Hey ihr Lieben...
ich bin Shirley, 28 Jahre alt und seit dem 23.03.2020 Mutter meines wunderschönen Sternenkindes Finneas. Ich weiß einfach nicht mehr, wohin mit mir, deshalb habe ich mich hier angemeldet. Seine Geschichte nieder zu schreiben soll helfen, habe ich gehört...vielleicht tut ja auch einfach nur der Austausch gut?
es wird wohl ein längerer Text. ich hoffe, das ist nicht schlimm...also hier ist unsere Geschichte:
Es war eine Bilderbuch- Schwangerschaft. Ich habe alle Untersuchungen mitgemacht, wollte immer ausschließen, dass dem Kleinen etwas passiert - sicher sein, dass er gesund ist. Jede einzelne dieser Untersuchungen hat mein Kleiner mit Bravur gemeistert. Immer war alles gut. 9 Monate lang.
Am 20.03.2020 war der Stichtag - jeden Moment könnte es losgehen! Wir freuten uns sehr auf unseren kleinen Finneas - alles und jeder war bereit für die Ankunft des neuen Erdenbürgers...aber nichts passierte. Ich hatte an diesem Tag eine reguläre Untersuchung bei meiner Frauenärztin - alles war top in Ordnung. "Wie immer..." , dachte ich und war stolz auf meinen Sohn. Der Muttermund wurde abgetastet, war aber noch nicht `reif`. Und so verstrich der Stichtag, es war ein Freitag. Der nächste Termin sollte direkt am Montag sein.
Montag: der Termin war um 10:10 Uhr. Der ganze Morgen lief total normal ab. Aufstehen, kurz abduschen, mit den Hunden raus, dann fertig machen. dann zur Ärztin. Auf dem Weg dorthin war der kleine wach. "untypische Zeit.", dachte ich, freute mich aber für ihn, dass er nicht mit der lauten Eieruhr geweckt werden muss. Darüber hinaus war ich voller freudiger Erwartungen und dachte, dass dann sicher die Wehen bald einsetzen. "Vielleicht ja sogar noch heute?!"...
Um kurz!!! nach 10 betrat ich dann die Praxis - Urinprobe, Blutdruck, CTG. Alles wurde unmittelbar nach betreten der Praxis gemacht - ohne Pausen zwischendurch. Das CTG zeichnete zwischenzeitig nicht auf, dann wieder doch, dann wieder nicht. Mein Freund kam um 10:25 Uhr in die Praxis (war vorher mit den Hunden Gassi) Er wollte zu mir ins Zimmer - zu der Zeit suchte die ältere Arzthelferin erneut Herztöne. Mein Freund wartete einige Minuten an der Rezeption, ehe er sich traute, zu uns zu kommen. Er wurde relativ forsch ins Wartezimmer geschickt - die Helferin war sichtlich angespannt.
ein paar Minuten später war das CTG fertig. ich ging ins Wartezimmer und dort saßen wir noch bis kurz vor 11...dann wurde ich aufgerufen, ging zur Ärztin rein, welche mir nur mitteilte, dass das CTG ganz schlecht aussieht, es wurde direkt ein Ultraschall gemacht. Die Herztöne sahen nicht gut aus. Direkt in die Klinik! Ich weinte hier schon bitterlich - die Frage, ob das Kind bleibende Schäden davontragen würde, wurde verneint. Wir fuhren direkt los, da war es kurz nach 11.
Um 11:20 Uhr sind wir auf das Klinikgelände gefahren, haben direkt dort geparkt, sind zum Kreißsaal gelaufen - haben den dämlichen Corona Fragebogen ausgefüllt, es wurde Fieber gemessen und ich direkt ins Behandlungszimmer geführt - wieder Ultraschall. Da standen schon sicher 8 Leute mit im Zimmer. Ich war nervlich bereits am Ende, hatte einen Puls von 150 und zitterte. Dann meinte die Oberärztin nur: "Ich sehe nichts - LOS LOS LOS!"
Es ging alles so schnell - ich wurde gepackt, in einen Rollstuhl gesetzt, in einen OP geschoben, dort zogen mich 3 Frauen zeitgleich aus und dann lag ich schon nackt auf der Liege. Von allen Seiten kamen Menschen und redeten mit mir, erinnern kann ich mich aber an kein Wort. Ich spürte noch, wie sie anfingen, das Jod auf meinem Bauch zu verstreichen und dann war ich auch schon weg. Um 11:43 Uhr kam mein kleiner Engel auf die Welt.
Als ich zu mir kam, standen Ärzte um mich herum, um mir zu eröffnen, dass mein kleiner Finneas bereits seit 20 Minuten reanimiert wird, es aber nicht gut aussieht. Aus den 20 wurden letzten Endes ganze 37 Minuten. Seine Pupillen seien lichtstarr und das Hirn durch den Sauerstoffmangel zu stark geschädigt...Ich war völlig fertig...bin es noch. Mein Freund wurde dann zu mir geführt und laut ihm habe ich mich unter Tränen die ganze Zeit nur entschuldigt...
Irgendwann wurden wir dann zu unserem Sohn ins Zimmer gebracht. Da lag er, frisch gewickelt...ein Schlauch führte in das eine (Beatmung), ein anderer (Magensonde) in das andere Nasenloch. Es konnte mir nicht schnell genug gehen bis sie den Kleinen endlich zu mir ins Bett legten - ich war immer noch voll in Trance von der Narkose und hatte tierische Schmerzen. Zeitgleich übermannten mich meine Muttergefühle - dieses Kind war einfach sooo, soo wunderschön - und ich durfte es 9 Monate lang in mir tragen. 9 Monate lang in mir spüren... Ich bin einfach so dankbar, dass ich dem Kleinen wenigstens 9 Monate lang ein gutes zu Hause sein durfte... :(
Wir mussten uns entscheiden, ob die lebenserhaltenden Maßnahmen abgestellt werden sollten. Mein Freund und ich tauschten nur ganz kurz Blicke aus und waren uns sicher : so ein Leben möchten wir nicht für unseren Sohn!
Die Schläuche wurden um 14:06 Uhr gezogen. Sein kleines, tapferes Herz schlug noch bis um 14:49 Uhr weiter...meine Hand lag die ganze Zeit auf seiner Brust. Ich spürte jeden Schlag.
Ich kann mich nicht mehr an jedes Detail erinnern, aber ich erinnere mich sehr genau daran, dass unser Schatz durch den Kreislaufschock eine Blutgerinnungsstörung entwickelt hatte. Er blutete aus der Nase und aus dem rechten Ohr - es war einfach nur grausam und ich war nur dabei, das Blut aus dem Gesicht meines Kindes zu wischen - über den Tod hinaus...währenddessen wollte ich seinen kleinen Körper einfach nur an meinen drücken, um ihn vor dem auskühlen zu bewahren. Erfolglos. :(
Mein Partner durfte trotz der Corona- Pandemie die Nacht mit im Krankenhaus verbringen. Uns jetzt zu trennen wollte uns keiner dort zumuten.
Es wurden noch Abdrücke von den kleinen Händen und Füßen unseres Sohnes gemacht, mein Freund badete ihn, wickelte ihn und zog ihn an. Am Abend kam noch eine Sternenkind - Fotografin und machte wunderschöne Fotos von unserem Schatz. Danach lag Finneas die ganze nacht zwischen uns. Ich habe in dieser Nacht kein Auge zugetan - zu kostbar war mir die Zeit mit ihm. Am nächsten Morgen mussten wir ihn dann abgeben. Das war der Moment, in dem ich verstanden habe, wieso Affen ihre verstorbenen Baby´s noch ewig mit sich rumtragen. :(
Die ganze Operation war ein Albtraum! Es besteht der Verdacht auf eine Ablösung der Plazenta. Mein Leben stand laut den Ärzten ebenso auf dem Spiel, mein Blut wollte ebenfalls nicht mehr gerinnen, aber mich konnten sie retten. "Warum mich?..." , denke ich immerzu, "und meinen Finneas nicht?..." Es ist einfach ungerecht. :(
Aufgrund der Sachlage wurde "Todesursache ungeklärt" angegeben. Es folgte jetzt eine Obduktion seines kleinen, zarten Körpers, welche ergab, dass er ein absolut gesundes, zeitgemäß entwickeltes Baby war. Es macht mich kaputt und ich verstehe die Welt nicht mehr...WAS ZUR HÖLLE ist da bitte passiert?! Ich begreife es nicht, ich komme gar nicht mehr klar. Ich bin einfach maßlos überfordert...
Man fragt sich die ganze Zeit, was man falsch gemacht hat, was man hätte besser machen können - ob man was übersehen hat? ...Ist man irgendwo gegen gestoßen? Zu schnell gedreht? Zu schnell aufgestanden? Waren seine Bewegungen auf dem Weg zur Frauenärztin schon ein Warnsignal? Nach 10 Minuten bleiben bei einem Baby ohne Sauerstoff Schäden im Hirn zurück. Sein Herz schlug noch während des CTG`s. auch im Ultraschall war erst noch was zu sehen. Von der Frauenärztin bis zur Klinik braucht man 15 Minuten. Hätten wir nicht diese halbe Stunde im Wartezimmer gesessen, wäre unser Kleiner dann jetzt am leben?
Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Fakt ist: ich war immer sehr übervorsichtig... dennoch sind es Fragen, die wohl niemals beantwortet werden... :(
Ich habe die Zeiten bewusst markiert, um die Abläufe genau darzustellen. Das Ding ist, dass es uns einfach immer wieder sauer aufstößt, dass wir so lange in der Frauenarztpraxis waren. Wenn das CTG doch so schlecht aussah, wieso wurde es dann nicht gleich der Frauenärztin vorgelegt...wieso mussten wir noch eine knappe halbe Stunde im Wartezimmer zubringen...ich meine, die Arzthelferin hat doch Erfahrung, die macht das schon jahrelang...hat sie das denn nicht gesehen? :(
Aber egal, wie man es dreht und wendet: Nichts und Niemand wird uns unseren kleinen Finneas zurückbringen. Jeden Morgen wacht man auf und sucht direkt sein Baby. Dann folgt die Erkenntnis, dann die Tränen. Jeden Morgen denkt man: "Toll. wieder ein besch******* Tag ohne dein Kind..."
Ich dachte immer: " Wenn der kleine Mann dann da ist, kann es mir sicher nicht schnell genug gehen, bis sich alles zurückgebildet hat. " Jetzt möchte ich nicht, dass der Bauch verschwindet, weil das alles so weit in die Ferne rückt. Zu heilen fühlt sich falsch an, weil Finneas das ja auch nicht darf... und die 368192 Narben, die mein Körper durch diese Schwangerschaft davontrug - wie oft habe ich die verflucht?! Jetzt bin ich einfach nur dankbar für jede einzelne von ihnen, weil sie ein Beweis dafür sind, dass Finneas wirklich da war...
ich würde alles dafür geben, wieder schwanger mit ihm zu sein, den dicken Bauch wieder zu haben, egal, wie beschwerlich das Ganze war. ich will ihn wieder in mir tragen dürfen - ihn spüren dürfen...Stattdessen weiß ich, dass ich ihn niemals stillen kann, niemals wickeln oder baden. ich werde niemals seine kleine Hand halten können, während er seine ersten Schritte macht. Er wird mich niemals "Mama" rufen und ich werde niemals erfahren, wie er mit offenen Augen ausgesehen hat - ich werde ihm nie ein Küsschen geben können und ihn niemals wiedersehen... :(
Ich gehe daran kaputt...wie habt ihr es geschafft, weiter zu machen?
Ich will einfach nur meinen Sohn zurück, dann ist alles gut! :(