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Da isse wieder...

Ihr Lieben,
Nachdem Anke und Claudia nun schon die "Großfahndung" nach mir eingeläutet habe ;-) (das hat mich sehr berührt - lieben Dank für das äußerst nette Telefonat und die liebe Mail), muss ich mich aufrichtig entschuldigen, mich solange nicht gemeldet zu haben.
Zuerst war ich einfach noch fest im Griff unseres (wunderbar erfolgreichen) Tanzfestivals, dann kamen Wim Wenders und die ganzen rote-Teppich-Fetischisten - eine Zeit, während der ich aber das mitlesen natürlich nicht lassen konnte, und dann, ja dann brach vor zehn Tagen Jeans Asienarbeitszeit an. Bis Sonntag zeigte die Kompanie in Hongkong "Nelken", gestern kehrte sie dann zurück. Und mein Liebster hatte am Freitag, wenige Stunden vor dem ersten Beben sein Ticket nach Tokyo gekauft. Bis Mitte Mai war sollte Tokyo Arbeitsplatz sein - Naël und ich haben Tickets für den 4. April (bis Anfang Mai).
Nach dem Beben galten unsere ersten Sorgen natürlich unseren Freunden. Da sie in Tokyo leben, waren sie doch recht sicher aufgehoben und blieben unverletzt. Auf dem Gebiet der architektonischen Erdbebenprävention sind sie wirklich spitze, das muss man den kleinen Japanern lassen...
Einmal durchschüttelt, machten sie sich so gut wie möglich wieder ans Tageswerk. Auch der Kontrabassist, mit dem Jean für die nächsten Wochen einige Vorstellungen geplant hat, spielte am Samstag Abend - allerdings kamen dann doch kaum Zuschauer -trotz des unendlichen Langmuts der Asiaten. In den Mails an Jean von den Organisatoren und Freunden war nur von der Sorge um den Flughafenbetrieb die Rede, kein Zweifel an der Sinnhaftigkeit seines Kommens.
Am Samstag dann erste ernstere Bilder von Fukushima.....erste ernste Sorge, und der Gedanke, den Flug von Hongkong nach Tokyo um einige Tage zu veschieben. Ich schon langsam Panik, wie ihr euch denken könnt. Ständige Anrufe von Freunden: Wo ist Jean? DU willst doch wohl nicht fliegen? Am Sonntag Abend dann endlich der weise Entschluss, heim zu kommen. Aber wie? Die Kompanie flog um 23:50 h ab Honkong, die Zimmer mussten - wie überall - mittags geräumt werden. Ich war mir nicht sicher, ob er sich nicht von einem befreundeten japanischen Philosophen, der denselben Tokyo-Flug gebucht hatte, umstimmen lassen würden.... Anrufe vom Büro der Kompanie, niemand fand Jean, ob sie für Mittwoch einen Flug reservieren sollten? Args! Mittwoch erst? Da wäre die Wolke schon auf dem Weg in Richtung Süd-West, Hongkong via Tokyo. Angst. Anruf von Anke (sehr schön!), Sorge, Abwarten. Weitere Anrufe des Büros in Abwesenheit, Rückruf und die frohe Kunde: Mit viel Glück und V.I.P.-Spucke hat der Liebste es dann geschafft, einen Platz zusammen mit der Kompanie in dem eigentlich vollen Flieger zu ergattern.
Erleichterung...
Heute (ach, nee gestern ;-), ist ja schon wieder spät...) Morgen klingelte er dann pünktlich zum Frühstück an der Tür.
Und bis er die deutschen Nachrichten sah, hatte Naëls Papa tatsächlich vor, etwas später, nämlich Anfang April nach Tokyo zu fliegen....
So, jetzt kann ich auch schreiben, auch wenn im Hintergrund natürlich die neuesten Nachrichten aus dem Land der aufgehenden Sonne laufen.
Ich habe die vergangenen Tage viele Mails mit der Einladung nach Wuppy zukommen versendet. Ich hoffe wirklich, dass es einige schaffen, von der Insel zu flüchten. Keine Ahnung, ob und wie viel wir dann beherbergen können - irgendwie wird es schon hinhauen. Aber es wird ohnehin niemand kommen, fürchte ich. Die Japaner fühlen sich wie Verräter, wenn sie ihre Heimat in einem Augenblick verlassen, in dem viele ihrer Landsleute so leiden müssen. Eltern einer japanischen Bekannten wollen nicht ausreisen, weil sie ohnehin schon so alt (75) seien und es doch niemandem helfen würde... das ist ganz schlimm für unsere Bekannte, wie man sich denken kann.
Konkrete Hilfe, die man beispielsweise nun leisten kann:
Sollte man dort Menschen kennen: Einladen, nicht ablassen, die Gefahren im schlimmsten Licht darzustellen. Aufklären - Japaner wachsen damit auf, Atomkraft unkritisch zu betrachten. Links mit internationalen Nachrichten versenden (z.B.BBC). Also kurz: Panik machen - kein Witz, die brauchen das.
Flüge reservieren, Beziehungen spielen lassen (falls vorhanden), um an Benzin oder Transportmittel zu kommen.
Sollte man dort niemanden kennen: Geld spenden. Hört sich doof an, ist es aber nicht.
Muss jetzt aufhören, vielleicht schicke ich später noch ein Faschingsbildchen (ist mir aber gerade nicht wirklich nach...)
Ganz viele liebe Grüße
Anja
die nun erst einmal ihr persönliches Familienglück feiert (Was haben wir doch Schwein gehabt! Ein paar Tage später...) und euch für eure lieben Gedanken dankt.
Bisherige Antworten

Da isse wieder...

Liebe Anja,
wie schön, daß Du Dich meldest.
Ich bin so erleichtert, Jean wohlbehalten zuhause bei Euch zu wissen!
Aber die Sorgen um Eure (und auch um unsere) japanischen Freunde bleiben...
.
Es war mir übrigens ebenfalls eine große Freude (auch wenn der Anlaß ein sehr sorgenvoller war), mit Dir zu telefonieren - das wiederholen wir mal mit sonnigeren Themen!
.
Ganz liebe Grüße
Anke

Da isse wieder...

Es ist sehr schön von dir zu lesen. Zum Glück ist bei euch alles gut gegangen.

LG

Stefie

Da isse wieder...

Liebe Anja,
Du kennst mich: Ich bin ein eher gelassener Mensch. Aber hier sitze ich nun und habe die Tränen in den Augen. Tränen, weil Ihr alle wohlbehalten hier seid und alles für Euch zunächst gut ausgegangen ist. Aber auch Tränen, weil ich es schrecklich finde, dass die Japaner so vornehm und so zurückhaltend sind, dass sie nicht um Hilfe bitten, oder erst, wenn es schon viel zu spät ist. Dass sie so gar niemandem zur Last fallen möchten, auch wenn sie das doch gar nicht täten! Das ist so liebenswert, aber auch so erschütternd in einem solchen Moment, in dem man immer denkt, es könne nicht schlimmer kommen - und dann tut es das doch.
Ich warte zur Stunde sehnsüchtig auch Antwort einer Mit-Doktorandin, die Japanerin ist. Niemand weiß etwas. Ich hoffe, mein Doktorpapa hat es geschafft, mit ihr in Kontakt zu treten.
Aber jetzt wieder zurück zu dem Pipi in den Augen vor Freude: IHR SEID ALLE WOHLAUF!!! Juhuuuuu!
Ganz liebe Grüße
Lena

Da isse wieder...

liebe anja,

schön, dass du dich meldest. und noch viel viel toller, dass es euch drein gut geht. ich hoffe auch sehr, dass sich noch ganz viele deiner/eurer bekannten überreden lassen, für eine weile nach deutschland zu kommen... siehe posting tiefer meine gedanken und konkreten pläne dazu.

jetzt habt ihr also euer programm der letzten wochen erfolgreich absolviert und seid wieder vereint. sind wir nicht privilegiert? so fühle ich mich jedenfalls dieser tage. gestern nachmittag bei 20 grad, sonnenschein und klarer luft (sofern in köln möglich, aber zumindest radioaktivitätsfrei) mit feechen spazieren gegangen, unser erstes eis und die sonne lachend genossen...

lg alice

Da isse wieder...

Liebe Anja,
schön zu lesen, das ihr alle wohlbehalten in D seid. Da habt ihr wirklich eine Achterbahn der Gefühle durch.
Wenn ich deine Zeilen lese, wird mir noch einmal bewusst, das ich tatsächlich keinen einzigen Japaner kenne. Beim Studium hatten wir zwar alle möglichen Nationalitäten, aber keine Japaner.
LG
Yvonne

Da isse wieder...

Liebe Anja,

uff, da habt Ihr Glück gehabt - ich freue mich mit Euch, dass Ihr wieder vereint seid.

Danke für Deinen ausführlichen Bericht. Es ist alles so schrecklich und wenn man sich dann noch die doch ganz andere Mentalität der Japaner ansieht... Für mich unvorstellbar wie man in so einer Situation sich als Verräter fühlen kann, wenn man das Land verlässt. Ich hoffe sehr, dass sich doch der ein oder andere Eurer Freunde es überlegt und eine Weile nach Deutschland kommt um die Gesundeitsrisiken zu minimieren.

Halt uns bitte auf dem Laufenden -

Liebe Grüße,

Claudia

Da isse wieder...

Hallo Anja,
auch ich freu mich zu hören, dass ihr alle gesund in Deutschland zurück seit... Und hoffe, dass ihr nicht so schnell vorhabt, dorthin zurückzugehen.
Die Nachrichten verfolge auch ich mit Entsetzen, darüber, wie viel Pech ein Land haben kann, ein Erdbeben, ein Zunami und ein Supergau sind schon entsetzlich, aber alles direkt nach einander, ist extrem heftig... Das Ende nicht absehbar, und auch die Folgen nicht... Da bekommt man Angst und Bange... "Schlimm" fand ich auch die Nachricht, das die Japaner darum bitten, die Hilfen einzustellen, da sie sie nicht an den benötigen Stellen bringen können... Weiß jetzt nicht, ob ich mich da verhört hatte, aber nach Deinem Beitrag könnt das durchaus zur Metalität passen, hm?
Ich wünsch Dir, dass Du ein paar Deiner Freunde überreden kannst, das Land zu verlassen und das sich alles irgendwie zum Guten wendet!
LG Bianca

Da isse wieder...

Hallo Anja,

will gar nicht viele Worte machen, außer, dass ich mich freue, dass du und deine Lieben (wieder) in Deutschland sind - danke für das ausführliche Posting, das hilft die japanische Mentalität besser zu verstehen und, das auch hilfreiche Tipps gab.... die Frau meines Mannes Arbeitskollegen ist Japanerin und derzeit mit ihren beiden (noch recht kleinen) Töchtern im Süden Japans.....

Ganz liebe Herzensgrüße

Eva

Da isse wieder...

Liebe Nukule,
auch wenn ich noch bei Euch bin - mich hat dein Posting sehr berührt!
Danke, dass Du uns so ausführlich geschrieben hast, wie es in Japan aussieht! Und - Gott sei Dank - geht es Euch gut!
LG, Lilli
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