immer wieder kam ich ins Stocken, wenn wir darüber sprachen.
Der Kleine war lt. Obduktion vollkommen gesund, es wurde nichts gefunden.
Die Eltern hatten so gehofft, wenigstens einen Grund zu erfahren, warum ihr erster Sohn gehen musste und das so kurz vorm Termin, doch es gibt KEINEN.
Live must go on, so hart, aber wahr.
Sie hat noch eine Tochter, die sie auf Trab hält und Leben lässt.
Ach herrje, ich bin so traurig, weil meine Khadija gerade 2 Monate alt war, als das passiert und man immer Angst hat, dass man ein Kind verliert.
Und auch wenn ich nicht betroffen bin, leide ich sehr mit, ich weiss nicht, wie ich mit ihr gut umgehen kann, weil ich immer so ins Stocken komme und kein klares Wort rausbringen kann, weil ich sie nicht noch mehr verletzen will.
Wir wollten eigentlich dieses Jahr noch rüber, haben es aber aus versch. Gründen auf nä. Jahr verschoben, vielleicht besser, denn dann muss sie nicht mein Baby sehen, ich wäre an dieser Stelle selbst so getroffen.
Drum herum wird sie nicht kommen, denn mein Schwager und Cousin von ihr leben unmittelbar nebeneinander und die bekommen im März ihr 2. Kind und sie weiss es noch nicht, niemand will es ihr sagen, aber lange verheimlichen kannman nicht.
Alles ist so traurig, ich hoffe, dass sie irgendwann mal wieder lachen kann (auch wenn ich es für mich selbst ausschliessen würde).
Sorry, dass es solange geworden ist, aber ich befasse mich zu sehr damit.
LG, Eure Anita
Re: nichts gefunden beim kleinen Jasip
Du hast mir auch immer so lieb geantwortet. Erstmal ist es doch auch positiv, dass der Kleine kerngesund war, das Verständnis ist zwar dann noch geringer, aber die Gefahr einer Wiederholung ist doch nicht gegeben, so sehe ich es zumindest bei meinem Silas.
Nun zu Deinem eigentlichen Problem, ich finde man kann sich beim Sprechen meistens schlechter und ungewählter ausdrücken, als beim Schreiben. Ich würde an Deiner Stelle ganz genau aufschreiben, was in Dir so los ist, was Deine Gefühle und Bedenken sind, dann erst wird sie sehen, das es noch wirklich Thema ist. Bitte teile ihr mit, dass es Dir nicht nur um sie leid tut, sondern dass Du Dich gefreut hättest den Kleinen Jasip kenne zu lernen. Im ersten Moment treibt es ihr wahrscheinlich die Tränen in die Augen, aber ich habe bis jetzt die Erfahrung gemacht, das mir so manches geschriebene mehr geholfen hat, als irgendwas gesagtes. Vielleicht antwortet sie auch schriftlich und es entspannt die Situation. Das mit den Nachbarn finde ich nicht gut, es muß ihr jemand sagen, was los ist, das wäre für sie fatal, wenn sie sie ausversehen sieht und es nicht weiß. Man kann nicht geschützt werden, es tut ihr wahrscheinlich nur noch mehr weh, wenn man nicht ehrlich zu ihr ist.
Ich weiß nicht, ob ich jetzt das so rüber gebracht habe, wie ich es mir gedacht habe, aber ich hoffe, ich konnte Dir helfen. Für eine Mutter deren kind noch während der Schwangerschaft geht, ist es wichtig, dass auch andere Menschen ihr Kind als Lebewesen ansehen. Ich muß mir öfters den Satz anhören: dann wars ja noch nicht auf der Welt. Das ist für mich unbegreiflich!!!!!!!!
LG und alles Gute für Dich Michalea
Re: nichts gefunden beim kleinen Jasip
danke, Du verstehst mich.
Ich wollte ihr schon oft einen Brief schreiben, weil ich in solchen Situationen nicht klar sprechen kann, zumindest nicht in Englisch, obwohl ich es gut kann.
Da ich wohl schriftlich besser bin, werde ich das tun, ich wollte es schon länger, aber dann flog sie für zwei Monate nach Kanada.
Es wäre vielleicht besser, es jetzt zu tun.
Für mich war dieses Kind auch ein Lebewesen, so wie jedes ungeborene Wesen.
Weisst Du, was meine Schwester gesagt hat, als ich es ihr schockiert berichtet hatte.
Ich sagte, dass so was nicht passieren darf und sie:
---Wieso darf so was nicht passieren? Das passiert bestimmt oft und es hat seine Gründe.---
Von solchen Leuten kann man echt kein Mitgefühl erwarten, sie hat selbst einmal abgetrieben und einen 11-jährigen Sohn.
Wenn man Mutter ist, darf so was nicht passieren, oder?
Ja es war Schicksal und ich wünsche, dass es sich nicht mehr wiederholt, eine gesunde Tochter hat sie zum Glück.
Als sie noch schwanger war, hab ich oft überlegt, was ich dem Kleinen schenken werde, denn sie hat meiner Tochter auch viele tolle Geschenke gemacht.
Es wäre ja ihr erster Sohn geworden und da fände man ziemlich viel und ich war auch traurig, dass ich ihr nichts mehr schenken kann, ausser meinen Trost und Mitgefühl.
Ich werde ihr und Jasip einen Brief schreiben und meine Gefühle in Worte bringen.
Vielleicht denkt einer, ich hänge mich da zu sehr rein, ich bin aber wirklich sehr betroffen, ich mag diese Frau sehr und sie ist so ein toller Mensch, sie hat es nicht verdient!
Ich will auch drüber reden, aber hier ist keiner, der das hören will, die schalten auf stumm, wollen es vergessen.
Als ich meiner Mutter davon berichtete, war das Erste: Oh nein, sags nicht, ich kann sowas nicht hören...
Sie hat selbst zwei Fehlgeburten durch und mag das Thema Tod nicht, egal wen es betrifft.
Mit meinem Mann kann ich darüber auch nicht unbefangen sprechen, Männer gehen damit anders um, sie wollen wohl nie über sowas reden. Er hat vor kurzem mit dem Vater von Jasip telefoniert und es wurde nicht darüber geredet.
Er meinte, ich solle die Mutter anrufen und nachfragen, aber er hat sich selbst nicht informiert, warum? Frauen müssen über so was reden, Männer nicht.
Schade, alles.
Danke, dass Du Dir Zeit genommen hast, ich wünsche Euch viel Kraft und werde Deinen Silas in meine Gebete einweihen.
LG, Anita
Re: nichts gefunden beim kleinen Jasip
Jetzt wo für mich das Hauptthema Fehlgeburten, Todgeburten und die dazugehörige Tabuisierung gehört, würde ich manchmal einigen Menschen ins Gehirn brüllen. Ich finde es schrecklich, bei alten, kranken Menschen deren Leben vorbei ist und die manchmal schon gerne vorangegangenen Personen folgen wollen, macht man ein Tamm-Tamm über deren Tod, es wird ein Großaufgebot von Menschen zur Trauerfeier erwartet und ein Festessen veranstaltet, man gedenkt ihrer noch undnöcher, auch für mich war es bisher schwer Menschen die mein Leben geprägt haben gehen zu lassen und war auch immer traurig, aber das was jetzt in meinem Leben passiert ist für mich nicht mehr greifbar, es reißt mir den Boden unter den Füßen weg, wenn ich sehe, wie sehr der Alltag einen einholt, es wird gelacht und gescherzt und mein Sohn wird bald beerdigt, keiner wird mit uns am Grab stehen und um ihn weinen, alle sagen nur ich tue ihnen leid, weil keiner ausser den Ärzten, der Hebamme und den Schwestern, meiner Mutter, mir dem Patholgen und dem Bestatter haben ihn im Arm gehalten, gesehen was für ein perfektes Wunder von uns gegangen ist, keiner ausser mir und evtl. noch den engsten Familienmitgleidern (denen es aber mehr um mich geht) wird traurig sein, weil ein MEnsch nicht mehr seinen Weg auf dieser Erde gehen wird oder ein Menschlein meinen Weg gekreuzt hat und diesen Weg zum schwersten meines Lebens macht. Und genauso fühlt sich die Mama von Jasip. Jasip, Silas und all die anderen todgeborenen Kinder haben nur spuren im Herzen hinterlassen aber keine Spuren im Sand und deshalb für die meisten nicht nachvollziehbar.
Was bleibt uns Mütter von Totgeborenen Kindern? Einpaar Ultraschallbilder, bis zu 42. SSW, vielleicht noch einpaar Bilder vom toten Baby, vom Grab und Grabstein und einer teifen Trauer im Herzen, die zwar verblast aber nie vergeht.
Jeder MEnsch im Umfeld, der Interesse an der Geschichte , am Kind zeigt, wird zu einem besonderen Menschen im Herzen, auch wenn diese Person einem ein Baby vor die Nase setzt oder von einer Schwangerschaft erzählt, aber solange das Baby nicht nur totgeschwiegen wird,macht es uns das Leben leichter. zumindest uns Müttern, von meinem Mann weiß ich, je weniger davon gesprochen wir, umso besser, doch gestern hat er mich erstaunt, er sagte zu meiner dreijährigen Tochter: Wir haben Silas lieb, nicht wahr????
Das hat mein Herz so erwärmt und war für mich so schön, dass kann sich keiner vorstellen, einer der wenigen Momente in den letzten zwei Wochen, wo mir richtig warm ums Herz wurde.
Ältere Menschen sind es nicht gewohnt über totgeborene zu sprechen, die heutige Generation von Müttern läßt zum ersten Mal ein Gendenken zu, es wird darüber gesprochen und erst jetzt (via Internet) weiß man, wieviele davon betroffen sind und wieviele darunter genauso leiden, wie man selber, ich bin froh jetzt zu leben und nicht vor fünfzig Jahren, wo man als aussetzig behandelt wurde.
Ich bin froh, das es Menschen gibt, wie Dich, die sich Gedanken darum machen und ich denke, sie wird es Dir auch danken!
Liebe Grüße und entschuldige bitte, dass es so lang geworden ist!
Vielen Dank für Deine langen Zeilen und ich
Um ältere Menschen, die ihr Leben gelebt haben, wird ein Tamm Tamm gemacht, aber totgeborene Kinder soll man möglichst vergessen, totschweigen.
Stimmt, Dank Internet ist ein Austausch unter Betroffenen erst wirklich richtig möglich, auch wenn man die Leute nicht kennt, aber das Schicksal verbindet einen und das ist genug.
Ich bin froh, dass es Vereine für verwaiste Eltern gibt, wo man sich treffen kann und darüber sprechen kann, über sein Kind und über die Trauer, denn dort sitzen Menschen, die einen verstehen.
Ich bin sicher, wäre mir das passiert, würde meine Familie nach kurzer Zeit so tun, als wäre es nicht passiert, sie würde es vergessen wollen, aber nicht aus fehlendem Mitgefühl, sondern aus Eigenschutz, um sich mit so quälenden Gedanken nicht beschäftigen zu müssen.
Daher kann ich mit Mutter und Schwester nicht über so was reden, eigentlich traurig, die haben ja selbst Kinder.
Mit der Schwägerin der Cousine habe ich ein sehr langes Gespräch gehabt und da sagte sie mir, dass sie ihr erstes Kind im 6. Monat auch verloren hat, es war ein Mädchen und hatte Down Syndrom und sie wurde totgeboren.
Ich hatte es bis zu diesem Tage nicht gewusst, ich wusste nur, dass sie 3 Fehlgeburten hatte, insgesamt, aber ein totgeborenes Mädchen?
Es ist jetzt 13 Jahre her und sie hatte es einigermassen verdaut, noch drei gesunde Jungs bekommen, aber jetzt, wo das Schicksal eingeschlagen hat, wurde sie richtig eingeholt und an die eigene Geschichte erinnert, sie war von Anfang an dabei und begleitete die Cousine unter der "kalten und stillen" Geburt.
In England gibt es extra Zimmer, wo die stillen Babies weit weg von der normalen Entbindungsstation geboren werden, also man nicht mit weinenden Babies konfrontiert wird.
Gibts es das hier?
Ich wusste nicht, dass es solche Zimmer gibt, bis vor kurzem.
Sie sprach viel mit mir und wir beide trauerten gemeinsam und waren fassungslos.
Sie war die Einzigste bis jetzt,mit der ich extrem lange gesprochen hatte und gleichzeitig von ihrer Tochter erfuhr, die bis heute niemand erwähnt hatte.
Unmöglich, aber es wurde sicher aus Schutz gemacht, um alte Wunden nicht aufzureissen.
Liebe Ela, ich Danke Dir, dass Du so ausführlich schreibst und bewundere Deine Kraft, alles Gute für Dich.
Deine Anita
Re: nichts gefunden beim kleinen Jasip
es ist schlimm, dass es einfach keinen Grund gibt, warum der Kleine Mann gestorben ist. Dass Du nicht "normal" mit ihr kommunizieren kannst, ins Stocken gerätst und Dir die Worte fehlen ist so normal, und zeigt doch nur, dass Du mit ihr fühlst, und es nicht vergessen hast. Das ist nämlich das schlimmste, wenn man das Gefühl hat, alle haben es vergessen weil keiner drüber redet. Dass Du Dich sehr damit befasst ist gut, denn dann kannst Du es verarbeiten. Auch für Dich war es ein Schock und lässt Dich deine Khadija sicher noch mehr lieben als wenn es nicht passiert wäre. Wegen dem Baby von Deinem Schwager/ihrem Cousin dass im März kommt, hoffe ich, dass es ihr bald jemand sagt. Ich habe mich für jede neue Schwangere gefreut, auch wenn es mich ein wenig traurig gemacht hat. Ich bin auch sicher, dass sie irgendwann wieder lachen kann. Ich konnte es nach ein paar Monaten ohne schlechtes Gewissen wieder, und kurz danach war ich wieder schwanger. Jetzt lache ich herzhaft mit meiner Miriam. Sicher es gibt immer wieder Momente in denen ich sehr traurig bin und mir die Tränen das Gesicht runter laufen, gerade um die Zeit von Melanies GEburts- und Todestag, aber die fröhliche Zeit überwiegt. Ich habe mich viel mit Melanie beschäftigt, GEdichte und GEschichten über STernenkinder, die Traurigkeit und die Hoffnung gesammelt, und manchmal lese ich sie. Manchmal weine ich dabei, und manchmal kann ich auch lächeln. Die Zeit heilt viele Wunden, wenn man sie lässt und die Traurigkeit zulässt. Kennst Du die Geschichte von der traurigen Traurigkeit? Die ist so passend. Wenn Du sie nicht kennst, schicke ich sie Dir gerne.
Viele liebe Grüsse
Tanja
Re: nichts gefunden beim kleinen Jasip
vielen Dank für Deine ausführlichen Zeilen, ich hab sie gerne gelesen.
Danke, dass Du so ausführlich geschrieben hast.
Ich kenn die Geschichte von der traurigen Traurigkeit nicht, wenn Du sie mir schicken kannst, würde ich mich freuen.
Ich denke auch, dass der Schmerz irgendwann mal weniger wird, wann, weiss keiner.
Sie sagte selbst am Telefon, dass sie wieder rein in die Routine muss, also back to life.
Sie klingt sehr traurig am Hörer und das macht es mir auch so schwer, normal zu sprechen, denn bestimmt jedes Wort über ihren Sohn tut unheimlich weh.
Ich hab jetzt einen Brief geschrieben und werde ein kleines Geschenk für ihre Tochter mitschicken, die vor kurzem 3 Jahre alt wurde und sie auch noch da ist und sie der Sonnenschein in ihrer Familie ist.
Ja, bald müssen sie es ihr sagen, dass die andere Cousine schwanger ist, sie ist schon im 6. Monat und ich denke,sie weiss es evtl. schon, weil sie die Woche bei ihr war und man es kaum übersehen kann.
Sicher wird es erstmal sehr wehtun, aber wenn dieses Kind gesund zur Welt kommt, keimt auch die Hoffnung, dass ihr nä. Kind leben darf.
Ich bewundere Deine Kraft, aber natürlich musst Du lachen und weinen können, Deine Miriam ist ja da und sie verdient nicht nur eine weinende Mama.
Das Leben geht weiter, ich kenne einige Frauen, die ihr Baby verloren haben (3 persönlich sehr gut) und man sieht es ihnen nicht mehr an, dass sie solch Tragödie hinter sich haben, aber sie sprechen natürlich sehr traurig darüber und bedauern immer noch das Geschehene.
Vielen Dank Tanja, ich wünsche Dir alles Gute mit Deiner Miriam, gib ihr einen dicken Kuss von mir.
LG, Anita
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