viele Gedanken geistern gerade durch meinen Kopf. Wirr, durcheinander. Am 09.August hatte ich ja in der 20. Schwangerschaftswoche unseren Sohn Emilian bedingt durch eine Infektion zur Welt gebracht. Am 20.August hatten wir eine wunderschöne Beerdigung. Zuerst dachte ich, daß es mir danach besser ginge, denn ich hatte ja bewußt "losgelassen"... Im Anschluß verbrachte ich jeden Tag sehr viel Zeit an Emilians Grab, genoß die Nähe, die Ruhe. Viele Tränen weinte ich, immer wieder kam die Frage nach dem "Warum", auch wenn ich wußte, daß diese Frage mehr als sinnlos ist. Es gibt darauf keine Antwort, doch der Schmerz war so unbeschreiblich groß.
Ich fing an, mein Schwangerschaftstagebuch weiter zu schreiben. Es kamen viele Gedichte und Texte hinzu. Nichts trauriges, nein, nur Geschichten, die Hoffnung machen und natürlich meine Gefühle. Die Trauer und der Schmerz wandelten sich in hoffung und tiefe Liebe, ich konnte meinen Engel nun endlich wirklich bewußt fliegen lassen, denn Engel müssen fliegen, nicht wahr? Am 30.August war ich wieder einmal am Grab und schrieb unter anderem:
"...Momentan habe ich große Sorgen um Deinen Papa. Ihm geht es seit ein paar Tagen nicht sehr gut, das kenne ich nicht von ihm. Vielleicht bin ich derzeit etwas empfindsam, aber sofort bekomme ich eine wahnsinnige Angst. Ich liebe Deinen Papa doch so sehr, ich will nicht, daß es ihm schlecht geht. Kannst Du nicht für eine klitzekleine Weile sein klitzekleiner Schutzengel sein? Oder zumindest einen größeren um seine Hilfe bitten? Mein Sternchen, ich vermisse Dich so sehr und gleichzeitig bin ich so froh um diese vielen Erfahrungen die ich machen durfte/mußte. Aus jeder einzelnen habe ich gelernt. Nichts ist umsonst gewesen... Ich liebe Dich, Deine Mama"
Am 01.September war ich das nächste Mal bei meinem Kleinen und schrieb:
"Mein Engel! Wieder einmal sitze ich hier bei Dir. Es ist so wunderbar friedlich, ein Ort an dem ich Kraft tanken kann... Bis vorhin ging es mir sehr schlecht. Angst hat mir den klaren Verstand geraubt, pure Verlustangst um Deinen Papa. Und das wegen einem banalen Fieber. Sogar ein Gedicht habe ich darüber geschrieben, doch solche negativen Gedanken haben bei den Schönen an Dich nichts zu suchen. Bevor ich hierher kam war ich in der Kirche, etwas, was ich sonst nie oder nur sehr selten mache. Ich habe aus tiefstem Herzen gebetet. Gebetet, daß Gott die Menschen beschützt, die ich liebe, wahrscheinlich hätte ich dies schon viel früher machen sollen. Mein Schatz, ich bin so unendlich dankbar, daß ich Dich habe, auch wenn die Zeit zu kurz war, du hast mir so unendlich viel gegeben, dafür danke ich Dir bis in alle Ewigkeit, Deine Mama"
Einen Tag später bekamen wir unserem Hausarzt den Blutbefund, da mein Mann Gott sei Dank beim ihm war. Er mußte sofort ins Krankenhaus -> Verdacht auf Leukämie! Dies war ein Freitag. Am Montag darauf wurde der Verdacht bestätigt. Bis heute liegt er ihm Krankenhaus, wie lange es dauern wird weiß niemand, auch nicht ob er wieder ganz gesund wird. Sollte man Emilians Geschichte nun als Schicksal sehen, als seine Aufgabe? Ich weiß es nicht und habe auch keine Zeit mehr darüber nachzudenken. Ich verbringe die meiste Zeit des Tages im Krankenhaus, habe noch unsere fast vierjährige Tochter Laura, Zeit für den Friedhof ist nicht mehr, bzw. kaum. In Gedanken bin ich aber täglich bei Emilian. Ich dachte bisher, ich bin darüber hinweg, das eine Schicksal hat das andere abgelöst und so grob es sich für manche vielleicht anhören mag, mein Mann bzw. Lauras Papa hat nun Priorität. Hat bisher gut funktioniert, ich habe keine Probleme mit Schwangeren, im Gegenteil ich gönne ihnen ihr ganzes Glück von Herzen.
Und was passiert heute Abend? Da schaue ich seit Wochen mal wieder in diese doofe Glotze und da bringt bei "Lost" eine Frau ihren Sohn zur Welt. Rumms, alles kam wieder hoch und seitdem laufen die Tränen?! Ich sollte mir einen Tritt in den A... geben, denn alles was momentan zählt, ist, daß mein Mann wieder gesund wird, alles andere sollte hinten anstehen, oder sehe ich das falsch? Ich kann es mir derzeit nicht erlauben mit verheultem Gesicht bei ihm im Krankenhaus aufzutauchen, aber es tut gerade so wahnsinnig weg. Als wenn man in einer sehr tiefen, aber fast verheilten Wunde herumstochert... Wann hört das wieder auf, kann mir das jemand sagen????? Okay es ist gerade 10 Wochen her und braucht vielleicht noch etwas Zeit, aber diese Zeit habe ich momentan nicht. Verdammte sch... ich sitze hier und heule wie ein Schloßhund, ich hasse es eigentlich mich in einem Forum auszuheulen... Sorry für zutexten wer bis hierher gelesen hat dem gehört ein Orden verliehen. Aber es tut doch gut seinen Gedanken einfach mal freien Lauf zu lassen....
Traurige Grüße Alex