Hallo an alle da draußen,
nie hätte ich gedacht, dass mir solch ein Schicksal wiederfährt und nun gehöre ich doch zum traurigen Kreis der verwaister Eltern.
Ich möchte meine Geschichte erzählen und hoffe, auf Gleichgesinnte zu stoße, die ein ähnliches Schicksal wie ich erleiden müssen.
Am 11.12.17 hielt ich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand, es sollte unser 2. Wunschkind werden. Mein Großer steht kurz vor seinem 3. Geburtstag und geht bald in den Kindergarten. Also der perfekte Augenbilick für Nachwuchs Nummer 2.
Ich war überglücklich!
Am 21.02.18 wurde bei mir das Ersttrimesterscreening in der 13. Ssw gemacht. (Ja, ich bin ein Kontrollmensch), hätte aber nicht im Leben mit einem auffälligem Ergebnis gerechnet. Die Erste Schwangerschaft war wie im Bilderbuch und so bin ich auch mit Naivität und völlig Sorgenfrei in die 2. gestartet.
Am 28.02.18 kam dann der Anruf meiner Ärztin.
Die Aussage " kommen Sie bitte umgehend in die Praxis, wir müssen uns über den Befund unterhaten", traf mich wie ein Schlag. Vor Ort gings dann ans Eingemachte. Verdacht auf Trisonomie 13 und 18! Ultraschall völlig unauffällig aber die Blutwerte katastrophal. Wahrscheinlichkeit auf Trisomie 1:50. Das einzigste was ich noch fühlte war ein brennen in der Brust und im Hals, sonst war ich wie ferngesteuert. Natürlich war mir der Begriff Trisonomie 21 geläufig aber dann hörte es auch schon auf. Trisomie 13, 18??? Nicht Lebensfähig??? Was erzählte die Frau mir da??? Die Ärztin riet mir dringend zu einer Fruchtwasseruntersuchung. Diese kann aber aller frühstens in 2 Wochen durchgeführt werden.
Das waren die schlimmsten 2 Wochen meines Lebens!
Nicht zu wissen, ob dein Kind gesund oder nicht lebensfähig ist, gezwungen eine unmenschliche Entscheidung zu treffen. Ich wusste nicht, ob ich noch auf ein gesundes Kind hoffen darf oder eher auf eine eindeutige Diagnose.
Am 09.03.18 war es dann soweit. Der Tag der Fruchtwasseruntersuchung und auch der 3. Geburtstag meines Erstgeborenen. Schicksal?
Der Arzt (wohl eine Koryphäe auf seinem Gebiet) machte vorher einen umfangreichen Ultraschal und meinte letztendlich es seien einige Softmarker und Auffälligkeiten zu erkennen. - Disproportionales Verhältnis von Kopf und Rumpf, Nackenödem, leichte Ventrikulomegalie, white spot im LV, Mittelphalanx Dig. V nicht nachweisbar und Fruchtwasser vermindert. Alles was ich auf der Leinwand sah, war ein hübsches Baby mit allem was dazu gehört.
Am Montag den 12.03.18 kam dann der Anruf der Humangenetik. "Es tut uns sehr leid, die Auswertung des Fish tests hat ergeben, dass ihr Kind Triploidie hat. Diagnose XXX69" Sehr selten, keine Überlebenschance für das Kind.
Da hatte ich meine eindeutige Diagnose. Warum nur ich? Ich habe immen auf meinen Körper und die Natur vertraut und jetzt das. Wenn es keine Überlebenschance gab, warum lebt dann mein Kind in meinem Bauch.
Seitdem reagierte ich wie eine Maschiene, als hätte ich alle Gefühle auf Eis gelegt. Und schon am 16.03.18 war ich im Krankenhaus um mein geliebtes Mädchen zu töten. Ich fühlte mich als ob ich wahnsinnig werden würde.
Dann kam die Ärztin rein, klärte mich auf und stellte das Behältniss mit 2 Tablette vor mir ab mit der Auskunft "ich kann jetzt mit der ersten Einnahme Beginnen". Das war der Augenblick, wo ich Panik bekam. Das ging mir doch zu schnell, ich hatte doch noch tausend Fragen aber kein Mensch der Welt kann mir Antworten geben. Kein Arzt spricht von 100% und Keiner kann mir sagen, ob das richtig ist was ich tue. Ich tat es... und alles was ich wieder spürte war dieses brennen in der Brust.
4 Stunden später die 2. Dosis, wieder 4 Stunden später die 3. Dosis. Ich hatte nicht wirklich Schmerzen obwohl ich mir welche gewünscht hätte. Kein Körperlicher Schmerz könnte mit dem Schmerz im Herzen mithalten. Plötzlich hatte ich ein heftiges Ziehen im Unterleib und die Fruchtblase platzte. Panisch drückte ich den Notfallknopf, woraufhin auch gleich eine Schwester reinkam. Sie versorgte mich kurz auf dem Bett und rief dann einen Arzt.
Was dann geschah werde ich im Detail nie vergessen.
Die Tür ging auf, es kam ein junger Assistensarzt rein, der mich keines Blickes würdigte. Er besprach sich mit der Schwester und wendete sich dann mit den Worten zu mir " ich werde jetzt ihren Muttermund untersuchen". Er griff in mich rein und nach einer gefühlten Ewigkeit fragte er mich, ob ich das Kind denn sehen möchte. Damit war ich völlig überfordert und sagte : Erst mal nicht. Und dann zog er mein Kind einfach aus mir herraus, ohne auch nur ein Wort oder ein Blick der Emphatie in meine Richtung. Das Kind übergab er dann der Schwester und meinte zu mir " ich bringe Sie jetzt in den OP zur Ausschabung".
Ich fühlte mich, als wäre ich in diesen Augenblick mitgestorben.
Als ich von der Narkose erwachte, wurde ich wieder in mein Zimmer gebracht und man meinte, es sei alles ohne Komlikationen gelaufen und wenn ich mich gut fühle kann ich am Folgetag nach Hause.
Das wars also... Und jetzt? Wie geht es weiter? Alle haben ihren Job gemacht und ich kann wieder nach Hause gehen? Kapitel abgeschlossen? Und immernoch keine Antworten. Alleine gelassen mit seinem Schicksal, mit der Entscheidung und mit der Frage.
Ich wurde dann von meinem lieben Mann und unserem kleinen Großen abgeholt. Sie geben mir so viel Kraft. Jedoch zerreißt es mich nach wie vor.
Es ist die Frage, die mich quält.
Habe ich das Richtige getan oder war es der größte Fehler meines Lebens?!
Eine Entscheidung, mit der ich jetzt leben muss...