Alex 38
Als Matthias nach hause kam, war Alex bereits bestens für das bevorstehende Gespräch präpariert. Alle Insignien des Kinderwunsches waren verschwunden, in ihrem Kleiderschrank waren die weiten ?Erwarte-baldige-Schwangerschaftskleider? nach hinten gerückt und die eher eng geschnittenen Röcke und Kleider auffällig in vorderer Reihe aufgehängt, ebenso war sie mit den Blusen und Pullovern verfahren. ?Wäre doch gelacht, wenn ich den nicht kriege?, dachte Alex in Erwartung der Reaktionen von Matthias. Dem Gedanken, dass sie ja wohl schon schwanger war, hatte sie insofern Rechnung getragen, als sie die dafür geeigneten Kleidungsstücke in einem gesonderten Fach leicht zugänglich aufbewhrte. Die mit ihrer Reaktion verbundene Inkonsequenz, gerade jetzt, wo sie den positiven LH-Test in der Hand hatte, die engeren Kleider herausgeholt zu haben, hatte sie in Gedanken schnell als notwendige Handlung abgetan.
Und so saß Alex äußerlich entspannt auf dem Sofa, die Versöhnungssektgläser auf dem Beistelltisch neben sich, eines davon scheinbar schon halb geleert (nur dass Alex wegen des Testes nicht einen Schluck getrunken hatte, aber der Lippenstift war an der richtigen Stelle und das Glas innen einseitig korrekt benetzt), das zweite noch leer. Sollte Matthias doch selbst entscheiden, ob er sich zu ihr setzen wollte.
Im Recorder lief das Video ihrer Hochzeit, minutenlang hatte Alex vor- und zurückgespult, um die Szene des schönsten Kusses zu dem Zeitpunkt laufenzulassen, in dem Matthias ins Wohnzimmer kommen und sie begrüßen würde.
?Der perfekte Mord wäre leichter inszeniert?, dachte Alex und lächelte grimmig.
Endlich hörte sie den Schlüssel im Schloss und kurz darauf kam ihr Mann auch schon am Wohnzimmer vorbei, unsicher durch den Spalt schauend, welche Szene sich dahinter verbarg. Und diese hätte kein besseres Regiebuch haben können, denn Alex hatte die Gläser so gestellt, dass sie durch den Türspalt zu sehen waren. Leichte Orientierung dazu hatte sie bei Loriot gefunden, als er sagt ?das Bild hängt schief?, der Betrachter aber durch den Türspalt nur eine scheinbar intakte Möblierung sieht, nicht aber das Chaos, das sich dahinter verbirgt. Und genauso hatte es sich Alex vorgestellt, die perfekte Fassade, und Matthias sah nicht, was sich dahinter verbarg. Für derartigen Hintersinn hatte sie schon immer ein Faible gehabt.
Wie vorauszusehen kam Matthias sichtlich erfreut, dass sich die unangenehme Stimmung des Vorabends so schnell verflüchtigt hatte, und mit dem reinen Gewissen, gar nicht nach Frankfurt zu gehen, ins Zimmer.
?Hi, sieht gemütlich aus hier?? begann er zögerlich tastend den Dialog und warf dabei erst einen Blick auf die Gläser und dann auf den Fernseher, wo er als Bräutigam im Frack innig seine wunderschöne Braut küsste. Alex schaute ihn nur an und schwieg.
?Ach Mensch, unser Hochzeitsvideo?.wir sind ganz schön glücklich, was?? redete er weiter die Stille überbrückend.
?Ja, waren wir, wer hätte da gedacht was noch alles vor uns liegt, was?? half Alex ihrem Mann nun und fuhr fort. ?Matthias, ich habe noch einmal über Frankfurt nachgedacht, und über meinen Kinderwunsch. Und im Prinzip hast du ja auch recht, ich bin doch sehr auf den Job fixiert, ist schon richtig, dass du das immer wieder bemängelt hast.?
Matthias strahlte. Genau das hatte er ihr immer wieder gesagt, sie reibe sich ja auf, und als Frau mit einem gut verdienenden Mann müsse sie eigentlich ja nicht ihr eigenes Geld nach Hause bringen. ?Ich habe mich immer gefragt, warum du so darauf pochst, zu arbeiten, es reicht doch, wenn ich von morgens bis abends aus dem Haus bin?, unterstützte er sie nun. Und vergaß dabei die eine Kleinigkeit: dass es für Frauen vielleicht ebenso viel Spaß bedeutet, sich beruflich zu beweisen, wie für Männer. Matthias strahlte, seine Frau war doch die Beste. ?Ich habe dir ja immer gesagt, du könntest auch schönere Dinge tun.?
Sichtlich erleichtert, dass Matthias so schön mitmachte, Alex fuhr fort: ?Ich habe auch darüber nachgedacht, dass du dich noch nicht als reif für ein Kind ansiehst, und vermutlich hast du auch darin recht. Es wäre falsch, wenn ausgerechnet du ein Kind zeugen würdest, Kinder brauchen Liebe und unbedingte Zuwendung, und das kannst du noch nicht geben, das sehe ich ein.? Sie holte kurz Luft und fuhr fort. ??und dabei musste ich mir eingestehen, dass ich der Auffassung bin, dass Männer, die dem Kinderwunsch ablehnend gegenüberstehen, auch keine Kinder zeugen sollten. Vermutlich werden sie ? ähem, also du .- nie dazu in der Lage sein, ein Kind liebevoll anzunehmen.? So, nun war es raus. ?Aber vielleicht ändert sich das ja noch?? fügte sie versöhnlich hinzu. Und dann ?Also habe ich mich entschlossen, den Kinderwunsch aufzugeben, und um mich den schönen Dingen des Lebens zuwenden zu können, habe ich mich gleichzeitig aus der Firma beurlauben lassen, denn ohne Kind reicht dein Verdienst dann ja für uns beide.?
Matthias starrte sie an. Das waren zwei schwer verdauliche Informationen für ihn, und während er im Unterbewusstsein ungemütlich speicherte, dass, wenn sein Job in London nicht erfolgreich sein würde, auch Alex keinen Verdienst haben würde, fand er die Information, seine Gene wären es nicht wert, weitergereicht zu werden, einfach unglaublich. Denn das war die reduzierte Aussage, die bei ihm ankam.
?Wie meinst du das, ich sei nicht reif dazu? Meinst du, andere Eltern wären reifer als wir?? Mit Genuss registrierte Alex das ?Wir?, das zum ersten Mal seit langer Zeit in Hinblick auf den Kinderwunsch auftauchte, und die Tatsache, wie echauffiert Matthais nun war. Wo war jetzt der coole Geschäftsmann?
?Naja, aber wir haben ja noch Zeit. Und wenn ich dann zu alt sein sollte, dann bleiben wir eben kinderlos, das ist ja auch nicht schlimm. Du weißt ja, allein die Häufigkeit des Einsprunges schon wird mit jedem Jahr ungewisser, und sogar der männliche Sperma kann qualitativ schlechter werden. Aber darüber müssen wir uns ja zum Glück keine Gedanken mehr machen. Und über das Muss des Sex auch nicht mehr.? Alex hatte diese Sätze vorher reichlich üben müssen, aber nun konnte sie über das gesamte Gesicht strahlen. ?Prost, mein Schatz!? und goss Matthias den Sekt ein, wohlwissend, dass ihr Mann nun lieber einen kräftigen Schnaps hätte haben wollen.
Re: Alex 38
Weiter so!
LG, Cherish
*brüll* Wie perfide!
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