Hallo ihr Lieben,
hinter mir liegen so an die knapp 25 Jahre voller fragen. Vor fast 25 Jahren, ist meine Mutter mit einem anderen Mann durchgebracht und mein Bruder und ich durften während dessen bei unseren Großeltern, Eltern meines Vaters, Urlaub machen.
Es folgten viele Jahre in denen es erbitterten Streit gab. Da mein Vater einmaln wegen Republikflucht (DDR) im Gefängnis saß, hat mein damaliger Stiefvater, war eine große Nummer im Bergbau, erwirkt, dass mein Vater ein Besuchsverbot bekam.
All die Jahre habe ich immer an meinem Papa festgehalten und war rebellisch, die undankbare Tochter. Unser Stiefvater hat meinem Bruder und mir und auch unserer Mutter sehr viel Leid angetan. Letztere war nur blind vor Liebe und hat den Absprung erst geschafft, als wir großen Kiner ausgezogen waren.
Über all die Jahre habe ich per Brief mit den Eltern meines Vaters heimlich Kontakt gehalten. 2002 habe ich dann all meinen Mut zusammen genommen und meinem Vater geschrieben. Seither haben wir telefonischen Kontakt. Als Talissa damals geboren werden mußte, hat er mich täglich angerufen, sonst so alle 3-4 Wochen.
Meinem Vater wurde damals das Herz gebrochen. Er hat von allem nicht geahnt, auf einmal wurde ihm alles genommen. Nach einigen Jahren hat er wieder eine Frau kennengelernt, geheiratet und sie bekamen 1991 eine Tochter, meine Schwester. Die neue Frau meines Vaters hat den ganzen Schmerz aufgefangen, den er in sich trug, weil er uns Kinder nicht sehen durfte. Seit dem wir wieder Kontakt haben, hat sie auch davon mitbekommen, aber ihr eigener Schmerz war so groß, dass mein Vater sich nicht traute, uns zu besuchen. Er hatte Angst, seine Familie zu verlieren. Und ich konnte das verstehen.
Dieses Jahr dann sagte er: Nicole, dieses Jahr sage ich es ihr. Er meinte meine Schwester. Im September wurde sie dann 18 Jahre alt und er gestand ihr, dass er noch zwei Kinder hat. Sie wollte am liebsten sofort herfahren, war überhaupt nicht böse. Nun vor wenigen Tagen rief er an und sagte, dass sie wieder gefragt hat. Nun ist er sicher, sie möchte uns wirklich kennenlernen. Also wird es 2010 ein Wiedersehen geben, nach 25 Jahren.
Amelie und Talissa wissen nicht, dass ihr Opa den sie kennen, nicht ihr richtiger Opa ist, aber ich hoffe, sie können das verzeihen.
Meine Mutter wird wahrscheinlich kein Wort mehr mit mir reden, wenn sie davon erfährt. Sie hat heute noch so einen Hass auf meinen Vater, weil er sich damals geweigert hat, Unterhalt zu zahlen. Aber auch das verstehe ich, aus seiner Sicht und für mich hat das keine Bedeutung. Denn meine Mutter hatte geldlich gesehen alles und konnte sich alles leisten.
Der große Wehrmutstropen ist, dass mein Bruder (2,5 Jahre jünger als ich) unseren Vater nicht sehen will. Er ist so verbohrt und bockig. Er meint, unser Vater hätte sich melden können, als er 18 geworden ist. Das er das nicht getan hat, sei ein Zeichen dafür, dass er ihn nie geliebt hat. Mir tut das so in der Seele weh, da ich weiß, dass es nicht stimmt. Ich habe meinen Vater gesehen, wie er am Schultor stand und uns beobachtet hat, als wir aus der Schule kamen. Aber ich wußte auch, ich kann nicht hingehen, denn an der anderen Straßenseite stand der Stiefvater und wäre ich gegangen, wäre ich heute nicht mehr.
Ich kann mich noch sehr gut an meinen Vater erinnern und es sind nur positive Erinnerungen. Mein Bruder war so klein, gerade 4, als das alles passiert ist. Seine Schwester möchte er sehen, seinen Vater nicht. Er war sein Leben lang so beeinflusst von unserer Mutter und das hat sich so in ihn gebrannt. Mich macht das richtig traurig. Wenn er wüßte, was damals alles passiert ist. Und er hat selbst soviel Leid miterlebt und weiß, wie furchtbar unser Steifvater war. Trotzdem ist er fest der Meinung, mein Vater hätte als er 18 war, reagieren können. Mein Vater hatte ein gebrochenes Herz und ich weiß auch, dass er große Angst hat, uns zu sehen. Alles kommt irgendwie wieder hoch und ich mag gar nicht daran denken, wie es mir gehen würde, wenn mir jemand die Kinder wegnehmen würde.
Mein langer Wunsch, seit 25 Jahren, wird also in 2010 in Erfüllung gehen. Ich nehme dafür in Kauf, das meine Mutter kein Wort mehr mit mir reden wird, aber das hat sie ja auch 9 Monate lang nicht mehr getan, als sie erfuhr, dass ich es gewagt habe, ein 2. Mal schwanger zu werden. Von daher.
Viele Grüße,
Nicki