Hallo liebes Forum,
ich bin Chris, 36 Jahre alt und hatte am 11.08. eine Totgeburt...
Vorangehend muss ich sagen, dass ich nie dachte, dass mich etwas so mitnehmen könnte aber gleichzeitig die absurde Realität einfach weitergeht.
Meine Partnerin und ich erwarteten ein Kind - ein Mädchen. Das ist in meiner Familie etwas seltenes und ich habe nach der Geschlechtsbestimmung zum ersten mal das Gefühl, dass ein ganz sehnlicher Wunsch in Erfüllung geht. Wow, ein Mädchen :) Wie wird sie aussehen, was werden ihre Charakterzüge sein, worin wird sie gut sein, worin schlecht? Was würden ihre Interessen sein und wie würde sie sich entwickeln? Unsere kleine Prinzessin..
In der 24. Schwangerschaftswoche meiner Partnerin kam dann das vernichtende Urteil - Irgendetwas stimmt mit der Hirnentwicklung nicht.
Zu der Zeit hatte ich gerade einen Jobwechsel hinter mir und erzählte es einer langjährigen Bekannten aus meiner alten Firma zuerst. Alles. Nach diversen Untersuchungen (Frauenarzt, Fruchtwasseruntersuchung, MRT) war klar dass die kleine Emilia kaum Chancen auf ein Überleben haben wird. Zu diffus die Bewegungen im Mutterleib, das Gehirn war nicht geteilt sondern "verwachsen", mit der Großhirnrinde stimmte auch was nicht...
Wir entschieden uns für einen Abbruch der Schwangerschaft in der 30. Woche mit allem drum und dran. Ethikkommission, Beratung, etc.
2 Tage nach dem Tod unserer kleinen kamen dann auch endlich die eingeleiteten Wehen. Nach mehreren Tage Krankenhausaufenthalt mit unserer kleinen Milly mussten wir uns dann um die Beerdigung kümmern. Mit allem was dazugehört - Urne, Friedhof, Bestattungsart.
In dieser Zeit war ich von der neuen Arbeit freigestellt und bin nach ca. 8 Werktagen wieder arbeiten gegangen, weil gerade eine wichtige Projektphase anstand.
Meine Kollegen (rechtzeitig informiert über alle Umstände) haben mich seitdem nie darauf angesprochen, mit mir darüber geredet oder sonstwas. Die Arbeit ging einfach weiter als wäre nie was gewesen.
Anfangs schien es mir so recht, fand es aber immer komisch. Als hätte Milly nie existiert in meinem "Arbeits-Ich". Da zur gleichen Zeit mein Chef ebenfalls mit seiner Partnerin schwanger war, entschieden sich alle Kollegen in meiner Abteilung Babygeschenke zu machen und eine Karte zu schreiben. Ich habe nie so etwas erhalten. Nicht einmal annähernd.
Ich habe damit ein sehr großes Problem, denn mir kommt es so vor, als wäre mein Verlust sehr schön unter den Teppich gekehrt worden. Nie beachtet worden. Ich spüre Groll in mir aufsteigen. Warum ein Neugeborenes im engsten Arbeitskreis mehr Anerkennung und Preisung verdient als meine kleine kranke Milly... Was soll das?
Ich hoffe, mir hier den ein oder anderen Gedankengang von Menschen mitnehmen zu können um das ganze besser einzusortieren. Momentan sind meine Kollegen für mich heuchlerisch und falsch obwohl ich mich allgemein wohlfühle. Warum sollte eine problemlose Geburt Anerkennung verdienen, wenn ich gezwungen war, meine Tochter zu töten? Mit gezwungen meine ich, dass sie diagnostisch einfach keine große Überlebenschance hatte und jeden Moment in Krampfanfällen im Kindbett versterben hätte können.
Ich empfinde das als große Ungleichheit und ich beziehe das momentan auf die ganze neue Firma. Ich überlege ernsthaft, mir was neues zu suchen. Nach meiner Auffassung ist die Arbeitskultur damit nicht sehr weit her...
Nun fühle ich mich mit einem gewissen Groll gezwungen, die Karte für meinen Chef zu unterschreiben, damit es nicht aussieht, als missgönne ich ihm sein gesundes Kind... Soll ich es ansprechen oder nicht?
Ich hoffe auch Beiträge und danke euch vorab :)