Suchen Menü

Alex 22

Alex 22
Wie das immer so ist, beruhigt auch die aufgebrachteste Frau sich irgendwann einmal. Vor der Tür hörte Alex nur ein leises Kratzen, aber das konnte unmöglich Matthias sein, eher war es Phoebe, die noch kein abendliches Futter bekommen hatte. Alex schloss also die Tür zum Bad auf und horchte in die Wohnung. Nichts war zu hören außer dem Atmen ihrer Katze und deren Krallen auf dem Parkett. Matthias hatte sich entweder zurückgezogen, vermutlich schraubte er gänzlich sauer an einer seiner Maschinen.
Das ließ Alex zuhause freie Bahn. Sie würde ihrem Mann ? von dem sie noch nicht wusste, ob bzw. wielange er noch ihr Mann bleiben würde ? nicht so leicht vergeben. Entschlossen marschierte sie zunächst in den Anschlussraum, in dem Waschmaschine und Trockner standen. Dort wurde ihre Wäsche von der männlichen säuberlich getrennt. Waschen würde sie für ihn nicht mehr, das war klar. Dann ging sie zur Graderobe und legte die Zettel der Reinigung auf den kleinen Garderobentisch: Sachen von der Reinigung abholen konnte er selbst. Den Zettel, auf dem er ihr aufgeschrieben hatte, was er alles aus der Stadt benötigte, legte sie feinsäuberlich zerrissen neben seine Unterlagen für den morgigen Tag. Dann öffnete sie ihren Laptop und kopierte seine Dateien ? ups, da waren auch ein paar wichtige ? auf CD und löschte das Original auf der Festplatte. So ging sie von Zimmer zu Zimmer und trennte ihre Sachen von denen ihres Mannes. Innerhalb von kurzer Zeit waren ihre Bilder im Arbeitsraum, der sich immer mehr zu einem Alex-Raum verwandelte, und je mehr sie umräumte, desto besser gefiel es ihr. Kurzum, sie zog aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus und richtete sich ihr eigenes ein. Ebenso brachte sie seine alten Sachen ? zum Teil aus Kisten und Kästen im Keller - im Schlafzimmer schön arrangiert unter. Zu guter Letzt schrieb sie sich noch einen Zettel, der sie am nächsten Morgen daran erinnern sollte, ihm die Vollmacht für ihr Bankkonto zu entziehen. Alle notwendigen Papiere hatte sie schon zu sich ins Zimmer geholt, um im Zweifel die Scheidung einreichen zu können.
?So, sieh zu, wie du ohne mich klar kommst?, dachte sie erbost. Und um ihm sein Alleinsein noch deutlicher zu machen, räumte sie zudem den Kühlschrank aus (im Keller gab es eine zweiten, aber an den würde er bestimmt nicht denken) und nahm das Telefon in ihr Zimmer. Und dann wollte sie in aller Ruhe einen Schlachtplan für die nächsten Wochen entwerfen.
Als Matthias nach hause kam, fand er trügerische Ruhe vor. Nur Phoebe schnurrte um ihn herum, Alex war nicht zu hören. ?Zum Glück ist die Schlafzimmertür nicht abgeschlossen?, dachte er erleichtert, als er die Klinke heruntergedrückt hatte und sich die Tür öffnete.
?Schatzi?? fragte er, als er über einen Karton stolperte. Er konnte sich in der Dunkelheit gerade noch abfangen und machte schnell das Licht an. Was er dann sah, war kaum zu fassen. Alex hatte alle Dinge aus seiner Junggesellenbude genauso aufgebaut, wie er es etliche Jahre zuvor zusammengestellt hatte, nur wirkte es nun doch recht unwirklich, denn das Bett war eben unverkennbar das Ehebett, und das war leer, zumindest auf der einen Seite, auf seiner Seite fanden sich all die Dinge, deren Existenz er über Jahre zu vergessen gesucht hatte, das Plüschkissen im Schalke-Motiv, die Gabel einer seltenen Kawa über dem Bett (allerdings nur notdürftig befestigt, sie würde ihm unweigerlich bei der ersten starken Bewegung im Bett auf den Kopf fallen), ein Elefantenzahn, den sein Onkel ihm einmal geschenkt hatte, und den er heute wegen der rigiden Artenschutzbestimmungen nicht mehr loswerden konnte, ohne sich strafbar zu machen, diverse alte kultige Cola Dosen und sogar eine Reihe alter Jeans, in die er bestimmt nun nicht mehr passte. Und auch seine Daumendecke war AufSchalke!
Alex war also weg! Mit dieser Reaktion hatte er überhaupt nicht gerechnet, bisher hatten sie doch an einem Strang gezogen, und der Tag war so perfekt gewesen. Was war denn verkehrt gelaufen? Matthias kramte in seinem Schrank und holte sich das männliche Allheilmittel Nr. 1 heraus: Whisky, eine alte Flasche, die er dort für harte Zeiten gebunkert hatte. Er musste seine Situation genau durchdenken. Doch je mehr er trank, desto stärker wurde das Gefühl, dass Alex, seine Alex, ihn im Stich gelassen hatte. Oder hatte er was Falsches gesagt? Ja, okay, er hatte ihr das mit Frankfurt nicht so recht sensibel gesagt, aber sie wollte doch abgesichert sein, oder? Obwohl er das kleine Teufelchen ?Gewissen? durch Alkohol zu betäuben suchte, gelang es ihm nicht, im Gegenteil, je mehr er trank, desto deutlicher wurde das Gefühl, dass er das Ganze ziemlich verpatzt hatte. Aber er konnte nicht sagen, was genau er anders hätte machen sollen. Aber ohne Alex Leben, das wollte er doch auch nicht? in Selbstmitleid und schlechtem Gewissen versunken schlief auch Matthias irgendwann ein, während Alex die ganze Zeit gelauscht hatte, ob er vielleicht zumindest den Versuch machen würde, zu ihr zu kommen. Und sich vielleicht sogar zu entschuldigen, auch wenn sie die Entschuldigung natürlich auf keine Fall angenommen hätte.
Bisherige Antworten

Re: Alex 22

Hallo
hihihi...zur Geschichte. Ich finde es irgendwie traurig das die beiden so aneinander vorbei leben. Gibt es wirklich keine Männer die selber Kinder wollen? Okay, er vermisst sie. Aber er vermisst keine KInder. Hmm...das klingt sooo typisch.
LG Sabine
PS: Schöne Geschichte, gut geschrieben

Re: Alex 22

Hallo Sabine, doch, meiner will von selber ganz doll Kinder. Und auch Männer sidn lernfähig, ob frau es glaubt oder nicht *g*. Aus einer tiefen Krise KANN eine gute Beziehung entstehen, wenn es beide wirklich wollen. Aber das Ende ist auch für mich noch völlig offen. Danke für den Zuspruch, es motiviert mich sehr, weiterzumachen! LG, Fairwind

Re: Alex 22

Hallo Fairwind,
danke, dass Du die Folgen jetzt auch hier reinstellst. Dann brauch ich nicht erst in anderen Foren suchen *faulbin*
Also ich finde, dass Alex auch ein ganz schönes Päckchen mit daran trägt, dass die beiden so aneinander vorbei leben! Bin schon gespannt auf die nächste Folge!!!
Jutta

Re: Alex 22

Hallo Jutta, ich denke, jeder von usn hat schon einmal solche Phasen mitgemacht, im Zweifel war es dann nicht der richtige Partner... Mal schauen, was ich so draus mache, ich halte euch auf dem Laufenden, LG, Fairwind
Meistgelesen auf 9monate.de
Diskussionsverlauf
Rat und Hilfe zur Bedienung
Übersicht aller Foren

Mit der Teilnahme an unseren interaktiven Gewinnspielen sicherst du dir hochwertige Preise für dich und deine Liebsten!

Jetzt gewinnen