Alex 55/56
Nach einem eher einsilbigen Frühstück, bei dem sich Alex mit Mühe Bissen um Bissen in den Mund schob und Matthias sie ab und zu durch belanglose Fragen aus ihrem Grübeln aufschreckte, rückte das Treffen mit Bea immer näher. Wie immer, wenn sich Alex unwohl fühlte, zog sie sich besonders gut an, sie zog einen engen fast langen Rock an, der ihre gerundete aber wohlgeformte Figur gut zur Geltung brachte und suchte dazu eine ihrer unvermeidlichen weißen Blusen aus. Heute waren wieder ohne Zweifel hochhackige Schuhe angesagt, die Schmierblutungen machten jede Rücksichtnahme auf eine Einnistung unsinnig. Über die Schulter knotete sie einen leichten Wollpullover, sonst fand sie ihr Out-fit doch zu bieder. Aber so mochte es gehen. Bevor sie losging, wollte sie sich selbst eine Art Rechenschaft über ihre Gefühle abgeben. Was war mit ihr los? Gönne sie ihrer besten Freundin das Glück nicht, Mutter zu werden. Nein, genau das war der Punkt, sie gönnte es ihr nicht. Sie hätte es Hannah gegönnt, die ernsthaft versuchte, wieder schwanger zu werden und deren Denken und Sehnen dem ihren gleichzusein schien, aber nicht Bea. Das musste sie zugeben. Selbst bei Hannah wäre der Eifersuchtsstachel da gewesen, auch wenn sie ihr vollen Herzens Glück gewünscht hätte, aber nicht bei Bea, da stellte sich keine Herzlichkeit ein. Alex war sich relativ schnell darüber im Klaren, warum das so war: Hannah wollte ein Kind, und zwar aus reinen Motiven, sie bezweckte damit nichts als das Kind. Und sie war ihr gegenüber, wenn auch nach einigen Monaten, offen gewesen. Die war genau wie Alex in der Kinderwunschmühle gefangen zwischen erstem Zyklustag, Eisprung und Mens, zwischen Bangen, Hoffen und bitterer Enttäuschung. Und sie versuchte es jetzt auch schon monatelang. Das waren Gründe genug, es ihr zu gönnen. Und all diese Dinge trafen für Bea eben gerade nicht zu: Sie hatte keinen edlen Motive, sondern die Schwangerschaft ? Alex vermied hier, an ?das Kind? zu denken, sollte entweder Peter an sie binden oder eine Rache für seine Zurückweisung sein, eben wie man es sah; Bea hatte noch vor ein paar Tagen laut getönt, sie wolle nie und auf keine Fall Kinder, obwohl sie die Pille einfach mal so weggelassen hatte ? und sie war einfach so ohne wie ein Hamster im Käfig im 14-Tage-Rhythmus zu leben schwanger geworden. Das konnte Alex ihr nicht verzeihen, auch wenn objektiv betrachtet, wie Matthias sagen würde, das eine mit dem andern natürlich nichts zu tun hatte. ?Das weiß ich auch, du Idiot?, sagte sie laut zu ihm, der bereits im Büro angekommen sein
musste; doch Alex? Gesprächspartner jeder zweiten Zyklushälfte, also der Gesprächspartner im Bauch, war ja nun nicht mehr ansprechbar (eben wegen der
Schmierblutungen) und so musste Matthias herhalten. Und der schwieg dazu. ?Feigling, hätte ich mir ja denken können?, raunte Alex ihrem nicht anwesenden Mann zu und ertappte sich bei der Überlegung, dass sie vermutlich das Bild einer absonderlichen Alten abgeben würde, wenn sie so weitermachen würde. ?Okay, dann eben nicht mehr...? sagte sie vage und musste etwas bitter lächeln. Pünktlich um 10 Uhr klingelte sie bei Bea an der Tür, im Magen einen steinschweren Knoten. Fast bevor die den Klingelknopf losgelassen hatte, wurde die Tür aufgerissen und Bea fiel ihr Theatralisch um den Hals. ?Alex!? schluchzte sie. Alex machte sich steif, als sie ihre Freundin umarmte, Tränen standen ihr selbst zu, nicht Bea. Sie riss sich zusammen und drückte Bea fest, wobei sie damit eher ihr schlechtes Gewissen beruhigte, eben vielleicht doch nicht so ein schlechter Mensch zu sein, als Bea Zuneigung zukommen lassen zu wollen. Sie traf in die Wohnung und schloss die Tür. Dann fragte sie leise ?Ist Peter da??. Die Antwort war ein noch viel heftigeres Aufheulen von Bea, die inzwischen die Schulter von Alex Jacke mit Wimpertusche verziert hatte. ?Na-hein!?
?Na dann komm, wir setzen und erst einmal und dann erzählst du, okay?? Alex zog Bea mehr oder weniger ins Wohnzimmer, wobei sie sich gleichzeitig die Jacke auszog und versuchte, Bea von der weißen Bluse fernzuhalten. ?Ich hätte es wissen müssen, niemals weiß bei Bea?, dachte sie noch, bevor sie den ersten Fleck sah. Bea hatte nämlich schon unzählige Blusen von ihr mit Make-up oder anderer Schminke verziert, und jedes Mal sagte sich Alex, dass ihr das nicht wieder passieren würde, und ebenso folgerichtig passierte es dann doch, genau wie die Folgerichtigkeit, etwas Helles anzuziehen, wenn es Spaghetti mit Tomatensoße gab. ?Warum heulst du denn so? Okay, du wolltest eigentlich kein Kind, aber jetzt ist es nun einmal passiert, und das ist doch das Tollste der Welt...? begann sie unsicher ein Gespräch. ?Aber das ist so überraschend!?
Beinahe hätte Alex dazu gesagt, dass es ja nicht ganz so überraschend hatte sein können, da sie ja selbst die Pille weggelassen hatte, aber sie schwieg. ?Was ist denn so schlimm daran, ein Kind zu bekommen? Natürlich, dein Leben ändert sich, aber du wirst sehen, dass es viel schöner und reicher sein wird als jetzt.? Tausend Mal hatte sich Alex diese Worte selbst gesagt, hatte sich dabei vor Augen geführt, was sie eben nicht haben konnte. ?Und andere Frauen wünschen sich ein Kind, und du heulst, weil du eines bekommst. Och Mensch Bea, freu dich doch, Du wirst sehen, das sind jetzt nur die Hormone.?
?Du hast ja keine Ahnung, wie das ist...?herrschte Bea sie. ?Nein, da hast du recht, habe ich auch nicht, ich habe ja bekanntlich kein Kind und ich bin auch nicht schwanger?, antwortete Alex, und der Ton in ihrer Stimme hätte Bea zu denken geben müssen, aber die fuhr ungehindert
fort: ?Mir ist morgens übel, und über dem Bauch spannt es, und heiß ist mir auch ständig, und...und Peter sagt auch, wir hätten uns doch auch ohne Kind gut verstanden.? ?Das hättest du dir aber früher überlegen müssen, Bea?, sagte Alex mit einer gewissen Härte in der Stimme. ?Bei einer Kind kann man eben nicht immer ?rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln?, da hat man sich für entschieden und basta.? Sie konnte es kaum glauben, dass sie so etwas überhaupt zu Bea sagen musste. Doch Bea schaute sie nur an und entgegnete: ?Da hast du wahrscheinlich recht.? Und dabei hatte sie so einen merkwürdigen Unterton in der Stimme.
Alex 56
Alex hielt es nicht lange bei ihrer Freundin aus, sie empfand die Situation ungemütlich und sah sich einer Fremden gegenüber. Konnte Bea denn überhaupt nicht erkennen, was für ein großes Glück sie hatte? Sie hatte sogar die Möglichkeit einer Adoption angesprochen, doch Bea hatte nur geschnaubt und gesagt, sie würde doch nicht für eine Fremde ein Kidn austragen und sich zum Gespött der Leute machen.
Hier war eine für Alex neue Seite von Bea, und Alex merkte, dass sie sie verabscheute. Die Gedanken ihrer Freundin, oder der Frau, die sie für ihre Freundin hielt, widerten sie an. Und nur aus alter Verbundenheit und aus eigenem schlechten Gewissen blieb sie sitzen, wenn Bea ihr immer wieder vorhielt, sie könne die Situation unmöglich beurteilen, da sie ja nicht in dieser Lage sei. ?Du hast ja gut reden, einen tollen Job, einen super Mann an der Angel, und wenn es bei euch passieren würde, dann würde dein Göttergatte dich vermutlich auch noch auf Händen tragen?, klagte Bea sie an. ?Bei mir ist das was anderes. Ich habe eine tolle Beziehung mit Peter, aber er möchte nicht so gerne ein Kind, also wäre ich sozusagen alleinerziehende Mutter. Alleinerziehend, weißt du überhaupt, was das bedeutet? Alles alleine zu machen? Wenn das Blag brüllt, ist keiner da, der für dich in der Nacht aufsteht, der die widerliche Windeln wechselt. Und mit dem Erziehungsgeld komme ich auch nicht weit. Und ? soll ich Peter verklagen, damit er bezahlt? Wir wollen miteinander Spaß haben, verreisen, vielleicht erst einmal ein Haus bauen, wenn es so weit ist, und dann kann ein Kind kommen. Das sagt auch Peter.? Alex starrte Bea an. Sie konnte kaum glauben, was sie dort hörte, sie wusste nur, dass Bea nicht bereit war, dem Kind einen Platz in ihrem Leben einzuräumen. Bisher noch nicht, aber das würde sich bestimmt ändern, wenn sie es auf dem Ultraschall sah oder wenn es in ihr strampelte. Doch sei hatte für heute genug. ?Das hättest du dir alles früher überlegen müssen, aber schlaf noch einmal drüber, dann sieht bestimmt alles anders aus.? Mit diesen Worten verließ sie das Haus, in dem sie bis heute so viele schöne Stunden verlebt hatte. Vor der Tür nahm sie das Handy heraus und wählte Matthias Nummer. ? Hi Schatz, hast du Zeit?? ?Nicht viel, was möchtest du denn?? Matthias Stimme klang distanziert, wie immer, wenn sie ihn unpassend im Büro erwischte, und wie immer war sie darüber verletzt. Sie wollte das Gefühl haben, dass ihr Mann immer liebevoll für sie da war, aber jedes Mal bei einem solchen Gespräch wusste sie, dass sie das eben nicht bekommen würde. ?Nicht so wichtig, ist schon okay, bis nachher. Ach, du musst nicht wieder mit dem Bus fahren, ich kann dich nachher abholen, okay?? ?Danke, ich sage dir Bescheid, ich hoffe, dass der Wagen heute wieder aus der Werkstatt kommt, ist aber lieb von dir. Tschüss mein Schatz.? ?Tschüss?, sagte sie, doch sie hatte das Gefühl, dass er das schon gar nicht mehr hörte. Sie wählte erneut eine Nummer. ?Hannah? Man, bin ich froh, dass du da bist, hast du Zeit für mich? Mir geht?s nicht so toll...ja, auch, wie immer, wenn die Mens kommt, oder?? Sie lachte schon ein wenig befreit, niemals zuvor hatte sie so locker am Telefon derartig einfache aber tiefgreifende Informationen abgeben können. Doch Hannah wusste, was es hieß, wenn die Tage aller Tage vor der Tür standen, und wie man sich dann fühlte. Unwert, hässlich, dick, dumm, unfähig.
Und besonders nach einem Gespräch, in dem einem immer wieder gesagt wurde, man hätte ja keine Ahnung. Wie sie diesen Spruch haßte. Ob den Leuten klar war, wie sehr das verletzte? Meinten die eigentlich, jeder Golfplatzplaner hätte ein Super-Handikap? Egal, sie kannte ihr Handicap, ihre Behinderung: die Kinderlosigkeit oder besser: die derzeitig gefühlte Aussichtslosigkeit ihres Wunsches nach einem Kind.
Ganz ehrlich: Bea würde ich aussortieren.
Re: Ganz ehrlich: Bea würde ich aussortieren.
Re: Ganz ehrlich: Bea würde ich aussortieren.
Ganz liebe Grüße und nochmal vielen lieben Dank für Alex. Die ist wirklich klasse.
Lena
Re: Ganz ehrlich: Bea würde ich aussortieren.
Re: Ganz ehrlich: Bea würde ich aussortieren.
klar gibt einem das auch wirklich Auftrieb, wenn es alle lesen. Aber daß Du Deinen Humor zwischendurch mal verloren hast, kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man Alex liest.
Aber ich glaube, Alex muß irgendwann mal in eine gebundene Form gebracht werden. Ich bin mir sicher, das hätte Erfolg! By the way: Hat der Salatmann inzwischen begriffen, daß Du keine Knoblauchsoße willst?
Ganz liebe Grüße
Lena
Re: Ganz ehrlich: Bea würde ich aussortieren.
Wow!
Gleich zwei Folgen - hab ich mich darüber gefreut! Ich sag dir, so vieles
wiederkenne ich in deiner Geschichte - ich freue mich täglich darauf - schau
täglich nach, obs denn nun schon weitergeht!
Wenn deine Geschichte in Buchform vorhanden ist, dann weiss ich schon
unendlich viele Leute, die das Buch von mir als Geschenk bekommen:-))))
Sei lieb gegrüsst!
Espoir
Re: Wow!
Re: Alex 55/56
Weißt du was ich an alex so gut finde? Dass es nciht nur mir so ging..ich entdecke mich in vielen dinegn *bis auf die Testpullerei* wieder. ich habe auch aufgeheult ,als meine Schwester schwanger war. Ich war mir lange unsicher, ob ich nicht übertrieben haben, weil ich obwohl wir recht offen war, wenig Verständnis bekommen haben und mir immer krankhafter kIWU unterstellt wurde.
Herzlichen Dank für alex....sie ist einfach klasse...
LG Glasi
Re: Alex 55/56
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