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Alex: Achtung ernst

Alex 25
Matthias rief nicht wieder an, allerdings hätte er seine Frau auch gar nicht erreicht, denn diese hatte nun endlich die Wartezeit beendet, bis sie Hanna würde anrufen können. Wie in alten Zeiten erzählte Alex ihrer Freundin in epischer weiblicher Breite und brühwarm alle Details der Auseinandersetzung mit ihrem Mann, und solidarisch wie Freundinnen nun mal sind oder zumindest sein sollen, fand Hanna die richtigen Worte zur Unterstützung wie ?So ein Schuft? oder ?Genau? oder ? Das gibt es ja wohl nicht, das hat er gesagt?? Alex fühlte sich nun wieder wohler. Das kleine Detail ihrer Überlegung, ob sie nun dennoch Kinder haben wollte mit dem ?was wäre wenn ausgerechnet jetzt? unterließ sie zu erzählen.
Nach dem Gespräch vertiefte sich Alex halbherzig in ihre Arbeit, stapelweise lagen die Vorgänge vor ihr auf dem Schreibtisch, doch so recht wollte ihr nichts gelingen. Eigentlich hatte sie für alles ihre eigenen Routinen entwickelt, so dass sie sichere und schnelle Entscheidungen vorbereiten oder treffen konnte. Gedanklich schlug sie im Wörterbuch nach: ?Rou|ti|ne [ru? f. ?nur Sg.] Übung, durch Übung und Erfahrung gewonnene Fertigkeit; R. in etwas haben [frz., urspr. ?Gewohnheit, sich auf gebahnten Wegen zu halten?, dann auch ?Wegekundigkeit, Wissen um den richtigen Weg?, zu Route]?. ?Wunderbar, das Wissen um den richtigen weg, ja, das fehlt mir gerade?, dachte Alex.
Im Prinzip war es in ihrer Ehe auch nichts anderes, für alle Reaktion eines Partners hat der andere eine immer gleich bleibende Art der Entgegnung. Das Wörterbuch hatte es gesagt, es war Gewohnheit geworden. Wenn sie sich stritten, ging Matthias schrauben usw. Und so ändert sich nichts, es wird aber auch nicht hinterfragt, weil das System ja funktioniert. ?Vermutlich ist das für Matthias auch so, wenn ich sauer bin, weiß er, dass ich das nicht lange aushalte, und irgendwann lenke ich ein, und er ist damit durchgekommen. Aber ich fühle mich dann weiter unwohl?, sinnierte sie vor sich hin. Vor Jahren hatte sie bei einem Seminar einmal gehört ?Man ändert ein System nur, indem man sich selbst ändert?. Sie hatte das zunächst nicht verstanden, sie meinte ja, dass ihre Reaktionen korrekt sind, doch jetzt verstand sie es. Solange sie im System mitmachte, würde sich nie etwas ändern. Schon gar nicht Matthias.
Sie war noch in Gedanken versunken und trank beiläufig ihren Tee der zweiten Zyklushälfte. Auch das war eine ihrer Routinen geworden. Manchmal fragte sich Alex, wie ihr Leben vor dem Kinderwunsch ausgesehen hatte? Was hatte da ihren Tag bestimmt? Heute war es der Gedanke an den Zyklustag, der Gedanke an die Tests zuhause, die Tees oder die Tropfen und Globuli, der Verzicht auf die zweite Tasse Kaffee an den Tagen nach dem Eisprung, alles drehte sich um das Thema Kinderwunsch. Und die Zeit eine Woche nach dem Eisprung war besonders anstrengend, schwebend zwischen Hoffnung und Verzweifelung.
Auch ihr Verhalten zu Frauen hatte sich geändert: Frauen wurden von ihr oft kategorisiert in Frauen, die Kinder hatten, und solche, von denen sie meinte, sie wollten eventuell noch Kinder, dies waren potentielle Rivalinnen um die ungeborenen Kinder. Obwohl sie wusste, dass es völliger Unsinn war, hatte sie manchmal das Gefühl, dass mit jeder Schwangerschaft, von der sie Kenntnis bekam, der ?Fundus? an potentiellen Kindern kleiner wurde, als sei es ein nicht nachwachsendes Gut, und damit schwände ihre Chance auf ein Kind auch jedes Mal. Am einfachsten waren für sie die Frauen, die jenseits der Wechseljahre waren, mit ihnen konnte sie ungezwungen umgehen, weil sie mit keiner unangenehmen Überraschung zu rechnen hatte. Diese Frauen waren ja genauso unfähig, wie sie sich oft fühlte, und sie war ihnen einerseits näher, andererseits hatte sie ab und zu ein kleines Gefühl der Überlegenheit ihnen gegenüber, denn sie selbst würde ja noch Kinder bekommen-. Oder musste sie sich irgendwann damit abfinden, selbst kinderlos zu bleiben?
Sie sehnte die Zeit zurück, in der diese Überlegungen für sie keine Rolle gespielt hatten, und sie empfand sich selbst als schlecht. Sie wusste genau, dass ihre Gedanken über die Frauen, denen es letztendlich nicht anders gegangen war als es ihr vielleicht gehen konnte, bitter ungerecht waren, sie wusste, dass sie genauso war, aber den eigenen Spiegel vorgehalten zu bekommen war eben nie angenehm, und Alex ließ es auch nur selten zu. Und wenn sie dies tat, dann bewunderte sie diese Frauen, denen das eigene Schicksal ihren Kinderwunsch nicht erfüllte, die aber nach vielen Jahren mit einer so großartigen Gelassenheit mit dem Thema Kind umgehen konnten, von der sie nur Träumen konnte. ?Was für eine Kraft in diesen Frauen steckt!? dachte sie häufig bewundernd und hielt sich ihre eigene Tante Ingeborg vor Augen, die immer gerne Kinder gehabt hätte, dies aber nie erleben durfte, und durch ihre innere Weisheit der Ansprechpartner aller ihrer Nichten und später Großnichten geworden war.
Alex schüttelte unbewusst den Kopf, sie hätte nie gedacht, dass ihr das auch passieren könnte. Aber derzeit machte sie sich über ihr Leben Gedanken, und sie war sich ziemlich sicher, dass der Weg, den sie derzeit einschlug ? nämlich diese Abhängigkeit ihrer selbst vom Kinderwunsch ? langfristig nicht der richtige war.
?Macht aber nichts?, richtete sie sich schnell wieder auf wandte den Blick zur Zukunft. Und mit einem beherzten Schluck Zyklustee entschied sie, diesen Monat schwanger geworden zu sein ? mit oder ohne Matthias.
Bisherige Antworten

Danke!Hab schon gewartet:-)wies wohl weitergeht?..

Re: Alex: Achtung ernst

Puh, der letzte Absatz hat es echt in sich - genau das gleiche denke ich auch immer: Sobald sich eine Neuschwangere in meinem Bekanntenkreis befindet, denke ich: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich zu den 5% gehören werde, die NIEMALS ein Kind haben werden, wird immer größer, da ja alle anderen die 95% aufbrauchen :-)))
Freu mich schon auf die Fortsetzung!!
LG, Cherish

Re: Alex: Achtung ernst

Geht mir auch manchmal so, blöd, oder? Ich hoffe ja noch jeden Monat, dass ich nicht betroffen bin, aber wenn es in zweiJahren nicht geklappt hat, gebe ich auf- könnte auch früher sein, eine FG traue ich mir noch zu, aber dann? Ob ich dann wieder den Mut zum Neubeginn habe, bezweifele ich... GGLG, Fairwind
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