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Die Verbschiedung - meine Eindrücke

Die Verabschiedung
Von Heli, Thimo Paul Leon und Valentina Fini…
Ich beginne von vorne, um Punkt 15 Uhr war ich gestern am Friedhof von Gleisdorf, es waren viele Menschen gekommen, und noch viel mehr kamen noch dazu. Ich denke wohl an die tausend Menschen - alte, junge- Kinder, nahmen unter Tränen Abschied von den Dreien.
Ich traf rasch gute alte Bekannte, durch die Menge wurden wir wieder getrennt - war ja egal, alle die hier waren, waren aus denselben Beweggründen da. Noch nie hatte ich mit so vielen Menschen etwas gemeinsam.
Ich sah ab und an Barbara oder ihren Vater am Rednerpult, ich sah in der linken hinten Ecke die Cliniclowns, manche standen auch unter den Leuten. Die Clowns waren im Kostüm und geschminkt - aber die viele Schminke und auch das "gelernte" Verhalten, des "nicht-Schmerz-zeigens", konnte die Trauer und den übergroßen Schmerz den sie empfanden verbergen. Die Feier war einzigartig- von einer Art- wie man sie nie vorher und wahrscheinlich auch nie wieder erleben wird. Der Schmerz war allgegenwärtig, aber er war zugedeckt mit einer Form von einer fröhlichen Wehmut. Barbara spielte das Lieblingslied von den dreien, ein Lied von Bruce Springsteen, mit dem Refrain…old man sukker… ich muss es mir raussuchen, es ist ein wunderbaren Lied - voller Leben und Freude. Ich klatsche und wippte mit geschlossenen Augen mit - so sah ich Heli vor mir, im Bus fahrend, die Kinder kreischend vor Freude - sie flippten alle drei zu dem Song - der immer lauter in meinem Kopf wurde, ich sah den Zug zur linken…nahm ihn nicht als solchen wahr. Er kam im Takt der Musik und plötzlich war ich wieder da. Riß die Augen auf, und sah die Leute rundum mich an. Ich konnte die Tränen kaum noch zurückhalten, aber es gelang mir. Der Vater von Barbara erzählte Thimos Lieblingsgeschichte von einem Basilisken…. Irgendein Fabelwesen, das von einer Kröte aufgezogen wurde und Gestank verbreitete…. Ich war sehr weggetreten, wohl aus Schutz. Ich zitterte. Dann sprach glaub ich ein Pfarrer, ich hörte die Leute beten. Ich bete nicht mehr…zu oft hab ich umsonst gebetet. Auch für Thimo und Fini. Ich hätte auch keinen Ton herausgebracht. Dann bat Barbara die Clowns mit ihr gemeinsam das Lieblingslied von Fini zu singen. Das PipiLangstrumpflied - und sie sang - sie sang um ihr Leben. Voller Kraft - so klar und so laut. Ich war überwältigt. Ich konnte gar nicht weinen, ich war völlig gefangen in dieser Aura voller Energie und Liebe die zu spüren war. Die Abschließende Rede oder so…hab ich kaum mitbekommen. Ich kämpfte einerseits um Fassung- andererseits mit meinem Kreislauf. Wir war schlecht. Ich dachte ich breche unter dem Schmerz zusammen. Ich bekam noch so halb die Wegbeschreibung zu ihrem Haus mit. Und dass sie einen Witz machte…ob wohl alle schon ihre Blumen geworfen hätten…. Ich krampfte meine Hand zusammen…nein ich hatte das noch nicht. Ich hielt noch die rosa mehrblütige Rose mit dem rosa Bärchen drauf, die gelbe gefüllte Gerbera mit dem blauen Bärchen und die rote Gerbera mit der Clownnase drauf. Besorgt schaute ich meine Blumen an, sie hatten schon gelitten unter dem Gedränge. Ich weinte - um die Blumen. Um die drei, ich weiß es nicht. Ich konnte mich wieder beherrschen. Es kam Bewegung in die Trauernden, man konnte sich endlich verabschieden. Es ging langsam vorwärts, als ich einmal aufsah- sah ich in das Gesicht von Barbara. Ich schaute sie an und sagte…weißt du noch wer ich bin. Sie sagte: ich kenne alle hier- auch dich, um wir drückten uns. Ich brachte nicht mehr viel sinn-volles heraus - versprach ihr auch zum Haus zu kommen und löste mich aus der Umarmung. Es dauerte lange - es kam mir ewig vor bis ich endlich vor den Särgen stand. In der Mitte lag Heli auf seinem Sarg stand "Waldemars Kiste"…das war sein absolutes Lieblingsstück- wie oft haben wir es gesehen. Rechts war Thimos Sarg, schon weit kleiner als Helis. Links lag Fini. Ein sehr kleiner Sarg. Helis Sarg war aus hellem Holz die Kindersärge - denke ich waren weiß. Ich bin mir gar nicht sicher. Vor jedem Sarg war eine Fotocollage. Viele Bilder in einem. Sehr ausdrucksstark - so glückliche Kinder, so ein stolzer glücklicher Vater und ab und zu ein Bild mit Barbara - strahlend und zufrieden. Zitternd legte ich meine Blumen ab, drapierte die Bärchen ordentlich und konnte kaum weggehen, so zitterten meine Beine.
Ich ging hinaus…. Draussen holte ich Luft, die ganze Zeit über hatte ich schon die Trommeln und die Trompeten der Clowns gehört, die ein ziemlich monotones aber beruhigendes und doch lebendiges Lied sangen. Viele Sangen mit. Ich hörte nur zu. Ich sah mir die Leute an, ich sah viele Bürger aus Marein, viele Gesichter die ich kannte aber nicht zuordnen konnte. Und ich sah Leute….die so aussahen, wie man sich die Hippies vorstellt- Flower-Power am Friedhof. Typen aus irgendeiner Künstler oder Spielpädagogengruppe. Keine Ahnung. Ich dachte bei mir, was tun diese Leute ihren Kindern an. Die werden gemobbt in der Schule, die werden ausgelacht. Nur weil die Eltern auf einem Trip ins "nichtmehrdaLand" sind. Ich erkannte Evelyn, die zweite Betreuerin und auch Spielpädagogin von Aron- meinem autistischen Klienten. Ich dachte wieder…. Ich bin auch Pädagoge, ich liebe diese Arbeit - doch ich bin nicht so wie die. Auf dem Hippietrip bin ich defintiv nicht. Ich bin die, die auch hilft und da ist, aber nicht die breite masse vor dem kopf stößt, allein schon mit mottenzerfressenen outfits. Ich bin Intergrationspädagogin, Erziehungswissenschafter ich schreibe… ich tobe und singe nicht mit Behinderten Kindern. Und ich verkaufe mich nicht unter meinem Wert - ich fühlte mich stark deplaziert.
Eine gute Bekannte riß mich aus meinen Gedanken, sie fragte mich, wo ich den sei ;-)… wir sprachen über dies und das, dann traf ich andere, wir sprachen wieder, und ich traf wieder andere… die Feier wurde zum Ort der Begegnung- Seidendrachen - wie Windsäcke tanzten zur Musik der Clowns, immer wieder sah ich Barbara. Ein Schatten ihrerselbst , dennoch stark und sicher. Ihre Augen hatten keinen Glanz, stumpf und gebrochen schauten sie angstvoll in die Welt. Sie ist so zerbrechlich - man sieht es ihr an, sie zerbricht. Ich möchte hingehen sie drücken, am liebsten einpacken und mitnehmen, weg von hier, weg von den komischen lachenden Gestalten. Ich gehe nicht hin, es ist ihre Welt, sie ist ebenso Künstlerin.
Sehr spät und allein fahre ich zu ihrem Haus. Ich kann es fast nicht finden. Suche lange in der Gegend rum. Endlich, viele Autos am Rand eines Weges…. Ich frage ein junges Mädchen, wo ist Barbaras Haus?...sie sagt na das da.
Ich schaue, ein kleines sehr altes, Haus, die Fenster sind morsch und alt. Das Gartentor ist aus hellem Holz, der Riegel ist außen, sodass Fini nicht von innen rauskann. Ich parke mich am Ende der langen Autoschlange ein. Der kleine Fußmarsch tut mir gut - ich bekomme wieder Luft. Sehr angespannt trete ich durch das hölzerne Gartentor. Viele Menschen wohl 150 - wenn nicht mehr sind im Garten, der leicht abfällt. Unten einen Schuppen hat. Es brennen Feuer, die Leute sitzen auf Bänken essen, lachen, tratschen und sind fröhlich. Mir wird schlecht. Ich kann das nicht. Ich wandle mehr durch die Leute als ich gehe, ganz auf Barbara fixiert. Ich bin nur hier, weil ich es versprochen habe. Und ich habe noch etwas für sie. Ich hab Geschichten aufgeschrieben, Erlebnisse mit Heli, und Thimo…Fini kannte ich nicht wirklich. Und ich hab ihr einen persönlichen Brief geschrieben und es wurden fast 15 Seiten, von Reaktionen auf ihren Text. Die hab ich auf bunte Blätter gedruckt- alles verschiedene Farben. Das habe ich aufgerollt, so dass es auf einer Seite wie ein Regenbogen aussah. Das wollte ich ihr unbedingt geben, es war mir - es war für mich sooo wichtig das zu tun.
Ich ging ins Haus - in dieses alte kleine Haus. Es umarmte mich richtig - es war freundlich und warm - ein gutes Haus. Ich fühlte mich wohler, als in meinem eigenen Haus. Ich ging alle Räume ab. Sah die bunten Wände, wenig Möbel. Einige Schachteln. Ich nahm es gar nicht wirklich wahr. Dann ging ich durch die Küche, sah das auch die, so ganz anders war als meine daheim. Aber das war nicht wichtig - ich ging der Aura nach die ich spürte, und wieder stand ich vor Barbara. Sie lachte mich an, und sagte, wir waren schon gute nachbarn, ihr wart lange jahre tolle nachbarn. Ich drückte sie, gab ihr meinen "Regenbogen" und sagte, du bist schwer zu finden, doch jetzt finde ich im Schlaf her. Ich bot ihr an, wann immer sie es braucht für sei da zu sein. Ich "drohte"…und wehe du nimmst nicht was du kriegt- sei egoistisch du wirst es brauchen. Sie nickte, sie verstand mich. Dann sagte sie.. den Satz der mich bis aufs Mark schockierte, erschütterte, der mir heute noch fast den Verstand raubt.
"Der Michi muss mir helfen, er muss mir meine Wohnung verkaufen". Ich speicherte ihre Nummer ab, da ich sie nicht mehr hatte und dabei sah sie das Bild von Lenny… wie geht's Lenny sagte sie, der wird ja auch schon vier. Und Janik- was macht Janik … warte, der wird 11 oder?... Wir redeten noch kurz, dann sagte ich, komm her ich hab noch was für dich. Ich umarmte sie, ich konzentrierte mich ganz ganz stark - es tat so weh…. Und dann spürte ich es. Der Schmerz, die Angst - sie ist verzweifelt. Ich drückte sie innig und küsste sie auf die Wange. Ich sagte…vergiß nicht, ich bin immer für dich da, egal wann. Sie schaute mich an, und sagte bis bald. Ich ging.
Ich verließ das Haus, ging zum Auto und fühlte mich fast fröhlich…. Bis ich ein paar Km gefahren war. Dann realisierte ich es. Sie ist so was von da. Alle sagten, sie bekommt sicher Medikamtente, sie muss unter Drogen stehen, sonst schafft man das nicht etcetc. Sie ist so was von da. So was von nüchternd anwesen. Sie bekommt alles mit. Die volle Breitseite. Und sie hat es realisiert. Nicht nur im Kopf auch im Herz. Sie ist die letzte Woche dreimal mitgestorben, sie hat soviel loslassen müssen, und sieht die zeit die sie mit diesen wunderbaren Menschen hatte, als Geschenk. Als Leihgabe, die nun wieder eingefordert wurde. Sie ist unendlich stolz, und unendlich traurig. Jeder der sie sah, spürte das.
Das realisierte ich. Und ich realisierte es, weil sei hat Michi seit 26 Mon. nicht mehr gesehen, weiß dass er der Michi und Makler ist. Sie wusste alle Namen und konnte alles zuordnen, und das in dieser Situation. Und wenn jemand nun noch sagt, sie steht unter irgendwelchen Drogen, kommt mir das kotzen. Wenn ich vorher schon traurig war, dann bin ich jetzt schockiert. Sprachlos, ich spüre einen so schweren Stein in mir, mir tut richtig das Brustbein weh. Ich kann kaum, schlucken. Und ich trage das gerne, ich hoffe so, dass ich Barbara ein bisschen etwas von ihrem Schmerz abgenommen habe. Ich habe ihn gespürt. Vielleicht ist er ein bisschen auf mich übergegangen. Ich hoffe es.
stille grüße Isa
Bisherige Antworten

Die Verbschiedung - meine Eindrücke

Hallo Isa,
gestern vormittag hab ich hier mal reingelesen, keine Ahnung- warum- ich tue es nur gaaanz selten.
Ich habe Barbaras Brief gelesen und war in Gedanken bei ihr und ihrer Familie, der Abschiedsfeier.
Es ist einfach erschütternd, zuviel Leid auf einmal, zuviel für eine Frau?
Danke auch für deine Eindrücke heute... vielleicht/hoffentlich können alle, die dieses Unglück mitverfolgten, ein bisschen Schmerz übernehmen...
stille Grüße Andrea( aus Stainz/ Deutschlandsberg)

Die Verbschiedung - meine Eindrücke

liebe isa,
vielen dank für deinen beitrag - danke, daß du uns teilhaben lässt... ich weiss nicht viel zu sagen, aber lass dich ganz feste drücken!!
alles liebe
sunny

Die Verbschiedung - meine Eindrücke

Hi Isa,
das alles zu lesen, hat mich sehr sehr berührt. Das hast du alles wirklich sehr schön geschrieben, so lebendig, als wäre man selbst mit dabei...
Das ist alles so furchtbar, traurig, .... was gibt es schlimmeres? Nichts
Ich bewundere deine Freundin, wie Sie das geschafft hat, in dieser schweren Zeit so offen darüber zu schreiben und die Beerdigung "fröhlich" zu feiern, wo man so voller Schmerz ist...eine sehr bewundernswerte starke Frau .... jeder andere würde sich aufgeben und nicht mehr leben wollen und sich zurückziehen...
Traurige Grüße
Anna
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