Hallo ihr Lieben!
Gestern sind wir gegen 15 Uhr im Krhs angekommen und bis abends bei Papa geblieben. Der Arzt hat nochmal mit uns gesprochen, daß es genau die richtige Entscheidung war, ihn von den Geräten zu nehmen - wäre es sein Vater gewesen, er hätte genau so gehandelt...
Ich fand ihn relativ friedlich und er hat sogar zwischendurch immer mal die Augen halb aufgemacht und geschaut. Sagen konnte er nicht mehr viel, aber ich bin der festen Überzeugung, daß er es bewußt mitbekommen hat, daß wir alle da sind. Er hat meiner Schwester und mir die Hand gedrückt und es klang, als ob er immer was sagen wollte, aber man konnte es nicht verstehen. Ich hatte ja solche eine Angst vor dem Anblick und es war aber gar nicht schlimm. Klar konnte man ihm ansehen, daß er nicht mehr zu retten ist und daß er mit Sicherheit sterben wird - aber ich hätte nicht geglaubt, daß es dann doch so schnell zu Ende geht, sonst wäre ich auf jeden Fall die Nacht dageblieben und meine Schwester natürlich auch. Im Nachhinein wieder ein Grund, sich Selbstvorwürfe zu machen *seufz*. Mein Vater hat das Alleinsein gehasst und ich stelle mir es so schrecklich vor, dort alleine zu liegen und zu sterben. Es war NIEMAND dabei - sie haben ihn tot aufgefunden. Er wurde ja just bevor wir angekommen sind von der Intensivstation auf ein normales Einzelzimmer gelegt. Zwar außen mit dem Schild "Isolation" und man mußte auch wie bei der Intensivstation in voller Montur dort hinein, wegen dem MRSA-Keim, aber halt in ein ganz normales Stationszimmer ohne piepende Monitore usw... Und uns war natürlich auch klar, daß auf einer normalen Station niemand rund um die Uhr bei ihm sein kann. Trotzdem beschleicht einen das schlechte Gefühl, daß es auch für die Schwestern natürlich "lästig" ist, sich ständig die sterilen Klamotten anzuziehen, "nur" um mal eben zu schauen - danach muß man sich wieder umziehen, ehe man zu einem anderen Patienten gehen kann usw... Ist für den Krankenhaus-Alltag sicher nicht förderlich... Und so vermuten wir eher, daß sie nur viel seltener bei ihm reinschauten als normalerweise und das macht mich irgendwie fix und fertig. Was wäre eine weitere schlaflose Nacht für mich gewesen, wenn ich dafür aber bei meinem Vater hätte sein können, der dann nicht einsam und alleine und vielleicht voller Panik gestorben wäre sondern Beistand gehabt hätte... Aber man kann es sich ja auch "schönreden" und sagen, er hat nur gewartet, daß wir alle noch dort waren, um dann in Ruhe einschlafen zu können. Einmal fragte er ganz deutlich nach seiner Schwester, die aber leider nicht so eine weite Fahrt noch auf sich nehmen konnte, weil sie selber bei äußerst schlechter Gesundheit ist.
Was meint Ihr - ob es wohl eher tröstlich für sie ist, zu erfahren, daß er nach ihr gefragt hat, oder ob es ihr eher ein schlechtes Gewissen macht, weil sie nicht da sein konnte? Soll ich es erzählen oder nicht? Sie ist 84...
Einerseits bin ich sehr froh, daß es letztendlich dann doch so schnell ging und ich hoffe, ich konnte mit den Worten, die ich ihm noch gesagt habe irgendwie ein stückweit Frieden schließen und ihn spüren lassen, daß mir auf eine gewisse Weise sehr viel an ihm gelegen hat, auch wenn gerade seit Mama's Tod viele negative Gefühle für ihn hochgekocht sind... Aber er hat es wirklich nicht verdient, so ganz alleine zu sterben... Andererseits wollte er es vielleicht so - wer kann das schon wissen. So wie ich meinen Vater von der Mentalität her einschätze, wäre er lieber NICHT alleine geblieben und hatte bestimmt Angst - vielleicht kann meine Schwester ja noch etwas herausfinden - sie ist gerade auf dem Weg zu ihm... Obwohl es bei meiner Mutter kein schlimmer Anblick war, als ich sie dann tot gesehen habe, wollte ich jetzt eher nicht mit und lieber mit meinen Gedanken alleine sein...
Naja - es ist wie es ist und man kann nichts mehr ändern. Für meinen Vater ist es das allerbeste und wir sind froh, daß er sich nicht noch lange quälen mußte.
Irgendwie geschockte, aber auch traurige und genau so erleichterte Grüße
Tina