liebe anke,
nochmals danke für deine tollen bücher...das erste ist nun zu ende gelesen, es war mir ein bedürfnis, auch wenn selbst dafür eigentlich keine zeit bleibt.
in unnütz toller wut, ein literarischer krimi soll es sein, literarisch JA, krimi NEIN.
der inhalt/klappentext, copy & paste bei bücher.de:
Tagsüber ist der kleine südholländische Ort Monward wie ausgestorben. Eine klare Frühlingsbrise kräuselt die Oberfläche des nahen Sees, als Lotte Weeda zum ersten Mal dort erscheint. Sie ist attraktiv und selbstbewußt. Und sie möchte die zweihundert markantesten Gesichter der kleinen katholischen Gemeinde photographieren; schon im Herbst soll ein Buch mit den Aufnahmen verlegt werden. Nicht alle sind begeistert von ihrem Plan, allen voran Taeke Gras, der sein Gesicht keinesfalls mit einem Stück Papier teilen möchte. Am Ende willigt er ein, wie auch Abel, der Graf. Doch ihn wirft Lottes Besuch aus der Bahn, denn plötzlich und unerklärlich bildet er sich ein, seine Kinder seien nicht von ihm, sondern von den wechselnden Liebhabern seiner jüngeren,reizenden Frau Noor. Immer groteskere Formen nimmt sein Wahn an - bis Abel eines Tages stirbt. Und er ist nicht der einzige: Ein Porträtierter nach dem anderen kommt zu Tode ...und auch der wahn der bewohner, besonders der portraitierten, treibt immer neue blüten...das ganze ruhig und erzähltechnisch großartig aus sicht des ich-erzählers berichtet, ein auf die 60 zugehender geschiedener biologe, von der universität wegrationalisiert, mit seinem hund anders in den kleinen gässchen mit bizarren namen unterwegs, hager und in zarten verstrickungen mit einer reihe von frauen des kleinen dorfes...während er doch über das unnütze der sexualität ein buch verfasst hat...
diverse todesfälle, in verbindung gebracht mit dem buch der fotographin lotte, lösen unruhe aus, beschreiben gedanken, ängste, vorstellungen, resignation oder eben unnütz tolle wut, führen beim leser ebenfalls zu einer auseinandersetzung mit dem tod. bedenkt man die vita des autors, dessen vater ein totengräber war, der auf dem friedhof seine lebensaufgabe fand, so ergibt sich der logische schluss, dann auch ein buch über den tod und das leben zu präsentieren...
"Warum ist es", sagte ich zu Anders..., "bloß so ein unerträglicher Gedanke, daß man sterben wird? Was ist daran so schlimm? Alles wird, wie es schon einmal war; der schlanke Leib eine Handvoll Gras, so wie es war, bevor man geboren wurde. Die Äonen währende Finsternis vor der Geburt, die raubt einem doch auch nicht den Schlaf? Dann braucht man sich doch keine Sorgen wegen der ewigen Finsternis nach dem Tod zu machen. Aber irgendwann nach seinem vierzigsten Geburtstag wechselt man von der sonnigen Seite der Straße hinüber auf den Bürgersteig, der im Schatten liegt. Und der Schatten, der nun auf alles fällt, ist das Bewusstsein: Ich habe schon länger gelebt, als ich noch leben werde. Und nichts, was man noch erlebt, hat noch den bezaubernden Glanz der frühen Jahre."
... eine der stellen des buches, eine von vielen, die mich sehr ansprachen...
mitten in die lektüre dieses buches hinein habe ich erfahren, dass ein freund von mir gestorben war, kai, vielleicht erinnert ihr noch... auch wenn schon lange kein paar mehr, so blieben wir doch eng verbunden und fühlten uns nah, sein weiches und musisches wesen sowie seine schier bedingungslose zuneigung machten ihn zu einem besonderen freund und sein tod traf mich hart. mein buch las ich, als ich wieder las, unter einem neuen blickwinkel...denn nun war ich sehr emotional mitten in der auseinandersetzung mit tod, vergehen, verlust, der sinnfrage zu allem, der unfassbaren endgültigkeit, den gedanken über das leben, das kai nicht sorgsam bewahrte, sondern bewusst oder unbewusst seit jahrzehnten auf einen tod zusteuerte, der für ihn sicherlich erlösung der schwer zu tragenden pflicht des lebens bedeutete. er hat sich nicht direkt das leben genommen, aber mit seiner passivität und dem sich-dem-leben-und-der-freude-entziehen auf seinen frühen tod hingewirkt, eine trombose, bedingt durch ständiges liegen (dieses mal wegen diagnostizierter nierensteine) und eine embolie haben beendet, was nicht passte: dieser empfindsame, empathische, feinsinnige und musische mensch war für dieses reale leben mit seinen härten nicht geschaffen, den anforderungen, die ein ganz normaler alltag an ihn stellte, nicht gewachsen. wenn sich zwischenzeitlich wut in meine trauer schleicht, weil er nicht gekämpft und sich einfach davon gestohlen hat, dann lassen mich diese eben beschriebenen gedanken wieder nur noch traurig sein...
noch ein textstück aus dem buch zum schluss: "Die Buchmenschen, die noch lebten, konnten durchaus Bachs Kantate Nr. 8 anstimmen: Liebster Gott, wann werde ich sterben?
Bach, mit neun Waise, Witwer mit fünfunddreizig, zwei Jahre später letzter Überlebender einer vielköpfigen Familie, Vater von zwanzig Kindern, von denen zwölf zu seinen Lebzeiten starben...all den anderen, für die er Trauerkantaten schrieb, deren absoluter Höhepunkt die Trauerode ist. Anmutigere Musik als Lieber Gott, wann werd ich sterben? ist kaum denkbar. `Gewebt aus Frühlingsluft und Blumenduft´ hat ein Musikwissenschaftler gedichtet. Von einem erfahrenen Fachmann wie Bach kann man auch lernen, mit welcher Hoffnung man dem eigenen Begräbnis entgegensehen sollte. Im Eröffnungschor der Kantate Nr. 8 lässt er die Totenglocke läuten, als wäre sie eine jubelnde Gartengrasmücke, welche die Morgendämmerung verschönert."
nach den worten des maarten ´t hart ein wortloses danke nochmals an dich, liebe anke, das buch kam zur rechten zeit...
glg alice