aus einem beitrag im Deutschen Aerzteblatt 1998
Sorgfältige Medikamentenwahl vorausgesetzt (10), gibt es kaum Gründe, vom Stillen abzuraten. Nur selten ist eine Stillpause nach Applikation indiziert (10). In solchen Fällen können durch Abwarten von ein bis zwei Halbwertszeiten, zum Beispiel bei abendlicher Einnahme nach der letzten Stillmahlzeit, Konzentrationsspitzen umgangen werden. Abpumpen der Milch als "Dekontaminationsmaßnahme" ist nicht sinnvoll, da im allgemeinen ein Konzentrationsausgleich zwischen Milch und Plasma stattfindet und das "mütterliche Reservoir" ohnehin viel größer als das Milchvolumen ist. Leider müssen wir immer wieder erleben, daß voreilig der Rat zum Abstillen gegeben wird und es dann der Stillenden, ihrem Kinderarzt oder einer Laktationsberaterin überlassen ist, das tatsächliche Risiko zu klären. Empfehlungen zum Abstillen basieren entweder auf einer Überschätzung des Arzneirisikos oder einer Unterschätzung des Eingriffs in die Mutter-Kind-Beziehung. Newman (6) aus dem Hospital for Sick Children, Toronto, pointiert die Leichtfertigkeit vieler Kollegen, mit der zum Wechsel auf Flaschennahrung im Falle einer Arzneitherapie geraten wird, folgendermaßen:
"I believe it is time we start considering infant formula a drug."
Fazit
Für fast alle Behandlungsindikationen lassen sich Arzneimittel finden, deren Einsatz in Schwangerschaft oder Stillzeit vertretbar ist. Die Auswahl muß jedoch sorgfältig anhand hierfür qualifizierter Literatur erfolgen (zum Beispiel [10]). Einschlägige Hinweise in der Roten Liste und im Beipackzettel sowie die zur Zeit gebräuchlichen Risikokategorisierungen sind für eine vergleichende Risikobewertung nicht geeignet und potentiell irreführend. Der Abbruch einer erwünschten und unkomplizierten Schwangerschaft und das Abstillen sind extrem selten aus Gründen einer Arzneitherapie erforderlich und dürfen nicht vorschnell aus vermeintlichen Haftungsgründen empfohlen werden. Eine Therapieumstellung und (in der Schwangerschaft) gegebenenfalls erweiterte, nichtinvasive vorgeburtliche Diagnostik können jedoch bei manchen Konstellationen indiziert sein. Beratungsstellen für Medikamente in der Schwangerschaft tragen durch Öffentlichkeitsarbeit und individuelle Beratung dazu bei, die Anzahl äußerlich induzierter Mißbildungen zu senken und Abbrüche von Schwangerschaften aufgrund falscher Risikoannahmen zu verhindern. Darüber hinaus bieten die von ihnen dokumentierten Schwangerschaftsverläufe eine einmalige Chance, mit geringem Aufwand die Risikoabschätzung von Medikamenten zu verbessern und einen Beitrag als "Frühwarnsystem" zur Aufdeckung neuer Teratogene zu leisten.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-2637-2642
[Heft 42]
6. Newman J: When brestfeeding is not contraindicated. Breastfeeding Abstracts 1997; 16: 27.
10. Spielmann H, Steinhoff R, Schaefer C, Bunjes R: Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit, 5. Auflage. Stuttgart, Jena, New York: G. Fischer, 1998.
Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Christof Schaefer
Abteilung für Embryonaltoxikologie der Beratungsstelle für Vergiftungserscheinungen
Spandauer Damm 130
14050 Berlin
Re: aus einem beitrag im Deutschen Aerzteblatt 1998
genauso sehe ich das auch!
LG Gala
Re: aus einem beitrag im Deutschen Aerzteblatt 1998
lg
yvonne
Re: aus einem beitrag im Deutschen Aerzteblatt 1998
Leider sehen das ja ne Menge Ärzte anders.
Meine Zahnärztin erzählt mir auch jedesmal, ich wäre wahnsinnig, weil ich meine Muttermilch nach dem Röntgen bzw. nach der Betäubungsspritze nicht "vernichte".
Aber die ist auch wirklich selten bescheuert...
Gruss inula
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