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@Muenstermonster

Liebe Lena,

sehe gerade in der Tagesschau, dass es heute schon 1 jahr her ist, dass das Archiv eingestürzt ist - wahnsinn, wie die zeit vergeht.

Wie ist das jetzt eigentlich mit Deiner Diss.? Oder war es auch eine Arbeitsstelle, die Dich mit dem Archiv verband?

LG, Claudia, die gerade intensiv an Dich denken muss

Bisherige Antworten

An Lena hab ich heute auch gedacht,...

...als ich gelesen habe, daß es vor einem Jahr passiert ist.
Genau, Lena, erzähl mal, wie es weitergehen wird!
LG
Anke

...und vor allem die Machenschaften dahinter. Echt schlimm.

Archivbenutzer und ähnliche dunkle Gestalten

Hallo Ihr Lieben,
ja, nun ist es ein Jahr her. Mir kommt das schon so viel länger vor, weil in der Zwischenzeit so viel passiert ist.
Erstmal zu meiner eigenen Geschichte:
Mein Vater war es, der mir den Vorschlag machte, doch mal ein Praktikum im Kölner Stadtarchiv zu machen. Das tat ich, und dabei lernte ich eine der größten Bereicherungen in meinem Leben kennen. Jemanden, ohne den ich mein Studium wahrscheinlich nie beendet hätte, jemanden, dem ich wissenschaftlich fast alles und auch persönlich sehr viel verdanke. Meinen Doktorvater. Er war damals Leiter des Archivs, und gemeinsam machten wir uns über rund 350 Urkunden des Kölner Domstifts her, und in diesen vier Wochen Praktikum lernte ich vor allem eines: Dass ich mich genau für den richtigen Studiengang entschieden hatte. Dass es genau das war, was ich wollte. Schon allein deshalb verbindet mich mit diesem Haus, das da einmal stand, unglaublich viel.
Später habe ich einige Arbeiten im Archiv für die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde gemacht. Und in diesem Zuge war ich etwa ein Jahr lang jede Woche im Archiv. Und die Art, wie ich dort aufgenommen wurde, war einzigartig und klasse. Noch später habe ich kurz für die Firma gearbeitet, die die Software für das Archiv hergestellt hat.
Die enge Beziehung zum Archiv zieht sich durch mein ganzes Berufsleben. Und nicht zuletzt lagen eben auch einige Urkunden dort, die mit meiner Dissertation zusammenhängen.
So, und nun zum heutigen Stand:
Ich habe sehr lange nicht mehr mitgeholfen bei der Bergung. Meine Zeit ist begrenzt, und ich bin meinem Doktorvater einfach schuldig, mich mehr um meine Diss zu kümmern. Kölner Aspekte fliegen aus derselben im Übrigen nun einfach raus. Sie wären nett gewesen, aber es geht auch gut ohne sie.
Inzwischen sind etwa 85% des Archivguts in sehr unterschiedlichem Erhaltungszustand geborgen. Allerdings sind diese Dinge weit entfernt von benutzertauglich. Momentan wird gefriergetrocknet und restauriert und digital erfasst. Wenn jemand mag, kann man übrigens Patenschaften für die Restaurierung einzelner Archivalien übernehmen. In Berlin läuft jetzt eine Ausstellung im Gropiusbau über die geschundenen Archivalien. Ich versuche noch, möglich zu machen, dass ich dort hin fahre, aber ob und wann, weiß ich noch nicht genau.
Ein neuer Standort für das Archiv ist schon beschlossen, soweit ich weiß. Aber bis dort fleißige Historiker den Lesesaal bevölkern, werden einige Jahre ins Land gehen, denn ein Archiv baut man nicht mal eben in einer Saison, und bevor dort ein Magazin befüllt werden kann, dauert es noch länger, denn um für Archivalien nutzbar zu sein, muss ein Gebäude geraume Zeit (ich glaube zwei Jahre) durchtrocknen.
Was die bauliche Situation in Köln angeht, kann ich nur jeden Tag staunen über die Dinge, die jetzt alle ans Tageslicht kommen. Vielleicht sollten wir noch ein paar Erinnerungsfotos von unserem Dom machen, bevor er zusammenkracht, weil die U-Bahn-Strecke dort lang führt. Die Anwohner der Severinstraße mussten zwischenzeitlich sogar befürchten, dass sie die Sanierungskosten für ihre geschundene Straße tragen müssten. Einige meiner Kollegen mussten ihre Dissertationsthemen komplett neu definieren, einige waren im Lesesaal und verloren die Aufzeichnungen über mehrere Jahre ihrer Arbeit. Und all das für vier Minuten U-Bahn-Fahrtzeit...
Ganz liebe Grüße
Lena, die ihre größte Freude an den Stümpereien in Köln hätte, wenn das nicht so unheimlich traurig wäre

@Lena

Hallo liebe Lena,
ich find es einfach toll, mit welcher Liebe und Achtung Du von Deinem Doktorvater und im gleichen Zug auch von Deinem Studiengang schreibst!
So soll es sein.
Ich hoffe, daß Du Deine Diss erfolgreich zu Ende schreiben kannst und Dein Doktorvater stolz auf Dich sein wird!
Und für alle Betroffenen in Köln kann man nur hoffen, daß weitere Unfälle solcher Art ausbleiben und daß ein neues Archiv möglichst bald wieder die geborgenen Schätze beherbergen kann.
Liebe Grüße
Anke

@Lena

Liebe Anke,
ja, mein Doktorvater ist der bewundernswerteste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Er tut so viel für seine Schüler, ist wissenschaftlich wirklich brilliant, und das alles fast völlig geräuschlos. Mich hat er einmal als seine wissenschaftliche Tochter bezeichnet. Ich hoffe, ich kann mich für das entgegengebrachte Vertrauen irgendwann erkenntlich zeigen. Schon allein deshalb muss ich diese Diss schreiben.
Für mein Studium habe ich lange kämpfen müssen, und deswegen liegt es mir vielleicht auch so am Herzen. Auch ich habe einst gedacht, das Mittelalter sei langweilig. Welch fataler Irrtum. ;)
Das Archiv präsentiert momentan 'Kölnflocken' in einer Ausstellung in Berlin. Ich denke mal, es wird nach wie vor viel auf Außenwirkung gesetzt, damit die Stadt, das Land, der LVR und wer nicht alles nicht auf die Idee kommen, man bräuchte jetzt kein Geld mehr. Momentan gibt es riesigen Ärger mit einigen albernen Depositaren. Das ist jetzt gerade nicht das, was die armen Kollegen brauchen.
Und falls Du nach Berlin kommst: Dort hängt in der Ausstellung ein Bild von mir. Das haben sie wohl bei der Bergung heimlich gemacht. Ich hab's aber noch nicht gesehen...
Ganz liebe Grüße
Lena
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