ColaPissa guttän Tack?
Abends halb sieben in Deutschland. Völlig erschöpft vom ersten Arbeitstag der Woche kehre ich zurück in mein trautes Heim. Es ist kalt, ich krame in meiner Manteltasche nach dem Schlüssel, der die sich mir nähernde Tür öffnet. Plötzlich nehme ich vor selbiger eine Gestalt war. Silbrige Metallbox in der einen, Zettel in der anderen Hand und mit dem Kopf ca. 10 cm vor unserem Klingelbrett. Er trägt eine rote Jacke, auf der dick der gelbe Schriftzug von „Call a Pizza“ prangt.
„Ey, jetzt wohnt der W****** nicht mal hier oder was?“
Irgendwie wirkt die Person leicht gereizt, nahezu ungehalten. Ich beobachte ihn dabei, wie seine Lippen versuchen, aus den sechs oder sieben Buchstaben auf dem Zettel ein Wort zu formen.
„M-m-mü-müll-müller“ stammelt er. Ich schaue mit ihm auf das Klingelbrett, alle meine Nachbarn kenne ich ja nun auch nicht namentlich. Doch bei uns wohnt kein Müller.
„Was soll denn der Scheiß?“ flucht er leise, guckt wieder auf seinen Zettel.
„Is’ doch Nummer acht hier, oder?“ Sein Blick geht zu unserer Hausnummer. Es scheint mehrere Sekunden zu dauern, bis sein Gehirn dieses merkwürdige Symbol entziffert hat: 9.
„So’n Scheiß!“ konstatiert er und zieht von dannen...
Eine Szene, die eigentlich schon alles über Call a Pizza aussagt. Deutschlands erster und wohl erfolgreichster Pizzalieferservice vereint für mich alle schlechten Eigenschaften, die so eine Institution so haben kann. Das geht schon bei der Bestellung los...
„ColaPissa guttän Tack?“
„Ja, TeaJay hier, ich hätte gern eine Pizza bestellt…”
„Aine Momment!“
Nicht, daß ich mich nicht über Warteschleifenmusik freuen würde. Das Problem: ich höre gar keine, denn der freundliche Mensch am anderen Ende der Leitung hat mich einfach auf den Tisch gelegt.
„ColaPissa guttän Tack? Ahhh, schulligunk, Telefonnumma?”
Ich sage dem jungen Mann meine Telefonnummer. Natürlich wiederhole ich sie gern noch zwei Mal für ihn, da er mich nicht verstanden hat...
„Okay, Sie bestelle summ ärste Mall?“
„Nein, wir haben schon mehrmals bei Ihnen bestellt...“
Warum das so ist, kann ich ehrlich gesagt nicht wirklich erklären. Wenn ich bei Call a Pizza bestelle, dann kommt das ausschließlich im Büro vor. Meine Kollegen haben sich in den Kopf gesetzt, dass es billiger ist, sich dort eine Pizza zu bestellen als selbige aus einem Restaurant kommen zu lassen. Einwände bezüglich des Preisleistungsverhältnisses werden da konsequent ignoriert. Aber zurück zu meinem „Call-Center-Agent“...
Nachdem ich ihm nochmals meine Telefonnummer nenne, findet er auch endlich den Datensatz...
„Was möschte Sie bestelle?“
„Ich hätte gern eine Pizza Sal...“
„Singell, Dschumbo odda Penn?“
„...ami Single, mit extra Mozzarella bitte. Dann einmal Penne Rigato mit…”
„Welsche Zosse?“
„... Bolognesesauce bitte. Und einen gemischten Salat mit Thunfisch und Ei.“
„Welsche Dressing?“
„Mit Hausdressing bitte.“
„Hausdressing is alle!“
„Okay, dann mit Joghurtdressing“.
Nachdem der gute Mann mir die ganze Bestellung noch mal aufgezählt hat, nennt er mir den wirklich horrenden Preis des Ganzen. Meine Frage, wie lange es denn dauern würde, wird mit 40 Minuten beantwortet. Nun warb Call a Pizza ja bis vor einiger Zeit mit dem Claim: „in 30 Minuten ofenfrisch auf den Tisch“. Da ich diesen schon lange nicht mehr gesehen habe, kann ich wohl auch keinen Vorwurf daraus formulieren. Schon eher kann ich das aufgrund der Tatsache, dass ich jetzt schon weiß, dass aus den 40 Minuten eine geschlagene Stunde werden wird. Wer die Berechnungsformel für die Lieferzeit nicht kennt, dem sei sie hier genannt, sie ist recht simpel: angegebene Lieferzeit multipliziert mit dem Faktor 1,5. Über Gründe hierfür kann ich nur spekulieren; man erinnere sich an den Anfang dieses Berichtes...
Als der Lieferant dann ca. 60 Minuten später eintrifft, hängen wir bereits mit knurrenden Mägen auf unseren Stühlen. Inzwischen haben wir uns angewöhnt, die Speisen erst einmal in Augenschein zu nehmen, bevor wir den guten Mann bezahlen und gehen lassen. Und auch bei dieser Lieferung erweist sich das als weise Tat. Der Extra-Mozzarella fehlt genau so wie der gesamte Salat. Nun gibt es, wie bei eigentlich jeder zweiten Bestellung, die Qual der Wahl: lässt man den armen Mann nochmals losfahren oder nimmt man es hin und zahlt wieder nur die Hälfte? Dies ist der einzige Punkt, in dem ich das Unternehmen loben muss: kulant sind sie. Im Schnitt zahlen wir pro Bestellung ein Drittel. So gut wie nie alles, oftmals die Hälfte, manchmal gar nichts. Lustig wird es immer dann, wenn der Typ in der Bestellannahme sich rechtfertigt. Inzwischen schließen wir im Büro Wetten ab, ob er dieses Mal den Koch, den Lieferanten oder den Papst für die unvollständige Lieferung verantwortlich macht.
Gierig stürzen wir uns auf unser Essen . Hier gilt die Devise: bestelle nur bei Call a Pizza, wenn Du auch wirklich großen Hunger hast und keinen großen Wert mehr auf wohlschmeckende Speisen legst. Da das gute Essen ja nun schon mindestens seit 30 Minuten Ofen und Kochtopf verlassen haben dürfte, ist es natürlich mittlerweile nur noch lauwarm.
Die Pizzas sind solide; ich ziehe aber sowohl die um zwei Mark teureren Restaurantversionen als auch die um zehn Mark billigeren Tiefkühlausgaben vor. Die Pasta ist eine echte Beleidigung für jeden Gaumen. Bis zur Unkenntlichkeit der Sorte zerkochte Nudeln in minderwertigen Soßen. Bezüglich der Soßen möchte ich auf die allseits bekannten Gruselstories von Mitarbeitern, die sich ihrer ihrer Meinung nach überflüssigen Körperflüssigkeiten in Zusammenhang mit dem Kochvorgang entledigen, verweisen. Obwohl ich diesbezüglich keine Geschmackserfahrungen habe, liegt diese Vorstellung nicht vollkommen im Bereich des Unmöglichen...
Die Desserts sind noch das Beste – meistens prangen Namen wie Zott oder Dr. Oetker auf ihren Verpackungen.
Ansonsten gibt die Auswahl ja auch nicht viel mehr her. Noch ein paar labbrige Baguettes, Auflauf, ein paar Salate...
Mit Sicherheit erwähnenswert sind aber die Aktionen, bei denen Call a Pizza versucht, den Ramsch, der noch in der Tiefkühltruhe schlummert noch kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums an die Leute zu verhökern. Die derzeitige Aktion mit dem überaus kreativen Namen „Merry Pizzmas“ bringt so leckere Dinge wie die „Pizzabrötchen Wintertraum“ zu Tage. Das sind Pizzabrötchen gefüllt mit köstlichem Apfelmus, verfeinert mit Rosinen und Mandelstiften. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, reicht uns Call a Pizza dazu eine „leckere Vanille Soße“... Beim Genuss dieses Genusses wünsche ich Guten Appetit und wenigen Gedanken an die allseits bekannten Gruselstories...
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