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Gibt es doch "zuviel" Lob?!

Hallo!
Besser konnte ich den Betreff irgendwie nicht formulieren.
Es geht um folgendes, das ich mal zur Diskussion stellen möchte.
Seit ich hier bei Qualimedic lese, hab ich schon viele Denkanstösse und Anregungen bekommen, die ich auch teilweise hier zuhause umsetze.
U. a. ging es auch mal um "Erziehung". Ich weiss, ein unendliches (und unendlich schwieriges) Thema.
Ich habe versucht nach dem Grundsatz zu handeln, "Unerwünschtes Verhalten Ignorieren, Gewünschtes Verhalten Loben" (Na so oder so ähnlich).
Es erschien mir logisch.
Auch hab ich immer versucht, Verneinungen zu vermeiden. Z.B. Setz Dich NICHT auf den Tisch, sondern: Setzt Dich bitte auf den Stuhl.
Alles in Allem muss ich nach den über drei Jahren jetzt sagen, war unsere Erziehung bisher relativ "erfolgreich". Wir haben ein meist hörendes, höfliches Kind. Natürlich nicht immer, aber das ist schon ok!
Wollte nur veranschaulichen, dass sie wirklich "gut gelungen" ist und man sie überall problemlos mit hinnehmen kann.
(Ist schwierig zu beschreiben, ich denke aber, Ihr versteht hoffentlich was ich meine?!)
Na ja, jetzt zu meinem "Problem".
Meine Tochter verlangt ständig (wirklich ständig!) von mir Lob und Anerkennung!
Selbst wenn Sie das Puzzle zum 100. Mal gemacht hat, kommt immer :"Mama kuck mal!"
Von mir kommt dann ein mittlerweile eher halbherziges: Ja super. o.Ä.
Das geht den ganzen Tag so und wirklich bei jeder Kleinigkeit.
Manchmal ist es sogar so, dass sie sagt: "Mama kuck mal, was ich schon kann " Wenn ich dann schaue, denkt sie sich in dem Moment irgendwas aus (z.B. einmal hochhüpfen) und wartet dann auf meine Bestätigung.
Ich merke, dass ich selbst total genervt bin von dieser Art.
Natürlich lobe ich sie gerne, aber doch nicht für´s Zähneputzen etc.ö
Ich habe auch schon versucht ihr zu erklären, dass sie doch z.B. schaukelt,weil es IHR Spass macht und nicht, weil ich sie dann lobe.
Aber ich denke, diese Thematik ist noch zu komplex, als dass sie sie richtig "verstehen" kann.
MIr ist auch klar, dass es oft der Versuch ist meine Aufmerksamkeit zu bekommen, aber ich bedauer es auch, dass dieses "Loben" von mir nicht mehr vollsten Herzens kommt, sondern zur Gewohnheit verkommen ist.
Jetzt frage ich mich natürlich woran das alles liegt!
Ist es generell so, dass es zu einer "Lobgewöhnung" bzw. "Lobabhängigkeit" kommt oder liegt das an mir oder an uns?
Wie ist es bei Euch?
Tun Eure
Bisherige Antworten

...hier geht´s weiter...

Hab grad unsern Kleinen auf dem Schoss, der hat dann schon mal absenden angeklickt....
Also, was ich fragen wollte:
Tun Eure auch mal "was für sich" oder auch immer nur für Mama oder Papa.
Ich weiss nicht, wie ich da wieder rauskommen soll. Schliesslich fordert sie ja ständig meine Bestätigung, da kann ich schlecht gar nicht drauf reagieren.
Ich will sie ja auch weiterhin loben, aber auch für Dinge die es wert sind. Weil sie irgendwie besonders sind. Oder weil sie sich angestrengd hat oder so.
Ich hoffe, ich hab mich verständlich ausgedrückt?
Will jetzt auch keine Patentlösung sondern nur mal Eure Erfahrungen und Ansichten.
Würde gern noch ausführlicher schreiben, aber der Kleine wird jetzt doch langsam quengelig!
LG
katrin & co

Gibt es doch "zuviel" Lob?!

Hallo Katrin,
meine Meinung dazu: Liebe, Wertschätzung und Ermunterung kann es nie zuviel geben, Lob schon.
Du beschreibst das Thema ja selber: Das Problem beim Loben ist, dass sich der Focus verschiebt. Die Kommunikation hat nicht mehr die Sache an sich, das Tun und Sinnerleben des Kindes, zum Inhalt, sondern Wie-findest-Du-was-ich-mache. Im ungünstigsten Fall kann es dadurch zu einer Motivationsverschiebung kommen, von der intrinsischen zur extrinsischen Motivation, d.h. das Kind macht die Sache nicht mehr, um Effekt zu erzielen, die mit diesem Tun selber zu tun haben (beispielsweise beim Puzzle: Ich kann mir das Bild dann vollständig anschauen), sondern um einen Effekt von außen zu erzielen, z.B. eine Mutter zu erleben, deren Gesicht strahlt, liebevolle, anerkennende Kommunikation mit der Mutter oder auch (Extrembeispiel) Geschenke und andere Belohungen.
Unterm Strich können die Kinder dadurch abhängiger von der Meinung und Anerkennung anderer werden (mit allen unangenehmen Extremvarianten), und dabei ist es doch vor allem wichtig, dass sie Sinn in ihrem Tun erleben, die Dinge tun, weil sie selbst sie interessant finden und ihr Spiel nicht als "Währung" einsetzen, um sich Liebe und Zuwendung zu sichern.
Eltern, die viel loben, sind bestimmt sehr liebevolle Eltern, die ihrem Kind viel Aufmerksamkeit schenken (was Kinder auch existenziell brauchen!) und es durchs Loben ermuntern wollen und ihm ein gutes Gefühl geben wollen. Doch Du beschreibst ja nun selber, dass Du die Situation, wenn Deine Tochter dieses Verhalten von Dir ständig einfordert, - nachvollziehbarerweise - nervend empfindest. Mich würde das auch sehr nerven. Kein Wunder, wenn man dann halb-willig mitmacht, sich dabei aber irgendwann als unauthentisch empfindet und sich in der Situation selber nicht recht leiden kann.
Mein Mann und ich sind durch die Beschäftigung mit humanistischen Ansätzen der Psychologie bzw. Pädagogik recht frühzeitig für das Thema sensibilisiert worden und leben hier Kommunikationsweisen, die weitgehend ohne Lob hervorragend funktionieren. Ich empfehle dazu die Lektüre von zwei Büchern: "Familienkonferenz" von Gordon und "Smart Love" von Pieper/Heinemann Pieber.
Uns ist es nicht egal, wenn unser Kind etwas tut, das ihm besondere Freude macht, das ihm besonders gut gelungen ist, das neu für das Kind ist oder das sogar besonders schwierig war. Ich selber lobe auch, aber nur in etwa folgenden Ausnahmefällen: Wenn das Kind etwas gemacht hat, was ich nicht selbstverständlich von ihm erwarten konnte, etwa eine Hilfeleistung für mich (da steht aber dann der Dank im Vordergrund und die Beschreibung, warum das für mich jetzt ganz toll ist, diese Hilfe bekommen zu haben) oder eine Handlung, die dem Kind gerade besonders schwer fällt (etwa eine Spritze bekommen und es sich einigermaßen gefallen lassen, kurz mal alleine in der Wohnung warten, weil ich von einem Lieferanten ins EG gerufen wurde, oder trotz Müdigkeit in den 5. Stock rauflaufen).
In allen anderen Fällen gebe ich Rückmeldungen, in denen in etwa folgende Inhalte mit drin sind: Ich habe gesehen, was Du da machst, das interessiert mich - Beschreibung dessen, was das Kind da gemacht hat - Beschreibung, wie es das gemacht hat - Beschreibung des Ergebnisses - eventuell Fragen zum Weg oder Ergebnis. Beispiel: "Du hast jetzt ganz lange gebaut und auch zwischendurch die obere Etage noch einmal verändert. Jetzt hast du eine große Parkgarage." Dann erzählt er mir meistens irgendetwas, das für ihn an dem Prozess wichtig war. Sollte es stocken, könnte ich dann sagen: "Da können jetzt welche reinfahren?" Er wird mir dann erzählen, wer da reinfahren darf oder wer reinfahren darf und wer nicht, oder dass ich alles nicht kapiert habe, und da auf keinen Fall einer reinfahren darf. Das Kind beschäftigt sich dann mit seinem Tun und erlebt, dass es in seinem Tun wahrgenommen wird. Mit diesem "Aktiven Zuhören" kommen wir weiter als mit einem "Toll!". Natürlich gibt es bei uns auch immer wieder mal ein "Guck mal!", und das darf es ja auch. Doch erlebe ich meinen Sohn als sehr autonom in seinem Tun und sehr unabhängig von Lob. Ich erlebe auch, dass - z.B. bei Besuch - bei Lob in der Kommunikation auch nichts viel weiter herauskommt.
Wir haben ein Negativbeispiel im Bekanntenkreis, da werden die Kinder den ganzen Tag gelobt, zusätzlich noch vor Dritten ständig vorgeführt: "Schau mal, die M. kann jetzt schon ein Puzzle mit xyz Teilen, M., hol mal Dein Puzzle..." M. sagt tatsächlich ständig "Schau mal, was ich kann!" und erfüllt eher Vorgaben, als dass sie ihre Dinge selber entdeckt. Wenn sie nicht die gewohnte Aufmerksamkeit bekommt, wird sie aggressiv. Ich beschreibe dieses Beispiel nur, um zu zeigen, wie es im Extremfall ausgehen kann. Ich habe nämlich den Eindruck, dass es für alle Beteiligten suboptimal ist.
Überlege doch mal, ob Du Interesse daran hast, andere Kommunikationsformen auszuprobieren. Deine Tochter wird möglicherweise erst einmal überrascht sein, aber ich vermute, Ihr werdet bald auf eine fruchtbarere Gesprächsebene kommen, mit der Ihr vielleicht beide zufriedener seid. Diese Art der Kommunikation führt auch dazu, dass man sich qualitativ intensiver mit dem Kind beschäftigt. Solltet Ihr das ausprobieren, würde mich interessieren, wie sich die Verhaltensmuster in ein paar Wochen darstellen.
Liebe Grüße
Tini

Gibt es doch "zuviel" Lob?!

Hallo Tini,
das sind sehr gute Tips. Ich hatte davon schon mal gelesen/gehört, aber es war wieder in Vergessenheit geraten. Ich möchte mal versuchen das anzuwenden. Es klingt ziemlich logisch!
Danke und LG Nicole

Gibt es doch "zuviel" Lob?!

...zusätzlich noch zu bedenken.
Gelobt wird in der Regel eine positive Leistung die nicht selbstverständlich ist. Wer sein Kind für jeden "Mist" lobt, gibt ihm damit indirekt zu verstehen das man ihm so gut wie gar nichts zutrauen würde.
Wie würde sich ein Erwachsener fühlen wenn man ihm jeden Morgen sagen würde "Toll, Du kannst Dir schon die Schuhe alleine zubinden. Das hast Du aber gut gemacht.". Wahrscheinliche Reaktion:
a) Macht sich über mich lustig
b) hält mich für blöd
Ich lobe schon. Eine positive Rückmeldung für eine Leistung zu bekommen kann ja auch ermutigen. Und wir sind ja alle soziale Wesen. Nur für sich selbst und aus sich selbst heraus macht man ja dann doch eher wenig. Aber... wie alles im Leben sollte das sinnvolle Grenzen haben.
LG Sabine

Gibt es doch "zuviel" Lob?!

Hallo Katrin!
Also meiner Meinung nach gibt es auch ein ZUVIEL an Lob. Ich hab mal etwas von "extrinsischer" (von außen) und "intrinsischer" (von innen kommend) Motivation gelernt (ist allerdings ewig her, mal sehen, was mir dazu noch einfällt). Ich denke, Kinder sollen sehr wohl aus eigenem Antrieb Dinge machen, weil sie für sich selber den Nutzen, das Angenehme, den Vorteil, den Spaß oder was auch immer hinter der Sache sehen sollen. Wenn immer gelobt wird und sie Dinge nur für andere (oder für den Lob von anderen) tun, werden sie - glaube ich - irgendwann mal darauf angewiesen (abhängig) sein, immer und überall gelobt zu werden...und wenn das mal nicht passiert - und das ist leider in unserer Leistungsgesellschaft sehr früh so - kann sie das in ein Loch reißen. Abgesehen davon, dass sie die wahren Hintergründe vielleicht gar nicht sehen können.
Ich habe es bei meinen Kindern so gehandhabt, dass ich bei wirklich überragenden Leistungen oder bei Dingen, auf die wir schon sehr lange gewartet haben (z.b. das erste große Geschäft am Klo) wirklich von Herzen gelobt habe...vielleicht auch noch beim nächsten Mal, aber ich war nie eine, die ständig applaudiert und "bravo" ruft. Oskar zb. wäre auch nie für mein Lob aufs Klo gegangen, der hat einzig und allein den Nutzen und die Annehmlichkeiten für sich selber erkannt und es dann eben gemacht. Ich glaube, die Kinder können schon auch unterscheiden, ob von Herzen gelobt wird oder einfach schon weil es eben so üblich ist.
An deiner Stelle würde ich so vorgehen: ich würde bei Leistungen, die nicht mehr außergewöhnlich, besonders oder neu sind ihr klar erklären, dass das ja schon nichts Neues mehr ist und sie das doch schon lange kann. Ich würde sie dafür dezitiert nicht loben. Man kann das ja auch lieb verpacken (fest knuffeln und sagen "Spätzchen, dass kannst du doch schon sooo lange"). Und dafür würde ich bei Neuigkeiten wirklich erkennbar von ganzem Herzen mich freuen (wenn du schreibst, dass es sonst schon manchmal nur halbherzig ist sollte sie den Unterschied ja merken). Also einfach mal ein bisschen mit Lob sparen.
Extrinsische Motivation ist ja auch wenn man jemanden mit einem Geschenk (Süßem oder so) motiviert, irgendetwas zu tun. Da ist die Lob-Methode meiner Meinung nach noch die harmlosere Alternative.
Ok, das waren nur meine laienhaften Gedanken dazu (mit ein paar Bruchstücken aus meiner Schulzeit)...mal sehen, was andere so meinen.
LG Uschi

Gibt es doch "zuviel" Lob?!

Hallo Uschi, da haben wir ja gleichzeitig recht Ähnliches geschrieben. Wobei ich denke, dass es überflüssig ist, einem Kind zu erklären, warum man es gerade nicht lobt, wenn man ihm stattdessen ein gleich- oder höherwertiges Äquivalent in der Kommunikation anbietet. Liebe Grüße, Tini

Gibt es doch "zuviel" Lob?!

Hallo Tini! Da freu ich mich aber, dass ich mir da tatsächlich etwas fürs Leben gemerkt zu haben scheine.
Dein Alternativverhalten zum Loben ist natürlich super und präzise ausformuliert...ich würde nun auch nicht immer erklären, warum man nicht lobt, vielleicht beim ersten Mal, aber natürlich ist es schöner, dann über die Sache selbst zu sprechen....kann aber ein bisschen Übung brauchen, bis man das verinnerlicht hat und da find ichs ganz ok, wenn man die "Lobsituation" ein bisschen mit dem Schmäh (auf gut wienerisch) packt.
LG Uschi

"Sammelantwort"

Hallo! Leider kann ich nur kurz und nicht zu jeder einzeln was schreiben, denn mein Kleiner ist krank (daher war er auch gestern wohl schon so quengelig!)
Erstmal Danke für Eure ausführlichen Antworten.
Natürlich ist mir die Problematik ja schon bewusst und ich versuche auch schon, das Loben zu "umgehen". Z.B. wenn sie mit einem Bild kommt, sage ich nicht pauschal "Oh wie schön", sondern versuche es zu beschreiben und zu ergründen, warum sie jetzt gerade diese Farbe genommen hat o.Ä.
Leider bemerke ich halt doch oft, dass mir nur ein "Toll." oder "Super" rausrutscht. Da muss ich aber echt mal dran arbeiten.
Heut morgen gab es aber wieder mal eine typische Situation.
"Mama, kuck mal, ich kann schon Seitgalopp" und sie machte tatsächlich Seitgalopp.
Bisher wusste ich wirklich nicht, dass sie das schon kann.
Was sag ich denn in solchen Situationen? Ich kann ja dann schlecht anfangen zu beschreiben. "Ja, du hüpfst jetzt seitwärts."
Da kann mal halt schlecht viel beschreiben und analysieren.
Hach menno, ist echt schwer. (Vor allem, das hier verständlich rüberzubringen!)
Abschliessend ist zu sagen, dass wir wahrscheinlich schon ziemlich tief in dieser "Spirale" drinstecken und sie mittlerweile wirklich schon immer Bestätigung und Anerkennung von Aussen braucht.
Sie macht ja Dinge teilweise nur, damit sie Lob bekommt.
Ich denke, das liegt sicher auch daran, dass sie ja jetzt auch ihren kleinen Bruder hat, der natürlich einen Großteil meiner Aufmerksamkeit bekommt.
Sie muss sich natürlich auch erst in dieser neuen Familiensituation einleben und damit zurechtkommen nicht mehr immer an erster Stelle zu stehen.
Dies kann ich auch daran merken, dass sie viel viel "kuscheliger" ist und auch oft Schmusen mit mir einfordert.
Muss leider aufhören, Sohni ist wieder wach!
LG
katrin

"Sammelantwort"

Hi Katrin,
meine erstgeborene Tochter hat auch nun seit einem Jahr eine kleine Schwester und ich glaube, dass du den Grund eures "Problems" schon ganz gut triffst: für die älteren Geschwister ist es einfach hart, plötzlich Konkurrenz zu haben. Die Aufmerksamkeit der Mutter ist nunmal sehr oft beim Baby, man muss dauernd wickeln, stillen, man macht es sich gemütlich zum Vorlesen und schon kräht der kleine Konkurrent wieder....das was du beschreibst ist sicher in erster Linie eine Reaktion darauf (auch meine Tochter ist z.b. ein viel kuscheligeres Kind geworden, als sie als Einzelkind je war) und nicht das Ergebnis "falscher" Erziehung. Ganz wichtig ist wie in den anderen Beiträgen schon gesagt, dass du deiner Tochter Aufmerksamkeit geben kannst, d.h. auf ihre Leistungen wie gemalte Bilder oder sportliche Aktivitäten mit echtem Interesse und Rückfragen reagieren und eben nicht mit einem lapidaren "ja, toll". Wahrscheinlich ist schon viel gewonnen, wenn du versuchst, mehr Zeit auch nur mit ihr zu haben und ihren Aktivitäten eben möglichst viel Interesse entgegen zu bringen.
Von den Lob-Entzugs-Theorien halte ich nichts. Dein Kind reagiert aus einer akuten Situation heraus mit dem Bedürfnis nach Lob, Anerkennung und Aufmerksamkeit. Für mich ist dieses "ich beschreibe jetzt mal, was du gerade machst" total kopfgesteuert und kalt - und es kommt mir vor als ob man mit einem leicht beschränkten Gesprächspartner kommunizieren würde... Wie du in deinem Seitgalopp-Beispiel beschreibst - es ist absurd, auf so eine neue Fähigkeit mit einem Kopfnicken und dem Satz "ich sehe, du kannst jetzt seitwärts hüpfen" zu reagieren. Jeder Mensch möchte auch mal - nicht ständig, aber ab und an - gelobt werden. Das heißt du als Mutter sprichst explizit aus, dass du als Person wahrnimmst, was das Kind kann und dass du als Person es klasse, toll, begeisternd findest.
Die Theorie des Nicht-Lobens besagt, dass das Kind dann immer intrinsisch motiviert bleibt und nicht vom äußeren Lob abhängig ist. Aber kein Mensch macht alles andauernd nur, weil er etwas selbst machen möchte und sich selbst genug ist. Jede Mutter, die ihre Wohnung dekoriert macht das nur für sich selbst? Oder bäckt einen Kuchen oder Plätzchen nur für sich selbst? Und findet es verzichtbar, dass von der Familie Feedback kommt? Verwunderlich nur, dass in der Weihnachtszeit ein Posting das andere jagt mit der Präsentation des Geleisteten - warum nur? Klar will man gerne ein "toll gemacht" hören (oder etwa ein "wie ich sehe, hast du blaue und goldene Kugeln verwendet")....
Ich kenne einige Leute, die mit angeknackstem Selbstbewusstsein durch die Gegend laufen und von einigen habe ich immer wieder den Satz gehört "ich konnte es meinen Eltern nie Recht machen", "nie war ich gut genug" - das ist wohl das Ende vom Lied, wenn man nie gelobt wird. Ich würde also nicht übertreiben und nicht mehr loben, wohl aber deiner Tochter mehr zugewandte Aufmerksamkeit geben, ihr echtes Interesse zeigen (dafür sind die genannten Rückfragen an das Kind gut) und sie für Dinge wie den Seitgalopp natürlich loben! Dass sie scheinbar nach Lob giert ist nur ihr bescheidenes Mittel, deine Aufmerksamkeit bekommen zu wollen. Sobald sie davon (wieder) genug bekommt, hört das penetrante Einfordern von Lob/ "guck mal" auch wieder auf!
Aus meiner Berufserfahrung heraus kann ich auch noch berichten, dass einer meiner Chefs sensationelle Erfolge eingefahren hat - er war ein total sonniger Typ, der mit Lob überhaupt nicht gespart hat - an diesem Beispiel ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass generell extrem wenig Lob formuliert wird, was oft negative Auswirkungen im Berufsalltag hat - zu loben scheint sogar schwieriger über die Lippen zu kommen als zu tadeln und vor dem Hintergrund halte ich Erziehungsstrategien, die diesem sowieso - zumindest bei Erwachsenen untereinander - nicht übermäßig ausgeprägtem natürlichen Impuls eine kopfgesteuerte Kontrolle entgegen setzen für noch fragwürdiger.
LG Annalisa

"Sammelantwort"

Hallo Annalisa,
leider komme ich aufgrund einer MOE (meinerseits) erst heute dazu Dir zu antworten, bzw. mich für die ausführliche Antwort zu bedanken.
Ehrlichgesagt hat mir Deine Meinung zu dem Thema am Besten "gefallen", denn es ist genauso wie Du schreibst: Auch wir wünschen uns Lob und Anerkennung und nicht ein pures "Reflektieren" des Geleisteten.
Gut gefällt mir Dein Beispiel mit den blauen und goldenen Kugeln ;>)
Es ist auch so, daß ich selber von meinen Eltern sehr selten, eigentlich nie explizit gelobt wurde.
Ich war z.B. immer gut- sehr gut in der Schule, aber wenn ich z.B. mit einer 2+ nach Hause kam wurde ich gefragt, warum es denn keine 1 sei.
Daran kann ich mich auch heute noch sehr gut erinnern und ich weiss auch noch, wie enttäuschend und v.A. demotivierend so etwas sein kann.
Ich lobe meine Tochter gerne. Allerdings würde ich das Ganze gerne wieder auf ein "normales" Mass runterschrauben. Ich muss an mir arbeiten und versuchen Sätze wie "Ja toll" o.Ä. zu vermeiden und grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit zu investieren. Auch wenn dies mit 6-monatigem Stillkind extrem schwierig ist.
Ich habe auch schon mit meinem Mann darüber gesprochen, denn auch er wird natürlich ständig zu Belobigungen aufgefordert.
Erst wenn man mal darauf achtet (so wie wir es momentan verstärkt tun) fällt einem erst auf, wie oft man solche Sätze wie "Ja super" verwendet.
Erziehung ist wirklich jeden Tag eine neue Herausforderung und ich fühle mich manchmal total überfordert damit.
Das Problem an der Sache ist einfach, daß man alles ganz perfekt machen möchte, damit aus unsern Kindern irgendwann glückliche "gelungene" Erwachsene werden.
Leider weiss man nicht so genau, was das Richtige und was das Falsche ist und wenn man denkt, man tut das Richtige und es war aber doch das Falsche merkt man das vielleicht erst in ein paar Jahren oder Jahrzehnten.
So, jetzt werd ich mich mal wieder in mein Bett verkriechen.
LG
katrin

Gibt es doch "zuviel" Lob?!

Liebe Katrin
Es gibt ein sehr gutes und sehr praktisches Buch, das unter anderem auch zu diesem Thema ein Kapitel beinhaltet. Unten habe ich Dir eine Zusammenfassung hineinkopiert.
Viele Grüsse,
Fabienne
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Unselbständige Kinder sind unzufriedene Kinder. Aus lauter Langeweile neigen sie dazu, ihre Eltern und Erzieher zu tyrannisieren. Sie sind aufsässig und wenden alle kindlichen Tricks an, damit sich die Erwachsenen mit ihnen beschäftigen.
Kinder, die mit ruhiger Standhaftigkeit zur Selbständigkeit angeleitet werden, müssen solche Tricks nicht anwenden: Ihr Tag ist ausgefüllt. Aus diesem Grund spielen selbständige Kinder auch weitaus besser und konzentrierter.
Anhand von zahlreichen Beispielen und Dialogen zwischen Erwachsenen und Kindern zeigt Ihnen Heidi Maier-Hauser in ihrem Buch auf, wie man auf unnötiges Eingreifen verzichtet und dennoch Grenzen setzt, welche die Autonomie und die Eigenverantwortung von Kindern (und Erwachsenen!) stärken.
Das Buch richtet sich an alle Eltern, die innehalten und prüfen möchten, ob sie bei ihrer Aufgabe, die Kinder zu begleiten, auf dem richtigen Weg sind. Die meisten Anregungen sind für Kinder bis zum Alter von zehn Jahren gedacht. Sie lassen sich jedoch weit über dieses Alter hinaus anwenden - vielfach auch im Umgang mit Erwachsenen.
Aus dem Inhalt:
Selbständige Kinder sind glücklicher
Wie interessiere ich mein Kind für neue alltägliche Verrichtungen
Kinder brauchen Ermutigung
Grenzen
Die Strafe
Die sich von selbst ergebene Folge kindlichen Verhaltens
Handeln statt endlos hin und her zu argumentieren
Es ist der Ton, der die Musik macht
Den Kindern ihr Schlupfloch lassen
Drohen
Sollen wir unser Kind belohnen?
Der Durchbruch zu einem standhafteren Erziehungsstil
Das Trotzalter
Die Angst unserer Kinder
Wie man hilfreich zuhört
Müssen wir uns mit Haut und Haar für unsere Kinder aufgeben?
Elternsein ist eine Gratwanderung.
Heidi Maier-Hauser
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Beltz Taschenbuch 816
196 Seiten, CHF 23.70
ISBN 3 407 228163
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