Bei einer normale Vorsorgeuntersuchung in der 15.SSW haben wir gesehen, dass das Herzchen nicht mehr schlägt. Die Ärztin schreibt eine Einweisung ins Krankenhaus zur Ausschabung.
Wir fahren erstmal nach Hause und überlegen wie es weitergehen soll. Wir wollten gerne unser Krümelchen sehen um Abschied nehmen zu können. Bei einer Ausschabung ist das nicht möglich.
Es ist klar, ohne Krankenhaus gibt es nur die Option abzuwarten und das kann Wochen dauern. Wir sprechen auch darüber was uns wichtig ist. Soll das Krümelchen anschließend untersucht werden? Nein, es ist nicht wichtig zu wissen woran es gestorben ist.
Wir bitten meine Eltern zu kommen, damit sie auf unsere kleine Tochter aufpassen während wir im Krankenhaus sind.
Alle Sorgen sind unbegründet. Im Krankenhaus sind sie zunächst von einer Ausschabung ausgegangen, da die Ärztin dies so angekündigt hatte. Als wir nach Alternativen fragen, ist das aber kein Problem. Wir haben eine tolle Ärztin! Sehr verständnisvoll und pragmatisch. Wir können die Geburt durch Gel, Zäpfchen oder Tabletten einleiten und erst nach der Geburt die Ausschabung (falls erforderlich, was aber sehr wahrscheinlich ist) machen lassen.
Am nächsten Tag sind wir gegen 8:30 im Krankenhaus. Meine Eltern passen wieder auf unser kleines Töchterchen auf. Wir beziehen das Zimmer und gegen viertel nach neun wird das erste Zäpfchen gelegt. Nach einer Stunde ist das erste leichte, Ziehen zu spüren.
Die folgenden Stunden sind sehr unterschiedlich. Manchmal liege ich einfach im Bett, rede mit meinem Mann oder wir machen Spaziergänge auf dem Flur. Ab und zu Untersuchungen, ein neues Zäpfchen, später Tabletten. Ich bekomme einen Zugang gelegt (finde ich super unangenehm) aber gleichzeitig auch ein Schmerzmittel.
Am Nachmittag fangen die ersten zaghaften Wehen an - alle vier Minuten. Mein Mann hält meine Hand und ist einfach da. Wir gehen auf dem Flur spazieren, immer mal leichte Wehen, kaum eine Veränderung.
Am späten Nachmittag besprechen wir wie es weitergehen soll. Ich möchte dass mein Mann zu unserer Tochter fährt (sie ist gerade ein Jahr alt). Gleichzeitig habe ich Angst alleine zu sein. Was, wenn sich die Situation ändert? Was, wenn unser Krümelchen plötzliche da ist und ich ganz alleine mit ihm?
Wir bereden alle Eventualitäten und er fährt gegen 17:30. Ich telefoniere mit meiner Mutter. Sie wird bei uns übernachten und auch mindestens den nächsten Vormittag bei uns bleiben.
Ich hatte so gehofft, dass es schneller gehen würde. Andererseits, genau wie bei einer normalen Geburt, ist es auch gut wenn sich die Schmerzen in Grenzen halten und man nicht von den Ereignissen überrollt wird. Deshalb liege ich auch viel und versuche nicht um jeden Preis durch rumlaufen etwas in Gang zu bringen. (Fehlt ja eh der Druck auf den Muttermund.) Am frühen Abend geht es mir ziemlich gut, auch wenn sich immer noch nichts getan hat. Ich hatte überlegt es für diese Nacht ruhen zu lassen, wenn ich alleine hier bin, aber gerade bin ich so entspannt, dass ich es weiter probieren werde. Einfach ist es nicht und ich hab das Gefühl ganz schön tapfer sein zu müssen. Aber ich bin so froh so eine tolle Familie zu haben! Meine Mutter meinte am Telefon ich solle mir um zu Hause keine Gedanken machen, das würden sie schon hinbekommen! So liege ich auf dem Bett und wehe und blute vor mich hin.
Mein Mann fragt wie es mir geht. Ich habe eine erste längere Wehe und er fragt ob er kommen soll. Ich bin unsicher, denn es ist 20:30, ich habe gerade erst die nächsten Tabletten bekommen und angeblich brauchen die etwa zwei Stunden bis die Wirkung einsetzt. Aber es ist gut dass er kommt, denn zwischen 21:00 und 22:00 Uhr habe ich Wehen. Liege auf dem Bett, halte seine Hand und schnaufe vor mich hin.
Die Wehen sind an der Grenze, aber aushaltbar, ein schönes, intensives Geburtserlebnis. Während der Zeit war unser Kind auch bei uns, nicht körperlich, aber er war da und ich glaube er war froh über unsere Mühen ihn halbwegs unversehrt auf diese Welt zu holen.
Dann habe ich das Gefühl dass liegen nicht mehr das Richtige ist. Ich will aufstehen, aber mein Kreislauf ist nicht in Ordnung, ich habe Schmerzen. Irgendwie schaffe ich es auf die Toilette. Danach geht es mir wieder prima. Die Wehen sind plötzlich weg.
Vorsichtshalber lasse ich mir nochmal ein Schmerzmittel und anschließend eine Glucoselösung (über den Tropf) geben. Mir fallen immer mal wieder die Augen zu. Gegen 23:00 Uhr fährt mein Mann wieder nach Hause, ich schlafe.
Um kurz nach Mitternacht weckt mich der Arzt. Es ist Zeit für die nächsten Tabletten. Vorher möchte er mich untersuchen. Es kommt wieder viel Blut und bei der Untersuchung platzt die Fruchtblase. Ich habe den Eindruck das beide (Arzt und Schwester) der Meinung sind dass es jetzt nicht mehr lange dauern kann. Als sie weg sind, will ich versuchen zur Toilette zu gehen.
Ich halte vorsichtshalber etwas Toilettenpapier hin. Und tatsächlich, da flutscht etwas aus mir heraus. Ich humple zum Bett und rufe die Schwester. Versuche mich aufs Bett zu legen und wir warten auf den Arzt.
Die Schwester bettet das Kleine in eine Schale und bringt ihn mir. Wie bei einer richtigen Geburt wird das Baby zur Mutter ins Bett gebracht.
Ich frage die Schwester, ob sie sehen kann ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Sie meint, das könne man nur bei einer Untersuchung herausfinden. Wir schauen dennoch nach. Es ist tatsächlich ein Junge!
Auch wenn ich es mir im Nachhinein kaum vorstellen kann, aber der Abschied war schön! Ich war einfach nur erleichtert es überstanden zu haben und neugierig wie er aussieht. Habe ihn einfach nur angesehen, so schutzlos.
Als mein Mann kommt haben noch einige wenige Minuten gemeinsam mit unserem Krümelchen.
Anschließend muss ich sofort in den OP zur Ausschabung. Hinterher war ich nur noch froh es endlich geschafft zu haben, hab geweint vor Glück.
Es ist nicht einfach wieder in den Alltag zu finden. Zum Glück hat mein Mann noch ein wenig Elternzeit. Wir sind froh und dankbar, dass wir diesen Weg gehen konnten und uns von unserem kleinen Krümelchen in Ruhe verabschieden konnten.