Wir haben in unserem KiGa einen schönen Zusammenhalt. Nicht nur zwischen den Kindern, auch die Familien treffen sich untereinander und die kleinen Geschwisterkinder kennen sich teils seit sie Babies sind. Eines dieser Kinder - 2 Monate jünger als Nils - hatte vor einiger Zeit wochenlang Magen-Darm-Probleme. Der KiA konnte nichts feststellen, schickte die Familie aber nach mehreren Wochen endlich zum Krankenhaus. Dort wurde der Kleine untersucht und mit unklarem Befund nach Hause geschickt. Er wurde immer apathischer und musste sich weiterhin ständig übergeben. Eine Freundin der Familie besorgte telefonisch einen Termin in einer anderen Klinik, der Professor sagte, sie sollen sofort kommen, als sie ihm auch die weiteren Symptome - schlechte Fixierung beim Sehen/Greifen, unsicherer Gang - nannte. Noch in der selben Nacht wurde bei dem Kind ein CT gemacht. Die Diagnose war ein Hirntumor.
Niemand von uns hatte das gewusst und eine der mittteilsameren Mamas sagte es mir morgens, einfach so, während wir beide unsere genau so alten Kinder auf dem Arm hatten. Und dann kam die Freundin, die den Termin besorgt hatte und sagte, dass der Kleine gerade operiert wird, der Tumor war schon so groß wie ein Hühnerei. Er hatte auf die Nervenbahnen gedrückt, die für den Magen zuständig sind. Man hoffe, möglichst viel entfernen zu können und das das Ganze gutartig sei. Hätte man den Tumor später entdeckt, hätte das Kind die OP vermutlich nicht überlebt. Und dann standen wir vor dem KiGa auf der Strasse und haben alle geweint, weil wir dieses Kind doch schon kennen, seit er ein paar Wochen alt ist, weil er seinem Großen Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten ist, weil er so süß ist, ich habe ihn noch nie Weinen oder Schreien hören. Ich sehe ihn nur vor mir, mit diesem verschmitzten Lächeln im Gesicht.
Und ich muss wieder sachlich schreiben, sonst kann ich nicht zum Ende kommen.
Meine letzte Info war dann, dass die OP gut gelaufen ist und 95 Prozent des Tumors entfernt werden konnten, dass sie noch nicht wissen, ob es bösartig war und das er ein paar Tage später auf die normale Station kann.
Dann war ich 2 Wochen im Urlaub. Seit gestern weiß ich, das es Krebs ist. Eine besonders bösartige Variante, an der in den letzten 10 Jahren gerade 14 Menschen erkrankt sind. Es besteht der Verdacht, das die Schatten, die bei Untersuchungen an der Wirbelsäule gefunden wurden, Metastasen sind. Das Ergebnis der Rückenmarkspunktion kommt diese Woche. Vorerst dedeutet das Bestrahlungen und Chemo für ein Jahr. N. wird in den nächsten Tagen 2 Jahre alt.
Mir fällt es sehr schwer damit klar zu kommen, an die Familie möchte ich gar nicht denken. Wir sind zusammen im Elternrat und haben ein gutes Verhältnis zueinander, unsere Kinder sind Freunde. Ich weiß nicht wie ich mich verhalten soll und ich weiß nicht, ob und wie ich helfen kann. Wir alle sind so gelähmt und halten ständig unsere Kinder im Arm - so dankbar, das sie gesund sind. So voller Entsetzen, dass das Unglück so aus heiterem Himmel kommt - auch wenn ich weiß, dass Unglück sich nicht anzukündigen pflegt. Und hilflos, weil es keinen Weg gibt, seine Kinder zu beschützen.