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@ all die mir wegen des Einnässens geantwortet haben

Vielen Dank für die vielen Tipps und Hilfestellungen.
Ich werde den Termin mit dem Doc am Dienstag abwarten. Der hat immer super Ideen. Vielleicht fällt ihm ja noch was ein. Wenn es nichts organisches ist, dann hat er bestimmt eine Idee.
Ich werde berichten.
Bis dahin setze ich Lara stündlich auf die Toilette.
LG Katja
Bisherige Antworten

@ Alex und Jule

So Alex, jetzt hast Du mich wirklich zum grübeln gebracht!
Irgendwie hast Du mit dem Thema "Bestätigung" Recht! Wenn ich mir mein Verhalten mal so ansehe, ich glaube, ich lobe sie einfach zu viel! Und auch von anderen Seiten kommt ja ständig irgendwas.
Sicherlich ist das ein Punkt, wo ich mehr drauf achten sollten. Auch wenn ich stolz bin, sollte ich mir einen Kommentar vielleicht, das eine oder andere Mal verkeifen.
Aber Lara hat es halt ganz oft, dass sie was schaffen will, sich ohne Ende Mühe gibt, und ist es dann vollbracht, dann wird es uninteressant.
Ein Beispiel: Lara hat bisher jedes Puzzel nur EINMAL gepuzzelt. Sobald sie ein Puzzel fertig gemacht hat, will sie dieses Puzzel nicht mehr machen. Oder wir spielen Obstgarten. Wenn Lara gewonnen hat, dann spielt sie es nciht noch mal:"Ich will nicth mehr spielen! Ich habe doch gewonnen!"
Ähnlich ist es wohl auch mit der Toilette. Warum sollte ich auf Toilette gehen. Ich kann es und es ist nicht mehr spannend!
LG Katja, die mal den Arztbesuch abwartet

@ Delfin1977: da habe ich ein interssanter Artikel für dich

"Du sollst nicht loben"
von Ursula von Arx
http://dasmagazin.ch/index.php/Du_sollst_nicht_loben
Eltern sagen ihren Kindern liebend gern «bravo!». Für deren Entwicklung aber ist das: pfui.
Neues aus der Erziehungshölle.
Es ist nicht einfach, mit Kindern umzugehen, mit ihrer Lebendigkeit und ihrem Eigensinn. Wir verstehen ihre Hilflosigkeit nicht wirklich, ihre Ängste und Freuden nicht, nicht mal ihren Humor, wie sollten wir auch. Erziehen aber müssen wir sie. Fangen wir mit einem Beispiel an.
Tim hat sandblonde Haare, die er sich kürzlich nach dem Vorbild von Daniel Craig, dem neuen James Bond, schneiden liess. Er trägt gern T-Shirts mit Homer Simpson, The Simpsons findet er toll. Tim mag Spass, Tim hat Freunde, Tim ist ein ganz normaler Junge. Nur eben schrecklich intelligent.
Seit Tim laufen kann, hört er permanent, wie intelligent er ist. Nicht nur von seinen Eltern, sondern von allen, die mit ihm in Kontakt kommen. Schon in der Krippe war er weiter als die anderen seines Alters, im Kindergarten fiel er auf, jetzt fällt er auf in der Schule. In allen Fächern brilliert er mit Bestnoten.
Und nun machen sich seine Eltern Sorgen. Denn wenn immer eine Aufgabe auf Tim zukommt, die er nicht auf Anhieb beherrscht, streikt er. Er war nicht so gut im Buchstabieren, also buchstabierte er nur leise. Oder Bruchrechnungen. Tim hatte richtiggehend Angst davor. Oder zusammengehängt schreiben. Tagelanges Zureden vonseiten seines Vaters war nötig, damit Tim sich überhaupt daran wagte. Dabei tut Tims Vater alles, um seinen Sohn zu stärken. Weil er immer das Gefühl hatte, seine Eltern hätten seine Intelligenz nicht genug geschätzt, lobt er Tim nun gern und oft für dessen Intelligenz.
Fragt man Carol Dweck, Professorin für Psychologie an der Stanford University, nach den Gründen, warum ein Kind wie Tim so unsicher sein kann, kommt ihre Antwort schnell. Sie hält den Fall sogar für typisch. «Eltern denken, es sei wichtig, ihre Kinder zu loben und ihnen zu sagen, wie klug und grossartig sie seien. Sie denken, permanentes Lob sei wie ein Schutzengel, es bewahre ihre Kinder davor, sich selber gering zu schätzen.»
Aber, sagt Dweck, das Gegenteil sei wahr. Denn Kinder würden ein Lob ihrer Intelligenz automatisch als ein Urteil über ihre Person begreifen. Die Botschaft, die Eltern ihrem Kind damit unterschwellig vermittelten, sei: «Liebes Kind. Du bist intelligent. Das schätze ich an dir. Deswegen liebe ich dich.» Und ein Kind wolle in erster Linie geliebt werden. Also, was tut dieses Kind? Es wagt nichts, was seine Intelligenz und das Bild, das seine Eltern von ihm haben, infrage stellen könnte. Alle schwierigen Aufgaben meidet es, denn es könnte ja versagen. «Und das wollen wir doch nicht, oder? Wir wollen doch nicht, dass unser Kind Angst vor Herausforderungen hat. Nein, das können wir unmöglich wollen.»
Bei Carol Dweck in Stanford hat der neue Tag eben erst begonnen. Entsprechend sonnig klingt ihre Stimme am Telefon, sie spricht langsam und bestimmt, formuliert Sätze, die sich wie Lehraufgaben anhören. Zum Beispiel: «Ein tolles Bild hast du da gemalt, Lena. Wenn das nicht der nächste Picasso ist! ? Nun», fragt Dweck, «welchen Schluss wird Lena wohl aus solchem Lob ziehen? Es könnte im Extremfall sein, dass sie aufhört zu malen. Aus Angst, dass die anderen plötzlich merken, dass sie doch nicht so gut ist wie Picasso», sagt Dweck. Und schon kommt das nächste Beispiel. Dweck spricht jetzt mit der überdeutlichen Betonung einer jungen, enthusiastischen Lehrerin: «Jonathan, du bist soo ein kluger Junge. Null Fehler. Und warst erst noch der Erste, der die Prüfung abgegeben hat.» Auch dieses gut gemeinte Lob klingt in Dwecks Ohren nicht so gut, denn Jonathan könnte es lesen im Sinn von: «Ich gebe besser immer als Erster ab, sonst halten sie mich nicht mehr für klug.» Geschwindigkeit und keine Fehler machen dürfen, seien jedoch die Feinde des Lernens, sagt Dweck. Es heisse ja nicht umsonst: Aus Fehlern lernt man.
So solle man nicht mit Lob reagieren, wenn ein Kind seine Aufgabe schnell und perfekt gelöst hat. Dweck rät zu folgenden Sätzen: «Oh, das war wohl zu einfach. Tut mir leid, dass ich deine Zeit verschwendet habe. Ich gebe dir eine Aufgabe, bei der du wirklich was lernen kannst.» Den Einwand, dass dies aufgesetzt wirke und eher den Ehrgeiz der Eltern verrate als den der Kinder fördere, lässt Dweck nicht gelten. Denn hier seien wir beim wichtigsten Teil ihrer Theorie, dem Gegensatz von statischem Selbstbild und dynamischem Selbstbild.
Der grosse Unterschied
Menschen mit einem statischen Selbstbild, sagt Dweck, seien überzeugt, dass ihre Eigenschaften angeboren seien. Sie können sie nicht verändern. Jede Situation ist für sie eine Prüfung, die beweist, dass sie intelligent ? oder eben dumm sind; beliebt ? oder eben unbeliebt; Sieger ? oder eben Verlierer. Menschen mit einem dynamischen Selbstbild hingegen, glaubten an die Veränderung und Entwicklung ihrer Eigenschaften. Ein Misserfolg sei für sie kein Grund zu Selbstzweifeln, er bedeute für sie nur, mehr arbeiten zu müssen. Diese Menschen glaubten daran, die Ereignisse beeinflussen zu können, sie sähen sich nicht als Spielball des Schicksals. «Und», sagt Dweck, «das macht doch ganz viel aus für mein Selbstwertgefühl, ob ich eine dynamische oder eine statische Einstellung habe, nicht?» Dweck lacht ihr sonniges Lachen.
Dass Erziehung keine klare Sache ist, dass Kinder ein Rätsel in sich tragen, das Erwachsene nicht lösen, jedoch zerstören können, das wissen Pädagoginnen und Pädagogen spätestens seit Jean-Jacques Rousseau. Der schrieb schon vor einem Vierteljahrtausend in seinem Erziehungsklassiker «Emile»: «Man muss den Erwachsenen als Erwachsenen und das Kind als Kind betrachten.»
Nun ist das natürlich ein hoher Anspruch. Wie er zu erfüllen sei, erklärt jede Zeit und jede Gesellschaft neu. In der Antike waren rigorose Strafen für Kinder Alltag, das kann man bei Euripides nachlesen: «Kinder wurden in Flüsse geworfen, auf Misthaufen und in Jauchegruben geschleudert, an Wegrändern ausgesetzt, als Futter für wilde Tiere, die sie zerreissen würden.» Selbst der Reformator Martin Luther, der nicht für seine Unterwürfigkeit bekannt ist, sprach davon, dass ihm ein toter Sohn lieber sei als ein ungehorsamer. Und so gab und gibt es immer wieder Leute, die die höchste Erziehungsaufgabe im Beibringen von Disziplin und Gehorsam sehen.
Doch sie sind weniger geworden. Die Mehrzahl der Pädagogen heute will selbstbestimmte, selbstständige Menschen heranziehen, soweit ist man sich einig, man spricht vom Selbstwertgefühl. Für den Psychoanalytiker Arno Gruen geht es dabei um alles, ums «Menschsein» schlechthin. Der Kinderarzt Remo Largo sagt: «Selbstwertgefühl? Das ist sowieso die Gretchenfrage.» Ein gesundes Selbstwertgefühl sei das Wichtigste, sagt auch die Psychologin Carol Dweck: «It?s so very, very important.»
Jedes Lob verbieten will darum auch sie nicht. Aber sie rät zur Vorsicht. Und sie bietet einige ganz konkrete Tipps. «Nie die Intelligenz loben, sondern immer die Anstrengung.» Das sei Regel Nummer eins. Denn Lob für die Intelligenz fördere bei einem Kind das statische Selbstbild, Lob für eine Anstrengung hingegen das dynamische Selbstbild. Und die Professorin illustriert ihr Anliegen wieder im Tonfall der enthusiastischen Lehrerin: «Tolles Bild, Lena! Wundervoll. Du hast sicher viel dafür gearbeitet, nicht?»
Regel Nummer zwei des richtigen Lobens lautet: «Bitte immer ehrlich sein. Also nur loben, was auch wirklich lobenswert ist.» Denn ältere Kinder, sagt Dweck, also Kinder so ab sieben, seien sehr misstrauisch. Wenn sie für etwas gelobt würden, wofür sie in ihren Augen kein Lob verdient hätten, dann sei nicht nur das in ihren Augen unehrliche Lob wertlos, sondern jegliches Lob.
Regel Nummer drei: «Bitte immer so konkret wie möglich loben.» Also nicht nur: «Bravo!» Sondern: «Dass du dem kleinen Mädchen auf der Rutschbahn den Vortritt gelassen hast, ist toll.»
Ein rechtes Lob zur rechten Zeit in den rechten Worten soll also zu einem gesunden Selbstwertgefühl führen. Was aber tun, wenn es nichts zu loben gibt?
Bei Misserfolg? Zum Beispiel Ella. Sie ist sechs und möchte Eiskunstläuferin werden. Sie trainiert eisern. Bei den letzten Meisterschaften wurde sie trotzdem nur Sechste. Sie war am Boden zerstört. Dweck zögert keine Sekunde. «Ich würde versuchen, mich in Ella zu versetzen, Mitgefühl zeigen, aber keinen falschen Trost spenden. Und, natürlich, den Misserfolg als Möglichkeit betrachten, daraus zu lernen.» Und natürlich kann sie auch das beispielhaft zeigen: «Liebe Ella. Ich kann mir gut vorstellen, wie du dich fühlst. Du hast alles gegeben, dir grosse Hoffnungen gemacht und trotzdem verloren. Das ist hart. Aber vielleicht bist du einfach noch nicht so weit. Andere haben viel härter gearbeitet und waren entsprechend besser als du. Wenn du wirklich gewinnen willst, musst du dich noch mehr anstrengen.»
Doch genau das wird Ellas Mutter eher nicht sagen. Sie fragt sich nämlich, ob ihre Tochter nicht vielleicht zu ehrgeizig ist. Denn Ella will immer die Beste sein. Nicht nur beim Eiskunstlaufen. Sie vergleicht sich in allem mit ihren Kameradinnen. Und wehe, sie ist nicht vorn.
«Ja», sagt Carol Dweck, «ich glaube schon, dass ein Kind zu ehrgeizig sein kann. Vor allem aber scheint Ella nicht in erster Linie Spass an der Sache zu haben, sondern auf Konkurrenz fixiert zu sein.» Aus diesem Muster könne man sie vielleicht herausholen, indem man sie für ihre eigenen Fortschritte lobe. Also indem man sie dazu bringe, sich an ihren eigenen Leistungen zu messen und nicht an jenen der anderen. Oder indem man sie dafür lobe, dass ihr etwas Spass gemacht habe: «Ich glaube, das hat dir Spass gemacht, Ella. Das ist toll. Das freut mich für dich.»
Du bist kein Genie!
Dweck berichtet jetzt von der erfolgreichen Anwendung ihrer Theorie an der Life-Sciences-Schule in Harlem: Die eine Hälfte der Schüler wurde in Mathematik unterrichtet, die andere bekam zusätzlich zum Mathematikunterricht eine Lektion, in der erklärt wurde, dass Intelligenz nicht angeboren sei, vielmehr sei das Gehirn ein Muskel, der trainiert werden müsse. Innerhalb eines Semesters, sagt Dweck, hätten die Schüler, die an Gehirntraining glaubten, die signifikant besseren Mathematikleistungen erbracht als die Schüler der Kontrollgruppe.
Und Dweck stärkt ihre Theorie mit vielen weiteren Studien und Experimenten. Ihr Buch «Selbstbild. Wie unser Denken Erfolge und Niederlagen bewirkt»,
das letztes Jahr herausgekommen ist und jetzt auch auf Deutsch vorliegt, hat in den USA für Diskussionen gesorgt und Lehrer und Eltern beeinflusst. In den USA, sagt Dweck, sei ein Umdenken tatsächlich bitter nötig. Jahrelang habe man an einen viel zu simplen Zusammenhang von Lob, Selbstwertgefühl und Leistung geglaubt. Den Amerikanern sei eingetrichtert worden, ihre Kinder für alles und jedes zu loben. Mit der Folge, dass viele von ihnen jetzt das Gefühl hätten, sie seien Genies, und es sei an der Welt, sie zu entdecken. «Bei uns klagen die Lehrer», sagt Dweck, «dass die Kinder nicht mehr unterrichtbar seien. Die wissen nicht mehr, dass sie sich anstrengen müssen, um etwas zu erreichen.» Roy Baumeister, Professor für Psychologie an der Florida-State-Universität, habe nachgewiesen, dass ein übersteigertes Selbstwertgefühl dieselben unerwünschten Folgen haben könne wie ein geringes: Alkoholmissbrauch und Gewalt.
In Europa sei man ja lang äusserst zurückhaltend gewesen mit Lob, aber das habe sich geändert, sagt Dweck. Sie sei kürzlich an einer Tagung in England gewesen, da habe sie dieselben Klagen gehört wie von den Lehrern in den USA.
«Also Vorsicht!», mahnt sie.
Wer sich hierzulande auf Spielplätzen aufhält, wird ihr recht geben. Bestimmt gibt es jene vernachlässigten Kinder, die ihre Tage vor dem Fernseher verbringen und deren Eltern wie ihre Kinder sind, und das heisst nicht unschuldig, freudvoll, naiv, neugierig, spontan, sondern nur: verantwortungslos. Es gibt aber auch ganz viele Kinder, die mit viel Sorge und aufgeklärtem Bewusstsein bedacht werden.
Vielleicht findet man diese Kinder in manchen Quartieren mehr als in anderen. Aber es sind nicht nur Äusserlichkeiten wie das blitzsaubere T-Shirt oder das Catimini-Kleidchen, die diese Kinder auszeichnen. Es ist vor allem der Tonfall ihrer Eltern. Vernünftig, kontrolliert, liebevoll, kaum laut, egal, wie sehr die Kinder schreien. An Wochenenden kann die Betreuung besonders intensiv ausfallen, Vater, Mutter, Grossvater, Grossmutter, alle gruppieren sich um das eine Kind. Dazwischen periodisch Jubelrufe: «Jaaa! Bravo! Grossartig!!» Dabei ist der dreijährige Bub nur die Rutschbahn rauf und runter, die er schon mit eineinhalb problemlos schaffte. Doch das Gesicht des Vaters strahlt wie mit Pomade überzogen: «Bravo!»
Möglich, dass diesem Vater der Name Remo Largo ein Begriff ist. Der Kinderarzt und emeritierte Professor am Zürcher Kinderspital hat die von sehr vielen Eltern gelesenen Standardwerke «Babyjahre» und «Kinderjahre» geschrieben.
Eine Katze wird nie bellen
Largo wohnt hoch über dem Zürichsee, er könnte dem Werden des Wetters zuschauen, nur fehlt ihm dafür die Zeit. Eben hat er die Überarbeitung seiner «Babyjahre» abgeschlossen. «Da musste doch einiges ergänzt werden, zum Beispiel ein Kapitel über Erziehung», sagt Largo und legt beim Namen Carol Dweck die Stirn in Falten. Er sei mit ihr in allen einzelnen Punkten eigentlich einverstanden, sagt er. Nur im Grundsatz nicht. «Diese Fixierung auf Leistung», sagt er. Und seufzt. Manche Eltern steckten so viel Ehrgeiz und so viele Erwartungen in ihre Kinder, und fast immer gehe der Druck in dieselbe Richtung: Erfolg. Die Kinder sollen möglichst erfolgreich werden. Largo sagt es so: «Es gibt Eltern, die loben ihr Kind, damit es bessere Leistungen erbringt. Denn nur ein Kind mit guten Leistungen erfüllt sie mit Stolz ? auf sich selbst.»
Natürlich waren stolze Eltern immer schon stolz auf sich. Nur, meint Largo, hätten Eltern früher öfter ein offeneres Ziel für ihre Kinder gehabt, so etwas Vages wie Glück nämlich. Und das hält er für gesünder und geeigneter, wenn Eltern der in seinen Augen wichtigsten Pflicht nachkommen sollen: «Ein Kind annehmen wie es ist. Mit all seinen Eigenschaften. Ob es eher langsam ist oder lebendig, draufgängerisch oder scheu, laut, blauäugig, ängstlich, wie immer. Annehmen. Wirklich annehmen.» Im Tierreich sei es auch nicht anders: «Eine Katze wird nie bellen.»
Mit enttäuschten Erwartungen klarzukommen, sei nicht einfach, räumt Largo ein. Das sei es nie, und am wenigsten für Eltern. Aber, sagt er, Eltern sollten ihre Erwartungen hinterfragen ? werden sie wirklich dem Entwicklungsstand und den Möglichkeiten des Kindes gerecht? Und zweitens, sagt er, sollten Eltern reif genug sein, das Kind ihre Enttäuschung nicht spüren zu lassen. Denn Eltern, sagt Largo, hätten keinen Anspruch auf ihre Kinder. Kinder seien nicht auf die Welt gekommen, um die Ansprüche ihrer Eltern zu erfüllen. «Wenn schon, ist es umgekehrt.»
Remo Largo ist ein ruhiger Mann, solch entschlossene Worte erstaunen fast. Andererseits ist er ein Anwalt derer, die nur schreiend oder schwach gehört werden. Seit Jahren betont er die Vielfalt der Kinder und schreibt gegen eine Tendenz an, alle ein und derselben Norm zu unterordnen. Spätestens ab der ersten Klasse würden Lernziele vorgegeben, die die Neugier der Kinder beschnitten und ihrem individuellen Entwicklungsstand oft nicht gerecht würden, meint er.
Wenn Carol Dweck zeigt, dass ein intelligentes Kind nicht automatisch auch ein gutes Selbstwertgefühl habe, dann sei das richtig und wichtig, sagt Largo. Es sei auch klug, Kinder für ihre Anstrengung zu loben. Doch auch hier drohe Gefahr. Ein Kind sei dann mit sich im Reinen, wenn es das geleistet habe, was seinen Möglichkeiten entspreche. Also wenn es nicht überfordert sei und nicht unterfordert.
Heute erlebe er aber oft, dass Eltern ihre Kinder im Fördereifer überforderten. «Obwohl es offensichtlich ist, dass ein Kind, das man überfüttert, nicht grösser wird, nur dicker.» Dabei sei nicht selten die Angst im Spiel, einen Mangel nicht früh genug zu entdecken. Und dann setzten die zerstörerischen Fehler ein. «Viele Erziehende konzentrieren sich auf die Schwächen ihrer Kinder. Finden sie welche, setzen sie alles daran, diese auszubügeln. Dabei fallen oft die Stärken aus dem Blick. Das Kind erlebt sich dann in erster Linie als defizitär.» Dabei, sagt Largo, hänge es doch von den Stärken ab und nicht von den Schwächen, wie sich einer im Leben bewährt. Largo rät deshalb zu mehr Gelassenheit. Und zu Vertrauen. «Eltern müssen Vertrauen entwickeln in die Stärken ihrer Kinder, das überträgt sich.»
Wer seine Kinder erziehen will, muss bei sich anfangen ? man muss Largos Worten keine Gewalt antun, um zu diesem Satz zu gelangen. Es ist sicher nicht falsch, sich Gedanken zu machen über richtiges und falsches Lob. Doch im Alltag geht es um viel mehr als um die richtigen Worte im richtigen Augenblick. Es geht ums grosse Ganze: die eigene Haltung. Zu den Kindern. Zum Leben. Zu sich.
Die Amerikanerin Carol Dweck geizt nicht mit konkreten Regeln für den Umgang mit Kindern. Der Europäer Remo Largo erinnert vor allem an die Grösse der Aufgabe. Gewiss, wer hätte nicht gern mehr Vertrauen und Gelassenheit im Umgang mit Kindern. Doch auch Eltern verfügen nicht über unerschöpfliche Nerven.
Jede Mutter kommt an den Punkt, wo sie feststellt, dass sie mit ihrem Kind nur noch in Verboten und Befehlen spricht. Jeder Vater verstrickt sich ab und zu in einen Machtkampf um ein halbes Guetsli oder eine halbe Stunde Fernsehen. Ein How to do des Lobes hilft da nicht weiter, ein Aufruf zu Gelassenheit macht nur aggressiv.
Gefährlicher Gehorsam
Arno Gruen hat dafür ein gewisses Verständnis. Dass Eltern wütend werden, sei zwar nicht gut, dürfe aber schon passieren. Es sei sicher besser, als wenn Eltern ihre Aggression unterdrückten, nur weil sie nicht zu den idealisierten Vorstellungen der Mutter- oder Vaterrolle passten. «Ein Kind soll ruhig erfahren, dass seine Eltern auch nur Menschen sind», sagt Gruen. Das ist insofern erstaunlich, als Gruens Lebensthema die schlimmen Folgen von Lieblosigkeit und der Zwang zum Gehorsam sind, darüber hat er schon mehrere Bücher geschrieben. Das jüngste richtet sich vor allem an Jugendliche und trägt den Titel «Ich will eine Welt ohne Kriege».
Die Psychoanalyse, die Erfahrungen als Chefarzt verschiedener Kinderkliniken in den USA und seine Jugend in Nazi-Deutschland haben Arno Gruens Sicht auf Kindheit und Elternschaft geprägt. Gruen hört meiner Zusammenfassung der Theorie von Carol Dweck zu und denkt nach. «Selbstwertgefühl. Lob. Aha.» Ja, meint er. Da müsste man sehr, sehr lange darüber reden. Ein so grosses Thema sei das. Arno Gruen formuliert vorsichtig. Sein Deutsch verrät, dass er lange Jahre in den USA gelehrt hat, sein Tonfall hat etwas Beruhigendes, eine leise Melancholie schwingt mit. In wenigen radikalen Sätzen skizziert er seine Sicht der Dinge. Und die ist so gründlich anders, dass sich keine vergleichenden Fragen stellen lassen ausser vielleicht der, was nun bodenloser sei, Gruens Tiefsinn oder Dwecks Pragmatismus.
Denn Lob und Belohnung können in Gruens Augen genauso schlimm sein wie Strafen. «Es ist dasselbe, nur subtiler», sagt er. Lob und Belohnung seien nur eine als Grosszügigkeit und Güte bemäntelte Form der Gewalt. In jedem Fall zeige man einem Kind, dass es nur geliebt werde, wenn es gehorche und den Erwartungen entspreche.
Dass Kinder ? subtil oder brutal ? immer wieder zu Gehorsam gezwungen werden, findet Gruen deshalb so schlimm, weil ein Kind dabei sich selber, seine Gefühle, seinen Willen, seine Wahrnehmung verleugnen und verachten müsse. Dadurch werde es sich selber fremd und fange an, sich und die Welt zu hassen.
Aggressive und gewalttätige Kinder und Jugendliche sind für Gruen denn auch die unmittelbare Folge einer Erziehung, die auf Gehorsam setzt.
Er wendet sich damit gegen den ? auch im Zug der Konjunktur des Themas Jugendgewalt ? wieder vernehmbaren Ruf nach mehr Strenge und Disziplin. «Furchtbar», sagt Gruen, «als wenn es eine natürliche Feindschaft zwischen Kindern und Eltern gäbe! Da kann man ja gleich sagen: ?Jedes Kind ist eine Schlacht?, so wie Hitler 1934 in einer Rede vor der NS-Frauenschaft.»
Gruen würde zum Beispiel ein Kind im Bett nie einfach schreien lassen. «Das ist nur lieblos. Keine Schimpansenmutter würde das tun, und auch Menschen bringen das nur fertig, wenn sie irgendwo gelesen haben, das müsse so sein.»
Da lächelt der Sadist
Natürlich weiss auch Gruen, dass der erzieherische Alltag nicht ohne Autorität auskommt. Kinder dürfen nicht einfach über eine befahrene Strasse laufen, sie sollten die Zähne putzen. Aber Eltern sollten glaubwürdige, liebevolle Autoritäten sein, sagt Gruen. Doch die Grenzen dieses Auftrags würden permanent überschritten, im Grossen wie im Kleinen. Wir seien zwar nicht mehr so grausam zu unseren Kindern wie unsere Vorfahren, aber wir versteckten unseren Sadismus hinter einem Lächeln. Und seien selber blind dafür, dass hinter dem Bestehen auf Gehorsam fast immer mehr als Notwendigkeit stehe, nämlich das Prinzip Macht.
Den Weg zurück finden wir natürlich nicht an einem Tag, sagt Gruen. Er rät, Mitgefühl bewusst zuzulassen und vermehrt auf unsere innere Stimme zu hören, auf unsere Intuition im Umgang mit Kindern. «Wir sollten die Möglichkeiten der Kinder nicht missachten, genauso wenig, wie wir ihre Grenzen missachten sollten», sagt Gruen und erklärt am Beispiel einer Eipo-Mutter in West-Neuguinea, wie er sich das vorstellt: «Der Junge isst eine Wasserbrotwurzel, das Mädchen greift danach, beide fangen an zu weinen. Die Mutter kommt dazu, beide Kinder lächeln sie an. Der Junge reicht ihr von sich aus die Wurzel, sie bricht sie in zwei Teile und» ?, Gruen unterbricht sich: «Was würden wir wohl in einer ähnlichen Situation tun?»
Er gibt die Antwort gleich selber: «Jedem Kind ein Stück geben, nicht? Und dabei würden wir uns vorbildlich fühlen, weil wir glauben, den Kindern so das Teilen beizubringen. Nicht so die Eipo-Frau. Sie gab beide Teile dem Jungen zurück. Der betrachtet sie einen Moment und gibt dann eines seiner Schwester.»
Diese Eipo-Mutter versetzte sich in ihr Kind hinein, sie respektierte seinen Willen und seine Gefühle. Mit ihrem Handeln schuf sie einen Verhaltensraum für den Jungen. Er machte, was er machte, weil er das selber so wollte, nicht aus Gehorsam. Voraussetzung für sein selbstbestimmtes Handeln war, dass die Mutter ihrem Kind das Vertrauen schenkte. Diese Mutter redete «die Sprache des Herzens», wie Gruen das ausdrückt. Eine Sprache, die er bei uns kaum hört und sieht.
Aber ? und das ist Gruens grosses Aber ? auch in unserem Kulturkreis seien die Eltern nicht als Rabeneltern zur Welt gekommen. «Wir geben nur weiter, was wir selber erlebt haben. Wir weinten und wurden angeschnauzt. So wurden wir unempfindlich gegenüber unserem Schmerz und dem der anderen. Jetzt schnauzen wir halt unsere Kinder an. Sei still! Halts Maul! Ruhee!» Durch die Jahrhunderte vollzieht sich eine Stafette der Gewalt. Und der Ort der Stabsübergabe von einer Generation zur nächsten ist laut Gruen die Kindheit.
Die historische Dimension einer solchen Analyse befreit sie auch vom Verdacht der Banalität. Gruens Erklärung für all die traurigen, brutalen, unsicheren, sich selbst entfremdeten Menschen auf dieser Welt: Sie wurden als Kind nicht oder nur dafür geliebt, dass sie den Erwartungen entsprechen. «Wer als Kind echte Zuwendung erlebt hat, wird auch als Erwachsener seinen Mitmenschen mit Liebe begegnen und innere Stärke entwickeln», sagt Gruen.
Natürlich steckt in diesen Worten jener Funke Hoffnung, der sich spätestens seit Rousseau in den Schriften aller Pädagogen und Erziehungsratgeber wieder findet: dass der Weg in eine bessere Welt durch die Kinderstube führe.
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