liebe kerstin, danke für deine nachfrage. mails schau ich mindestens 1 x am tag nach, ich hab ja auch noch ne bewerbung laufen, meine anwältin kommuniziert mit mir auch per mail und mein älterer bruder ist seit gestern in saudi-arabien und wir müssen ja auch kontakt halten.

handy ist derzeit zwar geladen, aber ich habs ja eh nicht so mit dem telefonieren.

meiner mutter liegt im sterben, das ist jetzt einfach klar. gestern war sie etwas schwächer als heute, aber sie ist allemal schwächer als noch am donnerstag oder freitag und viel schwächer als am mittwoch.

mir fällt es immer noch sehr schwer zu verarbeiten, wie schnell das ging. mittwoch hat sie alles noch selbst gemacht, sich angezogen, gewaschen, gegessen, gelaufen, geredet und jetzt liegt sie im bett und schafft es nicht einmal mehr ohne hilfe aus der schnabeltasse zu trinken.

heute morgen war ich ein paar stunden bei ihr. ich glaube, das hat uns beiden gut getan. die meiste zeit hat sie geschlafen. immer wenn sie aufgewacht ist, hat sie mich erneut begrüßt. am anfang als ich da war, war sie etwas unruhig. sie hat mit den händen gefuchtelt, konnte aber nicht sagen, was sie will. irgendwann hat sie dann plötzlich gesagt "nimm meine hand". ich glaube, das hat sie gebraucht. das zeigt mir, wie weit sie schon ist. meine mutter ist kein mensch, der in den arm nimmt, händchen hält oder so. ich kann mich in meinem erwaxenenleben an ganze 2 umarmungen erinnern und die waren dieses jahr nach der diagnose. so bin ich aber dagesessen und habe ihre hand gehalten während sie immer wieder einschlief.

2 x hat sie plötzlich einen ganz normalen satz in normalem tempo gesagt. aber auf meine antwort konnte sie dann jeweils schon nicht mehr reagieren. ansonsten sagt sie nur noch einzelne wörter, oft einfach nur "ja" oder "ne".

mein jüngerer bruder wird die näxten tage noch hier bleiben und wir werden uns die zeit im krankenhaus möglichst aufteilen. morgen werden wir aber gleich morgens versuchen mit den ärzten zu reden. eigentlich sind für montag und dienstag noch untersuchungen wegen des gallenstaus angesetzt, evtl. sollte der gallenausgang operativ nach außen verlegt werden. wir wollen fragen, ob das tatsächlich noch notwendig ist. uns wäre lieber, sie würden so schnell wie möglich den port legen (ist erst für mittwoch geplant), damit sie die braunüle am handgelenk loswird. sie hat kaum noch stellen, wo man eine braunüle legen kann und sie müssen ständig wexeln, warum auch immer. über den port können dann die medikamente und ggf. auch etwas ernährung laufen.

eigentlich hoffen wir jetzt einfach nur, dass sie es bald hinter sich hat und wir es schaffen, bei ihr zu sein wenn es soweit ist.

irgendwie geht es bei mir tagsüber ganz gut, aber nachts ist es schlimm. ich muss immer dran denken, wie ich ihr mittwoch gesagt habe, dass sie da nicht bleiben wird und wir sie wieder nach hause holen, wenn sie aufgepäppelt ist. so naiv war ich. und sie hat mir geglaubt :-(. DAS macht mir sehr zu schaffen, obwohl ich es nicht anders wissen konnte.

lg

urmely

Ja, ich glaube auch, es geht zu Ende und lange wird es nicht mehr dauern. So schlimm das auch ist, aber letztlich ist es gut, wenn sie bald gehen kann.

Wie lange bleibt Dein Bruder in Saudi-Arabien? Hat er sich schon von ihr verabschiedet?

Meine Mutter hat mit dem Sterben gewartet, bis meine Schwester auf dem Weg zum Bahnhof war, um meine Tante abzuholen. Meine Schwester hatte mir vorher noch in der Küche gesagt, dass sie am liebsten nicht dabei wäre, wenn unsere Mutter stirbt. Mir kam es so vor, als hätte sie auf den Wunsch meiner Schwester Rücksicht genommen.

Ihr habt jetzt eine sehr schwere Zeit vor Euch. Aber ich habe es als Geschenk empfunden, das alles zu erleben. Vielleicht geht es Euch irgendwann auch einmal so. Jemanden beim Sterben zu Begleiten ist unsagbar schwer (und ich hatte kein gutes Verhältnis zu meiner Mutter), aber es war für mich eine der wichtigsten und intensivsten Zeiten in meinem Leben.

mein bruder ist bis zum 13.9. weg, also ziemlich sicher zu lang. er war am freitag noch mal bei ihr. verabschiedet in DEM sinn hat er sich nicht können, sie war da ja schon nicht mehr richtig wach.

ich denke nicht, dass er sie noch einmal lebend sehen wird. das ist doof gelaufen, er ist beruflich dort. eigentlich hätte er schon im juni hin sollen und die araber sind nicht in die pötte gekommen. er wird so schnell wie möglich nach hause kommen, aber ich denke, wir werden es erst merken, dass meine mama stirbt, wenn es soweit ist. auf verdacht kann er auch nicht nach hause fliegen.

ich empfinde die situation grade ähnlich wie du es beschreibst. es ist eine erfahrung, die mich sicher auch reifen lässt. bisher bin ich was todesfälle in der familie angeht halt absolut behütet. gestorben sind immer nur alte leute (90 und älter) nach oft jahrelangem siechtum. meine mutter wurde anfang des jahres noch überall auf rund 60 statt 72 jahre geschätzt und jetzt liegt da eine uralte frau.

mir graut es eher vor der zeit danach, wenn alles geregelt werden muss...

lg

urmely

Ich weiß natürlich nicht, ob Du es demnächst auch so empfindest. Als wir alles regeln mussten, war meine Mutter "dabei". Irgendwie regelte sich alles wie zu ihren Lebzeiten. Wir wussten, was zu tun ist und wie sie es gemacht hätte. Da gab es nichts zu diskutieren.

Ich hatte ja zu ihren Lebzeiten kein inniges oder herzliches Verhältnis zu ihr. Als sie dann gestorben war, war sie mir eine ganze Weile sehr nah. Ich hatte das Gefühl, sie kam immer mal wieder vorbei... klingt schlimm esoterisch, was? Aber es fühlte sich so an. So nach und nach verschwand sie dann aus meinem Leben.

Das hört sich alles so schrecklich an und für dich muss es noch viel Schlimmer sein. Sie weiß, dass du bei ihr bist und wird dadurch mit Sicherheit auch ruhiger sein. Auch für dich ist es wichtig, denn an diese Zeit wirst du immer zurück denken. Halte ihr die Hand, bete mit ihr wenn du kannst und willst. Lies ihr was vor. Oder schweig einfach und denke an die schönen Momente eures gemeinsamen Lebens. Ich drück dich ganz doll.

LG Silke