Ist zwar schon älter, aber durchaus
Was meint Ihr?
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Oh, so ein Mist.
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DER SPIEGEL 16/2000 vom 17.04.2000, Seite 254
Autor: Jörg Blech
Dämonen der Begierde [Artikel zur Merkliste hinzufügen]
Ob Seitensprung, Galanterie oder Eifersucht - die heutigen Sex-Strategien von Frau und Mann wurden allesamt im Reproduktionskampf der Steinzeit geprägt, verkündet eine neue Phalanx von Psychologen. Ihre jüngste Provokation: Vergewaltigung sei ein natürliches Erbe der Evolution.
Eine verschwiegene Seuche grassiert in Deutschland: Jede siebte Frau ist schon einmal vergewaltigt oder sexuell genötigt worden - mit dieser alarmierenden Botschaft suchte Familienministerin Christine Bergmann in der vergangenen Woche die Öffentlichkeit wachzurütteln.
Zu jedem der Opfer gehört ein Täter. Die enorme Zahl offenbart, dass diese nicht alle abnorme Psychopathen sein können - was aber lässt unauffällige Spießer und Familienväter unvermittelt zu brutal handelnden Triebtätern werden?
Die Ministerin weiß eine Antwort darauf: "Gewalt gegen Frauen ist ein Problem patriachalischer Strukturen." Damit gibt sie wieder, was auch die meisten Forscher glauben: Vergewaltigung sei das Produkt einer Gesellschaft, in der die Männer dominieren.
Zwei US-Wissenschaftler erklären diese Sicht der Dinge jetzt zum größten Ammenmärchen der Sexualwissenschaft.
Nicht kulturbedingtes Machtgebaren treibe die Täter an. Vielmehr sehen Randy Thornhill und Craig Palmer die seelenlosen Kräfte der Evolution am Werk: Vergewaltiger gehorchten einem "natürlichen biologischen" Programm, das allen Männern dieser Welt innewohnte - dem Trieb, die eigenen Gene in die nächste Generation zu befördern, notfalls mit Gewalt.
Eine "Naturgeschichte der Vergewaltigung" nennen die beiden Forscher ihr jüngst erschienenes Buch**. Ungeniert verkünden sie darin, der erzwungene Geschlechtsverkehr sei eine von der Evolution begünstigte Strategie. Männern, die sonst bei den Frauen abblitzen, biete sich so eine Chance, ihr "Ejakulat in den weiblichen Fortpflanzungskanal zu bringen" - und damit jenes Ziel zu erreichen, dem allein das Dasein aller Geschöpfe diene: Kinder in die Welt zu setzen.
Ihre These garnieren die Autoren mit Details, die geradezu zwangsläufig einen Sturm der Empörung entfachen mussten: Sie erzählen zunächst von Notzucht im Tierreich - von der männlichen Skorpionsfliege etwa, die weiblichen Widerstand mit Hilfe kleiner Klemmen bricht. Dann kommen sie auf den Menschen zu sprechen und erläutern, warum sich in Kriegen, kaum dass die Gefahr der Bestrafung sinkt, der aggressive männliche Geschlechtstrieb immer wieder Bahn bricht.
Hat die Kopulation des Insekts etwas mit den Verbrechen von enthemmten Soldaten zu tun? Wurden beide Verhaltensweisen von denselben evolutionären Kräften hervorgebracht? Wo immer der Insektenforscher Thornhill das suggeriert, ist ihm der Zorn der Zuhörer sicher. Einmal spuckte ihm nach einem Vortrag eine empörte Frau ins Gesicht, jetzt sagte er alle weiteren öffentlichen Auftritte ab.
"Ich wäre fast erstickt, als ich dieses Buch las", sagt Susan Brownmiller, die das Manuskript vorab sah. Seit Jahrzehnten hat die amerikanische Frauenrechtlerin gegen den Mythos gekämpft, man könne Frauen nicht gegen deren Willen vergewaltigen, und klargemacht: Triebtätern geht es darum, Frauen zu beherrschen. Nun sieht sie ihre Aufklärungsarbeit bedroht: "Diesen Kerlen geht es nur darum, den Feminismus lächerlich zu machen." --- S.255
"Es ist ein schreckliches Buch", urteilt auch der Biologe Jerry Coyne von der University of Chicago. Er wertet "das ganze Unterfangen" als tendenziösen Versuch, "sich über die Soziologie lustig zu machen". Margo Wilson, Psychologin von der McMaster Universität im kanadischen Hamilton, hingegen, die das Vorwort des Buches geschrieben hat, lobt dessen "intellektuelle Stärke".
In der Tat könnten die Menschenbilder von Soziologen und Evolutionsbiologen kaum weiter auseinander klaffen: Vor 100 Jahren beschrieb Emile Durkheim, der Vater der modernen Soziologie, die menschliche Natur als "Rohstoff, den der soziale Faktor formt und wandelt". Heute erklären Biologen wie Thornhill und Palmer den Menschen zum Sklaven der biologischen Natur.
Die beiden Provokateure leugnen nicht, dass sie ihre Thesen als Angriff auf die Sozialwissenschaften verstanden wissen wollen, deren Gedankengebäude oft auf "empirisch falschen, sogar erdichteten Ideen" fußten. Aus den Reihen der Soziologen und traditionellen Psychologen wird ihnen entgegengehalten, sie stülpten komplexen menschli-chen Verhaltensformen stammtischreife Schablonen über.
"Die Autoren entwerfen eine Theorie, die sie empirisch nicht untermauern", urteilt die Hamburger Sexualwissenschaftlerin Hertha Richter-Appelt. "Fassungslos" ist der Frankfurter Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch. Dass erzwungener Geschlechtsverkehr eine naturgegebene Fortpflanzungsstrategie sein soll, kann er nicht akzeptieren: "Die ganze Denkrichtung ist widerlich. Am Ende kommt dabei eine Rechtfertigung von Mord und Totschlag heraus."
Gerade diese Reaktion hält Karl Grammer, Verhaltensforscher an der Universität Wien, für verhängnisvoll. "Wenn etwas evolutionär erklärbar ist, heißt das ja nicht, dass es gut ist." Das machen auch Thornhill und Palmer für sich geltend: "Biologie vermittelt Verständnis, nicht Rechtfertigung von menschlichem Verhalten."
Und daraus, so argumentieren die beiden Evolutionsforscher, ließen sich durchaus Schlüsse ziehen. So fordern sie Seminare über das Phänomen der Vergewaltigung, die auf Darwins Lehre gründen. Junge Frauen könnten dort "den Preis erkennen, der mit ihrer körperlichen Anziehungskraft verbunden ist".
Mit derlei Vorschlägen verwickeln Thornhill und Palmer die traditionelle Wis- --- S.256
senschaft jetzt in eine unliebsame Debatte, die sich künftig noch ausweiten dürfte. Denn die beiden Biophilosophen bilden nur die Vorhut der so genannten Evolutionspsychologie, die vor allem in den Vereinigten Staaten und England enormen Zulauf findet. Wie zu einer Religion bekennen sich Forscher aller Couleur zu der neuen Lehre.
"Langsam, aber deutlich erkennbar kristallisiert sich eine neue Weltsicht heraus", so beschreibt der amerikanische Autor Robert Wright den fundamentalen Wandel. Stück für Stück fördere die neue Disziplin, die den Anspruch der Wissenschaftlichkeit erhebt, zu Tage, wie sehr der reproduktive Imperativ den Menschen geformt habe. Wie "ein plötzlich virulent gewordenes Virus", so der Autor John Horgan, infiziere die Evolutionstheorie die Sozialwissenschaften.
Zwar hatte schon Charles Darwin bemerkt, dass die allmächtige Kraft der Evolution stets die Erfolgreichen vorzieht; dass sie folglich jedes Verhalten belohnt, das der besseren Fortpflanzung dient.
Doch erst jetzt übertragen die Forscher auf den Menschen, was ihnen seit über 100 Jahren bei Zebrafinken und Blattläusen als Selbstverständlichkeit gilt: Die archaische Fortpflanzungswut seiner zotteligen Urahnen prägt demnach bis heute Denken und Handeln des Homo sapiens. Begierden und sexuelle Sehnsüchte, die in seinem Hirn brodeln, seien nichts anderes als unbewusst ablaufende Fortpflanzungsstrategien, die aus der Steinzeit stammen.
Stämmige Hominiden zogen einst in Horden von 50 bis 100 Mitgliedern durch Afrikas Savanne. 99 Prozent seiner Entwicklungsgeschichte lebte der Mensch als Jäger und Sammler. In dieser Zeit entstand der menschliche Verstand.
Generation für Generation, 4,5 Millionen Jahre lang, "hat die natürliche Selektion allmählich das menschliche Gehirn modelliert", erklärt Leda Cosmides von der University of California in Santa Barbara, eine Begründerin der Evolutionspsychologie. "Dabei wurden Schaltkreise bevorzugt, die gut waren, um die Alltagsprobleme unserer Jägerund-Sammler-Vorfahren zu lösen: Partner suchen, Tiere jagen, Pflanzen sammeln, mit Freunden verhandeln, Feindseligkeiten abwehren, Kinder großziehen, sich ein nettes Habitat aussuchen."
Auf Schritt und Tritt meinen die Biophilosophen steinzeitliche Wurzeln vieler Empfindungen und Gefühle zu erkennen. So waren für den Wildbeuter Spinnen eine alltägliche Bedrohung, die er instinktiv zu meiden lernte. Heute sieht sich der Wohlstandseuropäer harmlosen Arten gegenüber, und doch verbietet ihm der Ekel, eine Spinne zu berühren - gemäß der neuen Lehre ein ins Hirn graviertes Überbleibsel aus der Vorzeit. In ähnlicher Weise habe die Höhenangst den Urahn davor bewahrt, sich auf Klippen zu weit an den Rand vorzuwagen. Und wer heute nach Zucker giere, der tue dies, weil seine Vorfahren Hunger nach Kohlenhydraten litten.
Wie kein anderer Bereich des Lebens aber sei der Sex von den Erfahrungen der Menschen-Urahnen bestimmt. Denn um nicht als Irrläufer der Evolution zu enden, wollte der Hordenmensch vor allem eines: Geschlechtsverkehr.
Was auch immer den Menschen antreibt, die Verfechter der heraufziehenden Seelenkunde führen es auf dieses eine Ziel zurück. Nicht nur die Vergewaltigung erklären sie zu einem steinzeitlichen Erbe; kaum eine Regung des Menschen sparen die Evolutions-Prediger aus:
* Die Eifersucht diene - unbewusst - dem Fortkommen der Gene. Denn wer seinem Partner misstraut, ihn bespitzelt, terrorisiert, ihn in rasendem Liebeszorn verprügelt, verschaffe sich einen Vorteil in der Evolution, weil er damit ein mögliches Fremdgehen des Partners verhindert.
* Auch der Seitensprung erweise sich als Laster aus der Steinzeit, dem der moderne Mensch mit erstaunlicher Hingabe frönt: Allen modernen Verhütungsmitteln zum Trotz stammt schätzungsweise jedes zehnte Kind nicht von dem Mann, der glaubt, der Vater zu sein. Ob Frauen sich von einem heimlichen Liebhaber mit gutem Genmaterial befruchten lassen, ob Männer ahnungslosen Rivalen ein Kind unterschieben - all das befördere die eigenen Gene wirksam in die nächste Generation.
* Sogar eines der größten Mysterien der Wissenschaft glauben die Liebesforscher jetzt gelöst haben: den Ursprung der Psyche. Das kreative Buhlen der Männchen um die Gunst der Weibchen habe --- S.257 den Hominiden im Laufe der Evolution das Bewusstsein und den Verstand ins Gehirn gehaucht. "Die vorherrschenden Aspekte unseres Geistes sind zum größten Teil durch die Brautwerbung unserer Urahnen evolviert", schreibt der Psychologe Geoffrey Miller, 34, in einem Buch, das Anfang Mai erscheinen wird*.
Indem sie versuchen, das Wesen des Menschen als Produkt der sexuellen Zuchtwahl zu erklären, begeben sich die neuen Jünger Darwins auf ein gefährliches Terrain. Denn wie kein anderes Gedankengebäude der Naturwissenschaften wurde der Darwinismus immer wieder von Ideologen ausgeschlachtet.
Schon zu Darwins Lebzeiten prägte der englische Philosoph Herbert Spencer das Schlagwort vom "Überleben der Tauglichsten" - und begründete damit auch in der Gesellschaft das Recht des Stärkeren. Unter Berufung auf Darwins Theorie verdammte er Sozialprogramme: "Den Schwachen bei der Fortpflanzung zu helfen läuft praktisch darauf hinaus, unsere Nachkommen in heimtückischer Weise mit einer Horde von Feinden zu versorgen", wetterte er 1872 in seinem Buch "Study of Sociology".
Der Missbrauch des Darwinismus gipfelte schließlich im Nationalsozialismus,
als die Theorie der Zuchtwahl zur Rechtfertigung von "Rassenhygiene" und "Euthanasie" herhalten musste.
Fleißiger Mitstreiter im Rassenwahn war ein junger Arzt und Verhaltensforscher aus Österreich: Konrad Lorenz. Im Sinne der Nazi-Ideologie forderte er eine "noch schärfere Ausmerzung ethisch Minderwertiger".
Derlei Sprüchen zum Trotz gelangte Lorenz als Mitbegründer der Ethologie (Verhaltensforschung) zu großem Ruhm. 1973 krönte er seine Karriere gar mit dem Nobelpreis für Medizin. Der Mann, dem nach dem Krieg die Gänseküken hinterherschwammen, erkannte schon früh genau das, was heute auch die Evolutionspsychologen behaupten: Es gibt artspezifische Verhaltensweisen, die angeboren sind - im Falle des Menschen, so Lorenz, beispielsweise die Aggression.
Dieses Wort aus dem Munde des umstrittenen Österreichers provozierte wütende Reaktionen. Wer den Menschen zum geborenen Aggressor erkläre, so die Kritiker, der legitimiere damit den Krieg - eine Debatte, die der heute um die Evolutionspsychologen entbrannten in verblüffender Weise gleicht.
Edward Wilson, ein angesehener Ameisenforscher an der Harvard University, spann Lorenz'' Gedanken weiter - und provozierte den nächsten Eklat.
Das Fazit von jahrzehntelanger Forschung zog Wilson 1975 in seinem Buch "Soziobiologie", heute ein Klassiker. Er analysierte darin das Sozialverhalten von Ameisen, aber auch von Löwen, Antilopen und Pavianen. Die Evolution, so sein Resümee, habe diesen Geschöpfen vermutlich Gene für Selbstlosigkeit, Promiskuität oder Dominanz mitgegeben.
Niemand hätte Anstoß an Wilsons Thesen genommen, hätte er nur dieses eine, das 27. Kapitel nicht geschrieben. Dort nämlich spekulierte Wilson: Was für alle Tiere richtig sei, das müsse auch für das Tier Mensch gelten; das Sozialverhalten - ob Sorge um die Kranken oder Angst vor Fremden - sei genetisch programmiert. Selbst religiöse Bräuche oder ethische Gebote stünden vielleicht unter der Regie der Gene.
Prompt warfen erboste Kritiker Wilson vor, die von ihm populär gemachte Soziobiologie rede Rassisten und Sexisten das Wort. Wenn es tatsächlich eine genetische Veranlagung für Fremdenangst gebe, wie wolle man dann die Diskriminierung der Rassen eindämmen? Demonstranten störten seine Vorträge mit Zwischenrufen und kippten dem Professor einen Kübel Eiswasser über den Kopf. Die Vorwürfe eskalierten: Wilson huldige einer Art pseudowissenschaftlichen Lehre, mit der bereits die Nazis ihre Konzentrationslager gerechtfertigt hätten.
Die Evolutionspsychologen haben rasch begriffen: Wer mit dem Teufel Suppe isst, braucht einen langen Löffel. Deshalb ziehen sie es vor, ihre geistigen Väter wenn möglich zu verleugnen. Wegen seiner zweifelhaften --- S.258 Rolle während der Nazi-Zeit vermeiden sie es, Konrad Lorenz zu zitieren - so sehr ihre Theorien auch auf seinem Gedankengut gründen mögen. Und weil die Begriffe "Ethologie" und "Soziobiologie" als politisch belastet galten, tauften sie vor vier Jahren ihr Fachblatt um: "Evolution und menschliches Verhalten" schien unverfänglicher.
Auch zu den Verhaltensgenetikern suchen die Evolutionspsychologen Distanz zu halten. Zwar befassen sich beide Disziplinen damit, wie Gene das Geschick der Menschen bestimmen. Dennoch gilt ihr Interesse verschiedenen Phänomenen.
Die Verhaltensgenetiker suchen nach Erbmerkmalen, welche die Menschen voneinander unterscheiden. Die persönliche Genausstattung entscheide beispielsweise mit darüber, wer trunksüchtig, schwul, melancholisch, wagemutig oder besonders neugierig sei - der Einzelne erscheint mithin als Marionette seiner Gene.
Von solch deterministischen Lehrsätzen halten sich die Evolutionspsychologen lieber fern. Sie ignorieren die Unterschiede zwischen Individuen und betonen stattdessen, was sie als Mitglieder einer biologischen Art vereint. Menschen aller Ethnien, so ihr Credo, denken gleichermaßen mit Steinzeit-Hirnen.
Dass Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen überraschend ähnlich ticken, war schon Darwin aufgefallen. Als er in Feuerland auf Ureinwohner traf, zeigte er sich "zutiefst" erstaunt darüber, wie "ähnlich ihr Geist dem unseren ist; und ebenso erging es mir mit einem reinblütigen Neger, mit dem ich einst vertrauten Umgang hatte".
Auf derlei politisch korrekte Äußerungen berufen sich Evolutionspsychologen gern; von Rassenunterschieden wollen sie nichts wissen. Und doch teilen sie die Menschheit in zwei Gruppen - entlang der Geschlechterfront. Die Evolution, so ihre Lehre, habe Männer und Frauen mit spezifischem Rollenverhalten ausgestattet und dieses tief in ihre Psyche eingepflanzt.
Nicht nur männliche und weibliche Sexualstrategien erklärt die neue Forscherzunft auf diese Weise. Angebliche Geschlechtsunterschiede in Kunstgeschmack und Fähigkeit zur Empathie, in Sprachwitz und Erinnerungsvermögen werden auf evolutionäre Ursachen zurückgeführt.
Tatsächlich haben schon viele Experimente darauf hingewiesen, dass Männer mitunter anders denken als Frauen. Sollen sie sich zum Beispiel in einem virtuellen Irrgarten zurechtfinden, so aktivieren sie andere Areale im Gehirn. Das haben nun erstmals Magnetresonanz-Aufnahmen von der Universität Ulm gezeigt, die im März veröffentlicht wurden.
Evolutionspsychologen überrascht das nicht. Was heute modernste Technik offenbart, ist ihrer Überzeugung zufolge steinzeitlicher Prägung zu verdanken: Während einst die Männer wilden Beutetieren nachjagten, sammelten die Frauen Wurzeln und Früchte. Und diese Arbeitsteilung brachte unterschiedliche Formen des Gedächtnisses hervor.
Die Frauen orientierten sich an Merkmalen der Landschaft, um so ertragreiche Gefilde rasch wiederfinden zu können. Den umherstreifenden Jägern nützte es hingegen mehr, wenn sie eine Landkarte im Kopf entwarfen, um so zum Beispiel ihrer Beute den Weg abschneiden zu können.
Genau dies bestätigte sich in Experimenten: Frauen können sich deutlich besser als Männer an Gegenstände erinnern, die sie kurz zuvor in einem Zimmer gesehen haben. Beim Kartenlesen schneiden sie hingegen schlechter ab.
Doch was sind all diese Fragen, gemessen an dem einen Rätsel, das die neuen Biophilosophen wie kein anderes fasziniert? Immer kreist ihr Denken um die Frage, wie, wann und warum Frau und Mann zueinander finden. Und wo immer sie sich dazu äußern, ist ihnen Aufmerksamkeit gewiss.
Eine ihrer zentralen Erkenntnisse schlägt sich dabei in einer Anekdote nieder, die sie eben deshalb gern erzählen. Sie handelt von Calvin Coolidge, dem 30. Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Der wortkarge Mann und seine Gattin sollen demnach nacheinander durch eine staatliche Musterfarm geführt worden sein. Als dort ein Hahn gerade heftig mit einer Henne kopulierte, erkundigte sich Frau Coolidge, wie oft der Hahn seiner Pflicht nachkomme. "Dutzende Male täglich", antwortete ein Angestellter. Die First Lady schwieg einen Augenblick, dann bat sie: "Bitte, sagen Sie das dem Präsidenten."
Als der wenig später an das Gehege geleitet wurde und von der Potenz des Hahnes erfuhr, fragte er: "Immer mit derselben Henne?"- "Nein, nein. Jedes Mal eine andere", entgegnete der Angestellte. Die Augen des Präsidenten blitzten, als er sagte: "Sagen Sie das bitte meiner Frau."
Glaubt man den Evolutionspsychologen, so spiegeln sich in den Phantasien, die das Federvieh im Ehepaar Coolidge weckte, uralte Sexualstrategien wider: Der Mann strebt nach Masse, die Frau nach Klasse.
David Buss, Psychologe an der University of Texas in Austin, wollte das Klischee überprüfen: Rund um die Welt ließ er Menschen nach ihren sexuellen Vorlieben befragen - insgesamt sammelte er 10 041 Fragebögen aus 37 Kulturen auf sechs Kontinenten und fünf Inseln. Die Antworten ähnelten sich auf verblüffende Weise: Männer sehnen sich nach vielen Partnerinnen; beim One-Night-Stand verhalten sie sich dabei kaum wählerisch. Frauen indes achten weit mehr darauf, mit wem sie sich einlassen. Auf die Zahl der Gespielen kommt es ihnen nicht an.
"Überall wird Sex als etwas verstanden, was die Frauen besitzen und die Männer von ihnen haben wollen", kommentiert ein Forscher. Feldstudien an amerikanischen Universitäten haben dieses Rollen-Klischee --- S.259 bestätigt: Attraktive Frauen und Männer boten sich als Sexualpartner an. Keine einzige Studentin war zum Sex mit einem Fremden bereit; doch 75 Prozent der jungen Kerle willigten sogleich ein.
Weibliche und männliche Sex-Begierden erklären die Gelehrten mit einer denkbar banalen biologischen Tatsache: Eine Frau kann mit viel Aufwand wenige Kinder, ein Mann mit wenig Aufwand viele Kinder haben.
Ein Mann produziert vier Millionen Samenfäden pro Stunde - entsprechend verschwenderisch kann er damit umgehen. Warum sonst, fragen Thornhill und Palmer, sollten Männer mit "aufblasbaren Puppen und mit weiblichen Kälbern, Kamelen und Schafen" kopulieren? Als man junge Bauernburschen im Rahmen der McKinsey-Studie anonym befragte, gaben 20 Prozent zu, dass sie mindestens schon einmal in ein weibliches Tier eingedrungen waren.
Auch die Tatsache, dass Vielweiberei in vielen Kulturen üblich, Vielmännerei hingegen äußerst selten ist, lässt sich kaum anders erklären. Ein König von Swasiland, Sobhuza II., brachte es in puncto Vaterschaft zur Meisterschaft; der 1982 verblichene Regent zeugte mit ungezählten Frauen schätzungsweise 600 Kinder.
Ungleich genügsamer verfuhr Theodore Fisch, Pilot bei Pan American. 30 Jahre lang lebte der Flugkapitän mit zwei Familien, die nichts voneinander ahnten. In Pelham (US-Bundesstaat New York) lebte Frau Margaret mit dem gemeinsamen Sohn Theo Junior; im nahen Bay Shore auf Long Island lebte Frau Marcella mit der gemeinsamen Tochter Susanna - in den Augen von Evolutionspsychologen die List eines Mannes, dem die Vielweiberei durch kulturelle Normen verwehrt wird.
Nicht nur die Zahl, sondern auch die Wahl der Partner ist nach Meinung der Forscher vom steinzeitlichen Erbe gesteuert. So hat Devendra Singh von der University of Texas in Austin die Vorlieben der Männer in unterschiedlichen Gesellschaften studiert. Stets bevorzugten sie Frauen, deren Taille-zu-Hüfte-Relation 0,7 beträgt - für den Forscher ein Indiz dafür, dass die Evolution ihren Blick geschärft hat. Denn die begehrte Form - die Hüfte hat etwa ein Drittel mehr Umfang als die Taille - deute auf hohes "reproduktives Vermögen". Volle Lippen und schmales Kinn, ebenfalls als Zeichen weiblicher Schönheit gewertet, signalisieren einen hohen Östrogenpegel und damit Fruchtbarkeit.
Frauen achten ebenfalls auf Merkmale, die gutes Erbmaterial verheißen: beispielsweise symmetrische Gesichtszüge und reine Haut. Da sie im Unterschied zu Männern nur über einen einmaligen Vorrat von Keimzellen - nur ungefähr 400 Eizellen springen - verfügen, suchen sie denjenigen, der sie befruchten darf, mit besonders großer Sorgfalt aus.
Wichtiger noch als das Äußere ist ihnen dabei Wohlstand und Ansehen des Partners. Denn reiche Väter sind ein Garant dafür, dass die Kinder gut versorgt und behütet aufwachsen können - Männer wählen mit den Augen, Frauen mit dem Verstand.
"Ein einziger sexueller Akt, dessen Vollzug vom Mann nur eine minimale Investition erfordert", notiert Psychologe Buss, "kann bei der Frau eine neunmonatige, von hohem Kräfteverbrauch begleitete Zwangsinvestition zur Folge haben, welche zudem andere günstige Paarungsgelegenheiten ausschließt."
Nach einer schmerzvollen Geburt müsse sie ihr Kind stillen und sich viele Jahre mit ihm plagen - Frauen haben also allen Grund, anspruchsvoll zu sein, und bevorzugen Männer, die ihnen bei der Aufzucht der Kinder zur Seite stehen.
Deshalb, erklärt der Psychologe Geoffrey Miller, gelte unter den Menschen Damenwahl. Schon am steinzeitlichen Lagerfeuer sei das nicht anders gewesen: Mal mit großem Protzgehabe, mal mit einschmeichelnder Zärtlichkeit strichen die Hominiden-Männchen um die Weibchen herum, stets darauf aus, zum Geschlechtsverkehr zu gelangen.
Dabei, so Miller, müsse es irgendwann zu einem weiblichen Sinneswandel gekommen sein, der das weitere Geschick der ganzen Spezies bestimmte: Die Frau entdeckte Witz und Kreativität als neues Auswahlkriterium.
Ehedem, so ungefähr malt es sich Miller aus, tänzelte ein Kobold, den Körper kunstvoll mit Farben bemalt, um das Feuer herum und machte komische Mätzchen. Die meisten Frauen reagierten irritiert - eine jedoch ließ sich bezaubern.
Das Paar muss Miller zufolge fruchtbar gewesen sein und setzte lauter gewitzte Töchter in die Welt. Sie hatten, ganz die Mutter, eine Schwäche für aufgeweckte Männer. Den kreativen Söhnen wiederum erging es wie dem Vater: Sie wurden von den ungeschlachten Frauen ignoriert, hatten aber Erfolg bei feinsinnigen Damen. Nach wenigen Generationen war eine Horde entstanden, die sich in puncto Intelligenz weit über die andere Primaten in der Savanne erhob: die Vorfahren des Homo sapiens.
Miller hält das Szenario für die Geburtsstunde der Menschen-Psyche. Geist, Verstand und Bewusstsein seien rein zufällig im Laufe der Evolution begünstigt worden: als "Maschine für die Brautwerbung". Von irgendeinem Tag in der Steinzeit an seien die weiblichen Ahnen mehr auf Kreativität geflogen denn auf schiere --- S.263 Potenz und tumbe Muskelkraft. Die neuen Vorlieben hätten jenes gewaltige Gehirnwachstum des Menschen bewirkt, das vor etwa 2,5 Millionen Jahren einsetzte.
"Alle Individuen, die ihre Fitness nicht durch ihr Balzverhalten zeigen konnten, wurden auch nicht als Sexualpartner erwählt", glaubt Miller. "Ihre kleinen, effizienten, gepanzerten, risikoscheuen, mutationssicheren Gehirne starben mit ihnen aus. An ihrer Stelle entstand unsere Art von Gehirn: riesig, kostspielig, verletzlich, offenherzig."
Folgt man Millers Logik, dann ist der Verstand des Mannes das Gegenstück zum Pfauenschwanz. Mit der farbenprächtigen Federschleppe signalisiert der Hahn, dass er gesund ist und über gutes Erbmaterial verfügt. Solch eine Funktion als Fitnessindikator schreibt Psychologe Miller nun auch dem männlichen Denkorgan zu. Wer in Gegenwart von Frauen Witz und Verstand spielen lässt, zeige, wie gut seine Gene funktionieren. Denn fast jedes zweite Gen arbeitet auch für das Gehirn.
Seine kühne These untermauert Miller unter anderem damit, dass Männer 90 Prozent aller Werke in Kunst, Musik und Literatur geschaffen haben. Sich selbst nimmt er nicht aus: Er habe seiner heutigen Frau den Kopf verdreht, als er vor einigen Jahren einen Vortrag in London hielt.
Wenn Miller nun seine Ideen in Buchform präsentiert, wird er mit ähnlich heftigen Reaktionen rechnen müssen, wie sie Thornhill und Palmer mit ihrer "Naturgeschichte der Vergewaltigung" provozierten. Denn die Rollenverteilung - hier der kreative Entertainer, dort die stumme --- S.264 Schöne - entspricht sehr konservativen Klischees.
Der Trost, den Miller den Frauen bietet, mutet geradezu zynisch an: Immerhin, erklärt der Psychologe, müssten Frauen auch über Grips verfügen, um die Galanterien der Schlaumänner überhaupt zu kapieren.
Selbst vielen Evolutionspsychologen gelten Millers Spekulationen als zu gewagt. Sie halten sich lieber an den Sexualakt selbst, um daraus Rückschlüsse auf das Geschlechterverhalten zu ziehen.
Vermutlich, so argumentieren die Forscher, hielten es die Hominiden-Frauen so, wie es heute noch die Schimpansenweibchen praktizieren: Sie ließen sich im Laufe eines Tages gleich von mehreren Männern begatten. In ihrer Gebärmutter schwammen dann Samenfäden, die bis zu drei Tage überleben, um die Wette. Dass sich der Homo sapiens, anders als Gorilla und Orang-Utan, durch vergleichsweise große Hoden und einen langen Penis auszeichnet, spricht für starke Spermien-Konkurrenz.
Dieses Vermächtnis der Evolution wirkt nach Ansicht der Forscher bis heute nach.
So sei die Spermienzahl im Ejakulat zweimal so hoch, wenn ein Mann längere Zeit von seiner Frau getrennt war. Unerheblich ist dabei, wann er zum letzten Mal einen Orgasmus hatte.
Auch Eifersucht kurbelt Studien zufolge die Produktion der Samenfäden an. Bei Männern, die an der Treue ihrer Frauen zweifelten, zählten Forscher eine höhere Spermiendichte. Sie deuten dieses Phänomen als evolutionäre Anpassung: Mit der erhöhten Produktion begegne ein Ehemann der Konkurrenz durch Spermien etwaiger Nebenbuhler. So versucht er zu vermeiden, die Höchststrafe der Evolution zu kassieren: dass seine Frau von einem anderen geschwängert wird, ohne dass er es merkt.
Um derlei Ängste zu besänftigen, versuchen Mütter schon unmittelbar nach der Geburt, Vatergefühle in ihren Männern zu wecken. Zu diesem Ergebnis kam Margo Wilson von der McMaster University im kanadischen Hamilton bei ihren Studien in Kreißsälen: Kaum war ein Baby geboren, beeilten sich nahezu alle Frauen, ihrem anwesenden Mann zu versichern, wie sehr das Kind ihm doch gleiche.
In zehn Prozent der Fälle stimmt das - genetisch gesehen - nicht. Das haben 16 Vaterschaftsstudien unter mehr als 10 000 Familien in Europa und den USA bewiesen. In manchen Gegenden Englands wird sogar jedes dritte Kind bei einem Seitensprung gezeugt. "Mama''s baby, papa''s maybe", lautet eine afrikanische Weisheit.
Zuverlässige Zahlen aus Deutschland gibt es kaum. Doch oft bestätigen sich die Befürchtungen von Männern, die heimlich Speichelproben ihrer Kinder an Genlabors schicken. Und auch Genetiker stoßen immer wieder auf Überraschungen, wenn sie Familien untersuchen: Jeder zehnte Test, so ihre Faustregel, entlarvt ein Kuckuckskind.
Diese Zahl zeigt, dass die uralte Sexual-Strategie der Frauen, sich mit mehr als einem Partner zu paaren, bis heute praktiziert wird. Bei einer Untersuchung in Wiener Diskotheken hat der Verhaltensforscher Grammer festgestellt, dass Frauen am ehesten an ihren fruchtbaren Tagen bereit sind fremdzugehen - "Gene-shopping" nennen die Wissenschaftler dieses Verhalten.
Um das Fremdgehen des Partners zu verhindern, habe die Evolution den Menschen mit einem "hyperempfindlichen Verteidigungssystem" ausgestattet, behauptet der Psychologe Buss: der Eifersucht. In seinem neuen Buch verhöhnt der Darwinist die Kulturwissenschaftler, die Eifersucht für ein "unreifes Gefühl, ein Anzeichen von Unsicherheit, Neurose oder fehlerhaftem Charakter" hielten**. Menschen ohne Eifersucht seien "nicht unsere Ahnen", sagt Buss. "Sie wurden von Rivalen, die leidenschaftliche Empfindlichkeit besaßen, im Staub der Evolution zurückgelassen. Wir alle kommen aus einer alten Linie von Vorfahren, die eine gefährliche Leidenschaft besaßen."
Die entlädt sich in roher Gewalt. So drosch im März ein 36 Jahre alter Mann in Mannheim mit einer Holzkeule auf den Freund seiner Ex-Frau ein. Als der Nebenbuhler sich verschanzte, zertrümmerte der Wüterich dessen Auto. Das Gebaren erinnere an "Rituale seiner Vorfahren aus grauer Vorzeit", heißt es im Polizeibericht.
Der Liebeszorn lässt Männer weitaus brutaler toben als Frauen. Jeder dritte Gewaltakt an Frauen wird vom Mann, Ex-Mann, vom Freund oder Ex-Freund begangen. Buss hat Menschen in Deutschland und fünf weiteren Ländern danach gefragt, was sie rasend macht. Frauen verzeihen demnach schon mal einen Seitensprung, reagieren aber sehr eifersüchtig bei der Vorstellung, ihr Partner habe sich in eine andere verliebt. Laut Buss spiegelt sich darin der Horror jeder Mutter wider, er könne sie mit den Kinder sitzen lassen.
Männer dagegen quält vor allem der Gedanke, ihre Frau probiere mit einem Liebhaber "verschiedene Stellungen aus, von denen er selbst nicht zu träumen wagte" (Buss) - Ausdruck männlicher Urangst, unwissentlich ein Kuckuckskind aufzuziehen. --- S.265
Eben dieses seit Urzeiten im Männerhirn verwurzelte Gefühl bemühen auch die beiden Provokateure Thornhill und Palmer, um die Vergewaltigung in der Ehe zu erklären: Wenn eine Frau mit ihrem Partner nur ungern oder selten schlafe, so nähre dies seine Phantasien, ein Fremder besame heimlich seine Frau: "Weil Männer sexuelle Unlust und Widerstand von Langzeitpartnern mit Untreue verbinden", könne das zu "Vergewaltigung als Spermienwettbewerbs-Taktik" führen.
Dabei allerdings, kritisiert die Hamburger Sexualwissenschaftlerin Hertha Richter-Appelt, leugneten die Autoren die Vielschichtigkeit der Wirklichkeit: "Die werfen alles in einen Topf."
In der Tat können sich Thornhill und Palmer nur auf wenige Fakten berufen, die ihre Hypothesen stützen. Und was sie an Beweisen präsentieren, erscheint vielfach dürftig:
* Sie behaupten, die meisten Vergewaltiger vergingen sich an geschlechtsreifen Frauen; denn das Verhalten des Täters diene - evolutionär betrachtet - immer dem Ziel, ein Kind zu zeugen. Doch die Zahlen, welche die Autoren selbst anführen, widersprechen dem: Mädchen, die elf Jahre oder jünger sind, werden statistisch doppelt so häufig vergewaltigt wie fortpflanzungsfähige Frauen.
* Eine amerikanische Erhebung aus dem Jahre 1998 lässt die Aussage des Buches noch fragwürdiger erscheinen: Jedes dritte der jährlich knapp 400 000 Opfer von Missbrauch ist demnach männlich.
* Laut Thornhill und Palmer leiden Frauen im gebärfähigen Alter seelisch stärker an den Folgen einer Vergewaltigung als junge Mädchen oder alte Frauen. Doch die dazu herangezogenen Quellen stützen diese Behauptung mitnichten, wie die Nachforschung zweier amerikanischer Experten ergab.
* Aus der in der Steinzeit geprägten Furcht, schwanger zu werden, wehren sich Frauen im gebärfähigen Alter den Autoren zufolge heftiger gegen den Vergewaltiger als Kinder und alte Frauen. Dass Letztere körperlich schwächer sind, ignorieren die Forscher schlichtweg.
Sogar ein Affe tritt als Kronzeuge auf. Ein Orang-Utan, so berichten die beiden Autoren, habe in einem indonesischen Urwald-Camp eine Menschenfrau vergewaltigt. Ihr Mann sei da überhaupt nicht eifersüchtig geworden: "Warum sollten meine Frau oder ich besorgt sein? Es war kein Mensch" - für Thornhill und Palmer eine Bestätigung ihrer These.
Dass Legenden aus dem Dschungel und Anekdoten über US-Präsidenten ihren Platz in der Evolutionsbiologie finden, offenbart eine der Schwächen dieser jungen Richtung: Zwar liefert sie viele plausible Erklärungen für menschliches Verhalten, doch oft entziehen diese sich eindeutigen Beweisen. Mit etwas Phantasie, so scheint es, lässt sich jedes Tun des Menschen als Anpassung der Evolution deuten: Ob kreativer Charmeur oder im Gegenteil rücksichtsloser Vergewaltiger - so oder so gehorcht der Mann dem Diktat seiner steinzeitlichen Gene.
Selbst die Tötung des eigenen Kindes - eigentlich ein dem evolutionären Daseinszweck gänzlich zuwiderlaufendes Verhalten - weiß die junge Garde der Darwinisten als angeborenes Verhaltensmuster zu beschreiben: Extremer Stress könne es aktivieren. Und wieder muss die steinzeitliche Erfahrung als Erklärung herhalten: Im Kindsmord trete die evolutionäre Erinnerung an schreckliche Dürreperioden zutage. Damals sei es immer noch besser gewesen, ein Kind zu opfern, als selbst zu verhungern.
"Jedwedes Verhalten und sein Gegenteil werden mit der evolutionären Auslese erklärt", spottet Claude Fischer, Soziologe der University of California in Berkeley, angesichts solcher Theorien.
Trotzdem wächst die Anhängerschaft der Evolutionspsychologen. Gerade in ihrer Vermessenheit scheint ihr Erfolgsrezept zu liegen. "Die Sozialwissenschaftler schwimmen in einem Meer der Theorien", erklärt der Wiener Grammer. "Die Evolutionspsychologie ist inzwischen diejenige Lehre, welche die meisten Phänomene erklären kann. Deshalb hat sie so einen enormen Zulauf."
Während in der traditionellen Seelenkunde mehr als 600 Therapieschulen im Zwist miteinander liegen, liefern die neuen Biopsychologen den Menschen einfache Antworten auf komplexe Fragen - die Evolution wird zum Sinnstifter.
Aufgrund dieser Macht vergleicht der Philosoph Daniel Dennett den Darwinismus mit einer "Universalsäure". Die habe "sich viel tiefer in unsere grundlegendsten Überzeugungen hineingefressen", als es den Menschen bewusst sei. JÖRG BLECH
Dann ist es doch auch ok....
wenn eine Frau nach dem Akt seinen Partner danach tötet und frisst, wie die Gottesanbeterin.
Wir kämen zum Nachwuchs und hätten manchen Stress vom Hals ;-) .
Ich konnte auch Zeitgründen nicht bis zum Ende lesen, aber was ich gelesen habe ist der Hammer. Und die Frau die ihm ins Gesicht gespukt hat verstehe ich.
Einen schönen 3. Advent mit unseren Wilden Neandertalern zu Hause.
VG Tanja GRimm
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