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Alex 87

Alex 87
Kurz darauf servierte der Ober Alex und Matthias den Vorspeisenteller, der alles enthielt, was das Herz des Fans italienischer Küche erwärmt; es reichte von Vitello tonnato, das Alex besonders wegen seines feinen Thunfisch-Geschmackes liebte, über mit Käse überbackene Pilze bis zu Blattspinat mit leichter Knoblauchnote. Und in der Mitte des Tellers prangten Frutti di Mare, wobei die Baby-Calamaris in ihrer Form schön ausgeprägt waren. Das Paar am Nebentisch begann ungeniert zu ihnen hinüberzustarren, oder besser: auf ihren Teller. Beide, Alex und Matthias, griffen herzhaft zu und hielten sich mit einen ?Mann, ist der wieder lecker? oder ?Hast du schon das hier probiert? trotz der offensichtlichen Neugierde des benachbarten Paares nicht zurück. Sie genossen das Essen einfach in ganzen Zügen.
?Die Frutti di Mare iß? du lieber, ich halte mich da zurück, der Eiweißgehalt soll ja gut sein für Männer?? sagte Alex scherzhaft.
?Echt? Her damit?. Kann man damit was auffüllen?? Matthais lachte und schob sich genüsslich einen Scampi zwischen die Zähne, wobei der ihn sichtbar zubiss und sich dann die Lippen leckte. ?Hmm? wirkt schon?? Er schaute seine Frau liebevoll an. Wer weiß, wie der Tag noch enden würde.
?Ja, ich habe einmal gelesen, dass der Eiweißgehalt von Fisch und anderem Meeresgetier die Manneskraft verstärkt. Ist ja auch kein Wunder bei dem Eiweißverlust, den ihr manchmal so hinnehmen müsst?? Alex hatte die Stimme gesenkt; ihr war nicht verborgen geblieben, dass das Gespräch am Nebentisch wie zuvor bei ihnen weitgehend verstummt war und insbesondere der Mann scheinbar seine Antennen zu ihnen ausgerichtet hatte. Zweimal hatte seine Begleiterin ein erneutes Gespräch angefangen, doch sie hatte beide Male keine Antwort erhalten.
?Ist schon schade, dass das so wenige Männer wissen, die lassen sich ganz schön was entgehen?, grinste Matthias schon etwas lauter. ?Was meinst du, warum ich die Linguine mit den Venusmuscheln genommen habe, mein Schatz.? Er prostete Alex erneut zu und warf ihr einen leichten Kuss zu. Alex fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und erwiderte den Kuss. Sie genoss die leichte Art, wie sie sich über ihren Tischnachbarn lustig machten; diesem Herren wurde nämlich sichtlich wärmer, und ob seiner neuen Erkenntnisse über die italienische Küche nahm er nun schon zum zweiten Male die Karte in die Hand und begann diese unsicher zu studieren.
?Bedienung!? sagte er dann plötzlich laut, so dass alle nahe sitzenden Besucher des Restaurants förmlich zusammenschraken. Der Ober kam geräuscharm und freundlich an den Tisch.
?Prego, Senor??
?Ich will doch keine Pizza. Haben Sie nicht was so richtig aus dem Meer?? fragte der verunsicherte Gast.
?Ma certo. Ich kann Ihnen da einen gegrillten Calamaris empfehlen, mit Röstkartoffeln und Gemüse der Saison.?
?Ist das so Fisch??
?Nicht ganz, aber aus der Tiefe des Meeres und sehr gesund.? Er zwinkerte dem Gast verständnisvoll zu, so dass dieser aufatmete.
?Gut, nehme ich. Und das Gemüse hat bestimmt auch Vitamine??
?Sicher, sehr viel sogar, besonders der gedünstete Chicoree.? Mit diesen Worten nahm er die Bestellung auf und eilte in die Küche, um die Pizza zu stornieren. Und der Gast lehnte sich weit in seinem Stuhl zurück und schaute seine Freundin begierlich an. Er taxierte sie und schien zu überlegen.
?Siehst super aus heute, mein Sonnchen?? hob er an. Sie sah ihm verliebt in die Augen und rückte ihre Kleidung zurecht. Das enge Shirt zeigte ihre Rundungen nur zu gut, und ihre Hüfthose ließ eine im Sitzen entstehende kleine Speckrolle sichtbar werden.
?Meinst du?? fragte sie unsicher und hätte beinahe eine Haarsträhne genommen, um sie in den Mund zu nehmen, doch wurde ihr in letzter Sekunde ihre Umgebung bewusst und sie warf die Strähne nach hinten.
?Hehem. Steh? total auf dich heute.?
?Ach Tobi, du bist süß.? In diesem Augenblick kam zumindest ihre Pizza, und der Ober entschuldigte sich, dass der Calamaris noch einen Augenblick dauern würde, er wollte aber die Pizza ganz frisch servieren.
Alex und Matthias beobachteten die Szene mit Genuss. Sie hätten sich beinahe die Stühle anders hingestellt, um kinomäßig besseren Blick zu haben. Ab und zu sagte der eine oder die andere etwas, um sich den Schein des Gespräches zu geben, doch im Grunde waren sie zu abgelenkt. Und da sie auf den Hauptgang warteten, war das zeitlich auch zu verschmerzen. Am Nebentisch ging das Geplänkel weiter, ?Tobi? sonnte sich weiter in der Bewunderung seines Sonnchen, die eigentlich Sonja hieß, wie dem Gespräch zu entnehmen war. Sonja erzählte herzhaft kauend von ihrem Erlebnis im Nagelstudio. Bei dieser Gelegenheit schaute Alex neidisch erst auf die Finger von Sonja, die makellos gepflegt und mit langen farbigen Nägeln versehen waren, und dann auf ihre eigenen, denen man deutlich ansah, dass sie die Küche selbst sauber hielt.
?Matthias, da würde ich auch gerne einmal hin..? sagte sie leise und sah ihren Mann auffordernd an. Und es klappte, Matthias erklärte sich sofort bereit, sie dazu einzuladen. Allerdings fügte er schmunzelnd hinzu: ?Aber nun mach nicht alles nach, was sie macht, vielleicht erzählt sie gleich noch von ihrem Steiß-Tatoo?? Doch das war gar nicht nötig, kurz darauf erhob sich Sonja, weil sie ? wie sie laut erzählte ? sich die Nase pudern wollte. Dabei lachte sie und fügte hinzu, sie müsse sich ein Stück Salami aus den Zähnen puhlen, Tobi müsse sie entschuldigen. Und als sie sich abwandte, hielt sie Matthias ein Elchgeweih fast direkt vor die Nase. Somit war auch dieser Punkt geklärt. Alex konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen und nahm schnell ihre Serviette, um einen Hustenanfall vorzutäuschen.
?Soll ich dir auf den Rücken hauen, Liebes?, fragte Matthias ironisch. Auch er musste lachen, so reine Klischees fanden sich nur selten am Nebentisch.
Sonja war auf dem Örtchen, als der Ober endlich den Calamaris brachte. Tobi schaute auf den Teller, auf dem sich ein fangarmloser Tintenfisch von etwa 15 cm Länge befand, leicht angeröstet und gesalzen. Auf einem separaten Teller lagen Röstkartoffeln und verschiedene gedünstete Gemüse.
?Was ist das denn?? fragte Tobi angeekelt. Der Ober erläuterte ungerührt, dass dies der bestellte Calamaris sei, somit höchst eiweißreicher Tintenfisch. ?Nee, nee, mein Guter, das können Sie gleich wieder mitnehmen, ich hatte Fisch bestellt. Ist ja ekelhaft? so was esse ich nicht. Fisch, comprende????? Der Ober holte einmal tief Luft und zeigte dann südländische Gelassenheit; er wusste, dass Argumentieren an dieser Stelle ergebnislos bleiben würde. Mit einer großen Geste und einem würdevollen Gesichtsausdruck nahm er servil den Teller und ging erneut hinaus.
?Ach Tobi, immer noch kein Essen?? fragte Sonja, als sie zurückkam. Sie zeigte Tobi zur Kontrolle kurz ihre weißen Zähne.
?Du, der Ober wollte mich reinlegen, aber nicht mit mir?? Er erläutete in schillernden Farben, er den Ober zur Rede gestellt hatte. Und dass er gleich seinen Fisch bekommen würde. Nur wenige Minuten später kam der Ober zurück und stellte ebenso ungerührt einen Teller mit fünf etwa 12 cm langen Fischschnitten vor Tobi.
?Siehste, es geht doch, man muss nur hartnäckig genug sein??triumphierte dieser und begann zu essen. ?Hmmm?, so muss Fisch schmecken?!, murmelte er vor sich hin.
Alex konnte es kaum fassen, und sie raunte Matthias zu: ?Das glaub ich nicht. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, es sind Fischstäbchen ohne Panade.? Sie gluckste vor sich hin, und dabei fing zufällig der Ober einen ihrer Blicke. Und dieser schloss für einen Bruchteil der Sekunde sein linkes Auge und stand dann wieder unbeweglich und ungerührt am Rande des Geschehens. Alex nutzte erneut die Serviette zur Ablenkung und keuchte nur: ?Schatz, laß uns das Essen einpacken lassen, wir essen zuhause weiter, ich kann nicht mehr.?
Matthias hatte seine Frau nun schon geraume Zeit beobachtet, und jetzt ging ihm ein Licht auf: ?Sage mal, Alex, du bist so gut drauf, bist du geschlechtsreif??
Alex schaute ihn eine Sekunde stumm an, ehe sie begriff, was er meinte, beugte sich vor und sagte unter größten Schwierigkeiten: Ich bin seit mehr als 25 Jahren geschlechtsreif, mein Schatz?. Ich muss hier raus, sonst platze ich?. Und mit diesen Worten schnappte sie sich ihren Mantel und ihre Tasche und stürmte ins Freie, wo man nur noch ein lautes Lachen hörte.
Bisherige Antworten

Einfach nur genial! :-)))

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