Nach 4,5 Jahren hat sie den Kampf gegen den Krebs verloren und ist am Pfingstsonntag früh gestorben. Zum Glück konnten wir ihr alle die letzten 3 Wochen in der Klinik so gestalten, dass es für sie kein zu beschwerlicher Weg war. Sie bekam viele Medikamente zur Erleichterung der Schmerzen und vor allem viel Besuch. Sie hatte keine eigene Familie, aber sie war so ein Mensch, den man einfach mögen musste. Sie war immer für ihren Zwillingsbruder, dessen Frau und die beiden Neffen da, war vielmehr für sie als nur die Schwester, Schwägerin oder Tante. Es war berührend, wie vor allem diese jungen Männer wirklich fast täglich die einstündige Fahrt von ihrem Heimatort ins Klinikum machten, um stundenlang am Bett der Tante, die ihnen so viel bedeutet hat, zu sitzen und ihr das Gefühl zu geben, dass sie nicht, niemals allein ist. Die Schwägerin hat sogar die letzten Tage jede Nacht mit im Zimmer geschlafen.
Für mich war sie so etwas, wie die Ersatzmutter auf Station. Als ich damals mit 20 ganz jung auf der Intensiv anfing, unterstützte sie mich, half mir und ich lernte viel von ihr. Sie nahm mir am Anfang die Angst vor den vielen Kabeln, Schläuchen, Geräten und lehrte mich vor allem im Umgang mit den Schwerstkranken und deren Angehörigen.
Gestern waren wir auf der Trauerfeier. Wir sind hier eine, so gut wie komplett, evangelische Gegend. Aber sie kam aus der benachbarten Oberpfalz, die erzkatholisch ist.
Der Trauergottesdienst war sehr schön gestaltet. Vorher war das Rosenkranzbeten, dass ich noch nie im Leben gesehen oder gehört habe. Ich hab richtig Gänsehaut gehabt, als die ganze Gemeinde diese Gebete sprach.
Sie kam aus einem kleinen Dorf; stammte aus einer Landwirtschaft, die ihr Bruder noch heute betreibt. Da kam wirklich das ganze Dorf. Nachdem der Gottesdienst vorbei war, zogen alle hinter dem Pfarrer zum Friedhof, wo die Urnenbeisetzung war (sie hatte verfügt, dass sie verbrannt wird; ist im Katholizismus ja auch eher unüblich).
Ihre Familie bestand darauf, dass wir Arbeitskollegen danach noch mit zum "Leichenschmaus" gehen sollten. Das hat uns tief bewegt und wir haben das gerne angenommen. Es war ihre Art uns Danke zu sagen für die letzten Wochen. Und meine Kollegin hätte es gewollt, weil für sie die Arbeit immer mehr war als nur Geld verdienen. Es war ihr Leben. Selbst als sie vor 4,5 Jahren wegen der Krankheit aufhören musste, riss nie der Kontakt. Sie war zu allen Weihnachtsfeiern, rief zu Geburtstagen an oder buk uns ihre einzigartigen Plätzchen.
Ich hab schon wieder Tränen in den Augen, wenn ich daran denke. Wir vermissen sie sehr. Sie war gerade mal 60.
Traurige Grüße von Betsy