Aus Thusnelda wird eine Tussi
Die gedankliche Trennung von Name und Person ist alles andere als einfach. Schon bei den frühen Völkern bildeten sie eine Einheit. Oft entsprach der Name einem Segenswunsch: Im alten Griechenland nannten Eltern, die sich von ihrer Tochter zum Beispiel wünschten, sie möge "fleissig wie eine Biene" werden, das Mädchen "Melissa". Nannten sie ihren Sohn "Alopex", so war schon dem Wortsinn her nach klar: Dieser Junge wird sich in seinem Leben "listig wie ein Fuchs" verhalten.
Heute verweisen Kindernamen statt auf Bienen oder Füchse gerne auf als bedeutend eingeschätzte Personen der Zeitgeschichte. Die sind als Namenspaten freilich nicht unbedingt eine sichere Bank, wie das Beispiel "Thusnelda" zeigt: War der Name noch im 19. Jahrhundert eher positiv besetzt - man dachte an die Frau des Cheruskerfürsten Arminius, Sieger der Schlacht im Teutoburger Wald, so muss man davon ausgehen, dass es eine Thusnelda Maier in der Grundschule heute noch schwerer haben dürfte, als jeder Kevin Schmidt. Schuld daran ist wohl Heinrich von Kleist, mit dessen "Hermannsschlacht" sich viele Schülergenerationen bis zur völligen Erschöpfung auseinandersetzen mussten, worauf sie Thusnelda zur Tussi werden ließen.
Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft jedenfalls gibt man mit Blick auf die Oldenburger Studie zu bedenken, dass doch gerade Grundschulkinder mit besonders unzeitgemäßen Namen von einer weitaus besseren Förderung profitieren könnten - aus Mitleid der Lehrer sozusagen. Das wiederum würde alle Alexanders, Hannahs und Maries schwer vor den Kopf stoßen.
So oder so: Den Erstellern der Studie, das haben wir schon verstanden, geht es generell um die Bevor- oder Benachteiligung von Kindern aufgrund persönlicher Vorlieben oder Abneigungen ihrer Pädagogen - der Name ist da nur ein Beispiel. Ein wichtiges Anliegen! Denn tatsächlich sollten doch alle Kinder die gleichen Chancen besitzen, egal ob sie - um mit den Protagonisten aus dem "kleinen Nick" zu sprechen - Fettfinger haben wie Otto, einen reichen Vater wie Georg oder eine Brille wie Adalbert.
Würde dieser Idealzustand tatsächlich einmal eintreten, Kinder, das wäre ja eine Überraschung!
lg nati