Alex 33
?Manthei, Guten Tag,? sagte Alex mehr mechanisch als anteilnehmend, denn sie war gerade auf eine interessante Seite im Internet gestoßen und hatte Mühe, ihre Gedanken auf eine Anruf zu konzentrieren.
?Hi Alex, ich bin?s schon wieder, Bea. Störe ich oder hast du Zeit.?
?Nö, geht.?
?Ich muss mit dir sprechen? ich habe mit Peter gesprochen.?
?Und? Will er oder will er nicht? Kinder meine ich.?
?Das ist es ja? ich will dir das persönlich sagen. Um halb fünf beim Italiener, also wie immer??
Alex verdrehte die Augen, sagte aber ?Ja klar, bis gleich?? und legte auf. Bea hatte irgendwie aufgewühlt geklungen, und es war typisch, dass sie am Telefon nicht sagte, wo der Schuh drückte. Daran hatte sich Alex im Laufe der Jahre nur ungenügend gewöhnt, aber da war bei Bea nichts zu machen, wenn sie Dinge nur persönlich sagen wollte, schwieg sie wie ein Grab.
?Wenn die mir jetzt sagt, dass sie für Peter nun doch ans Kinderkriegen denkt, bringe ich sie um?, dachte Alex und vollführte mit dem Kugelschreiber wilde Verrenkungen, als würde sie jemanden erstechen. Dabei machte sie das Geräusch, das jeder Fan klassischer Filme aus der Mordszene des Filmes Psycho kennt. Dass in diesem Augenblick die schwergewichtige Vorzimmerzofe die Tür öffnete und verdutzt guckte, hielt sie in ihrem Tun nicht ab. Stattdessen fragte sie ungerührt mit als Messer erhobenem Kugelschreiber.
??was Wichtiges? Bin gerade dabei, meine beste Freundin zu erstechen??
?Das sehe ich, aber ich sollte Ihnen lieber einen Brieföffner geben, der liegt besser in der Hand.? Herr Münstermann ließ sich durch seine Chefin nicht beirren, er gehörte zu der mitfühlenden erfahrenen Sorte, die schon zahlreiche Chefs unterstützt hatte. Alex hielt inne.
?Haben Sie auch einen mit Blut? So wie bei dem Gartenzwerg ?Nachbars Rache???
Nun schaute er doch verständnislos und schüttelte den Kopf. ?Nee, höchstens ein Messer mit Marmelade, wenn das hilft?, meinte er grinsend.
?Na gut, dann bleibt sie eben am Leben.? Pathetisch steckte Alex den Kugelschreiber in die nicht vorhandene Lederhülle zurück und schaute tief bedauernd. ?Musste mal raus?? war ihre Erklärung. Anstatt einer Antwort stellte ihr Herr Münstermann einen frischen Kaffee hin und legte ein Fax auf den Tisch. Es war die Bestätigung der Buchung für das Wellness-Hotel.
?Tut Ihnen dann bestimmt gut?? sagte der Vorzimmermann bedeutungsvoll und verkniff sich ein ?in Ihrem seelischen Zustand?.
Seine Chefin schaute das Papier kurz an und nickte. Alles ging klar, Hanna und sie und vielleicht ihr kleiner Krümel würden Spaß haben. Oder zwei Krümel, oder drei, oder sogar vier, wenn sie beide Zwillinge bekommen würden. Ein gemütliches Strahlen ging über Alex Gesicht, sie liebte mittlerweile solche Gedankenspiele.
Die Zeit bis zur Verabredung verging wie im Fluge, denn zu tun hatte Alex im Büro eigentlich reichlich, und da sie den über Vormittag abgelenkt war, war doch viel liegen geblieben.
Pünktlich wie immer war sie im Bistro und bestellte sich zunächst ein Wasser. ?Heute bestimmt kein Alkohol, basta,? sagte sie sich. ?Und kein Kaffee, denn auch das ist ein Gift, sagt das Internet.? Bis Bea kam, sprach sie noch eins Weile mit sich und mit ihrem noch ungeborenen, sozusagen frisch eingenisteten Kind und kommentierte ihr Tun in Hinblick auf ihre potentielle Schwangerschaft
?Hey du, halt dich fest, gleich kribbelt es, wenn die Kohlesäure kommt.? Ab und zu schaute sie an sich herunter, ob man schon etwas sehen konnte. Konnte man, wie sie feststellen musste, nämlich ein paar Kilo zu viel.
?Huhu Süße, ich bin da!? flötete Bea auch schon und schmatzte ihr einen Kuß auf die Wange.
Und zur Bedienung.? Ein Wasser bitte!?
Alex zuckte fast zusammen. Bea trank Wasser! Das hatte sie noch nie erlebt, normalerweise war es mindestens ein Milchkaffee. Wasser war doch etwas für Schwangere. Ihr wurde heiß, das konnte nicht ihr Ernst sein!
?Und, was ist denn nun ?? insistierte Alex und zog ihre Freundin unsanft in den Sessel.
?Peter will keine Kinder??
?Mensch super, dann ist ja alles geritzt! Freu dich doch?!?
?Eben nicht! Kannst du dir vorstellen, wie verletzend es ist, wenn der Typ deiner Träume dir sagt, er will keine Kinder von dir? Er habe ja auch noch Zeit, es sei zu früh für ihn, er könne sich nicht festlegen, und er bezweifele, dass ich Kinder erziehen könne, wo ich sie ohnehin nicht mag. Du, der will kein Kind von MIR!? Beas Stimme überschlug sich fast.
?Mensch Bea, du willst doch auch keine Kinder, noch vor drei Tagen hast du gejammert, du vermutest, er will, aber du erklärtermaßen nicht, und nun jammerst du mir vor, er will keine. Das wäre doch perfekt für dich.?
?Nee, er hat mich echt vor den Kopf gestoßen. Er traut es mir gar nicht zu, oder besser: Er verschmäht die Frucht meines Liebes.? Bea schaute triumphierend, ihr gefiel der Ausdruck.
?Naja, den Spruch kenne ich aus einem anderen Zusammenhang?, entgegnete Alex trocken. Zum ersten Mal wurde ihr so richtig bewusst, dass Frauen auch komplizierte Wesen sein können.
?Er will das Einzigartigste, was ich potentiell zu geben habe, mein größtes Geschenk, nicht haben.?
?Einziger als Einzigartig gibt es nicht, sagt die Grammatik. Und bisher hast du es doch immer als eine Belastung angesehen, als potentielle Mutter angesehen zu werden. Mensch Bea, ich kann dich da echt nicht verstehen. Er kann es dir aber auch nicht recht machen.? Alex war innerlich ziemlich sauer, für Bea schien das alles ein Spiel zu sein.
?Aber ich fühle mich so zurückgestoßen. Er lehnt dadurch mich doch ab und hat gar keine gemeinsame Zukunft mit mir.? Nun standen Tränen in ihren Augen.
?Wie soll er denn, wo du nicht einmal selbst weißt, wie diese Zukunft aussehen soll.? Alex war nun doch ungehalten, ihre mitfühlende Ader war versiegt. Bea benahm sich wie eine pubertierende Sechzehnjährige, die ein Kind haben wollte, weil der Kuschelbär nicht mehr altersgemäß ist.
?Nee Bea, tut mir leid, da kann ich dir nicht folgen. Und wenn du dir im Klaren bist, was du wirklich willst, dann musst du darüber mit ihm sprechen, aber du darfst ihm nicht vorwerfen, dass er das, was du nicht willst, selbst nicht mit dir will. Da steigt ja kein Mensch mehr durch.? Am liebsten wäre sie nun gegangen, aber ein wenig solidarisch wollte sie mit Bea nun doch sein, die so ganz bedröppelt neben ihr saß.
?Und was mache ich jetzt?? fragte Bea kleinlaut.
?Mit dir selbst ins Reine kommen, schlage ich vor?? meinte Alex sarkastisch. Aber irgendwie war es ihr, als wollte Bea mit der Frage mehr sagen, nur kam in diesem Augenblick die Bedienung und wollte kassieren, da Schichtwechsel bevorstand. Und danach saßen beide nur noch versunken in den Sesseln, tranken ihr Wasser und beäugten sich gegenseitig.
?Wieso trinkst du eigentlich Wasser?? fragte Alex misstrauisch.
?Und du??
?Weil ich vielleicht schwanger bin? ,dachten beide, aber sprachen es nicht aus.
Oh Gott!
DAS kenne ich, das mißtrauische Beäugen des Bauches der besten Freundin. Das ist ganz furchtbar.
Und das Schlimme ist: Meine beste Freundin WAR auch noch schwanger! Sie hat sich nur vier Monate lang nicht getraut, mir das zu sagen.
Alex hat mein volles Mitgefühl. Hätte sie mal nur den Brieföffner mitgenommen!
Ganz liebe Grüße
Lena, die sich schon auf 34 freut
Re: Oh Gott!
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