Wermelskirchen
Schüler planten Todessprung gemeinsam
VON GUNHILD TILLMANNS, SARAH DICKMANN UND GERHARD VOOGT In Wermelskirchen hat sich eine 14-Jährige in den Tod gestürzt. Foto: RP/Hans DörnerSängerin flippt aus Fußball Fußball Rentner
(RP) Der Suizid einer 14-Jährigen erschüttert die bergische Stadt Wermelskirchen. Mitschüler sollen mit ihr gemeinsam den Selbstmord geplant haben. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf ein Phänomen: Immer mehr Kinder in Deutschland leiden an Depressionen.
Das städtische Krankenhaus in Wermelskirchen, gestern Nachmittag. Schüler, die die achte Klasse der nahe gelegenen Realschule besuchen, haben an der Rückseite des Gebäudes Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet. "Ich konnte es nicht verhindern", berichtet ein 14-Jähriger. Er war dabei, als sich seine Mitschülerin Wiebke am Freitag aus der sechsten Etage in den Tod stürzte.
Der Tod des Mädchens erschüttert die Menschen in der bergischen Kleinstadt. "Keiner kann es glauben. Wieso hast Du keinem was erzählt?", heißt es in einem Gedenk-Video, das Mitschüler ins Internet gestellt haben. "Wieso musste es so weit kommen?"
Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Wiebke war nicht allein, als sie vom Balkon der Klinik sprang. Statt zum Unterricht zu gehen - die Jugendlichen hätten in der ersten Stunde Englisch gehabt - ging Wiebke mit vier Mitschülerinnen und einem Jungen in das Krankenhaus.
Nach Informationen unserer Zeitung soll die Gruppe bereits längere Zeit zuvor Brücken und ähnlich hohe Bauwerke in Wermelskirchen für einen möglichen, gemeinsamen Selbstmord ausgespäht haben. Nur Wiebke setzte den Plan schließlich um. "Sie hatte Probleme in der Schule und mit ihren Eltern", sagt ein Mitschüler.
Kinder leiden unter Depression
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf ein erschreckendes Phänomen. "Immer mehr Kinder leiden an tiefen Depressionen", sagt der Kinderpsychologe Wolfgang Bergmann im Gespräch mit unserer Zeitung. "Die tiefe Traurigkeit der Mädchen und Jungen fängt oft schon im Kindergartenalter an."
Wiebke soll, wie Bekannte des Mädchens berichten, seit zwei Jahren immer wieder angekündigt haben, sich das Leben zu nehmen. Andererseits habe sie ihre Probleme und Absichten durch ein scheinbar fröhliches Wesen überspielen können. Und irgendwann habe es niemand mehr ernst genommen, wenn sie ihren Freitod ankündigte. Eine Fehleinschätzung.
Im Jahr 2006 haben sich 39 Menschen in Nordrhein-Westfalen das Leben genommen, die jünger als zwanzig Jahre alt waren - 2004 gab es in der Altergruppe "nur" 27 Suizide. Im Internet gibt es zahlreiche "Chatrooms", in denen Jugendliche anonym ihre Freitod-Gedanken austauschen. Die Todessehnsucht nimmt zu. In NRW übersteigt die Zahl der Suizide seit Jahren deutlich die der Verkehrstoten.
Bei Jugendlichen sei oft das Rivalitätsdenken, in das die Kinder in der heutigen Gesellschaft hineinwachsen, eine Ursache für den Lebensfrust, weiß der Psychologe Bergmann aus Erfahrung. Überall sei Leistung gefragt, Kinder sollen immer früher Fremdsprachenkenntnisse haben, beste Noten schreiben, nebenbei gute Balletttänzerinnen oder Fußballer sein und später eine Exzellenz-Universität besuchen.
"Oft nur noch ein Ausweg"
Bei Youtube trauern die Mitschüler um die 14-jährige Wiebke. Foto: screenshotDie Überforderungen gingen nicht unbedingt nur von den Eltern aus, sondern auch von Freunden, die diejenige mobben, die "nur" zur Hauptschule gehen. "Wenn zu diesem Grundgefühl, nichts wert zu sein, dann noch etwas im Alltag schief geht, etwa in der Schule oder mit dem ersten Freund, scheint leider oft nur ein Gedanke der Ausweg: 'Ich will nicht mehr leben’'", so Bergmann. Erste Anzeichen für Depressionen seien Selbstverletzungen bei Mädchen und Computersucht bei Jungen, sagt der Psychologe, der mehrere Fachbücher wie "Das Drama des modernen Kindes" verfasst hat.
Wermelskirchen 14-Jährige sprang in den TodBereits am Vorabend des Selbstmordes, am vergangenen Donnerstag, soll sich die 14-Jährige mit ihrer Clique in den sechsten Stock des Krankenhauses begeben und dort den Balkon als Absprung-Ort für den nächsten Morgen ausgewählt haben. Für ihren Todestag soll sie sich besonders schön gemacht haben, hieß es aus Schüler- und Elternkreisen. Wie gestern bekannt wurde, soll das Mädchen einen mehrseitigen Abschiedsbrief hinterlassen haben.
Der Wermelskirchener Bürgermeister Eric Weik (FDP) kündigte gestern an, er werde dem Leiter der Realschule in Absprache mit dem Schul- und Jugendamt sowie der angeschlossenen Psychologischen Beratungsstelle jede gewünschte Unterstützung anbieten. "Man fragt sich, was einen so jungen Menschen dazu gebracht hat", grübelt der Politiker.
Der Tod des Mädchens hat die Mitschüler traumatisiert. Das Video, das jetzt im Internet zu sehen ist, hilft vielen bei der Bewältigung ihrer Trauer. Der Film läuft zu einem Musiktitel des Popstars Timbaland. "It's too late to apologize" lautet der Refrain. Das heißt auf deutsch: Es ist zu spät, um sich zu entschuldigen.
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Die Tochter meiner Nählehrerin geht in diese Schule und kannte das Mädel - sie ist natürlich auch total geschockt!
Ganz schlimm find ich den Absatz mit den zunehmenden Depressionen wegen Leistungsdruck usw... Schlimm, schlimm.... :-(((
Kindheit soll doch fröhlich und unbeschwert sein :°°-((
LG
Tina