OT: Wie "Pietät" beibringen"?
heute habe ich aus traurigem Anlass mal eine Frage an Euch. Der Mann meiner Mutter - von Oskar heißgeliebt - wird in den nächsten Tagen/Wochen sterben. Er ist schwer krebskrank und schon sehr schwach. Ist aber zu Hause - hoffentlich kommt da auch nichts mehr schlimmes zwischen (irgendeine OP..), und er kann bleiben.
Nun hatte er gestern Geburtstag und wir haben ihn angerufen. Fragt Oskar ihn doch am Telefon "wann sterbst Du" - zum Glück hat der Befragte das nicht verstanden (akustisch) - ich habs dann umgebogen, dass Oskar gefragt habe, "wann fährst Du" - und damit wohl meint, dass er uns besuchen kommt (von wegen Geburtstag feiern...).
Hinterher habe ich versucht, Oskar dann zu erklären, dass das eine Frage ist, die "man nicht stellt". Klar, seine Frage war dann "WARUM" (eh ausgeprägte Warum-Phase). Ich habs dann versucht, ihm zu erklären. Nun habe ich große Sorge, dass er ihn am Sonntag, wenn wir dort sind, doch wieder frage wird. Wenn nur die beiden dann unter sich sind, fänd ichs gar nicht sooooo schlimm, da wird der Große mit umgehen können. Aber wenn wir dabei sind, wäre mir das so unendlich unangenehm, ich wüsste gar nicht, wie ich dann reagieren sollte.
Ratlose und vor allem traurige Grüße
Berit
Re: OT: Wie "Pietät" beibringen"?
wie traurig ! Das ist ja kein schöner Sommer für euch.
Hast du Oskar erklärt, wie traurig sein Opa bei so einer Frage werden kann ? Vielleicht musst du es noch ein paar Mal erklären und vielleicht auch etwas genauer...
Falls er es doch vor allen Beteiligten wieder fragen würde, würde ich ihn schon auf seine Taktlosigkeit hinweisen.
Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass er es so gar nicht versteht.... Bin da auch etwas ratlos.
Ich wünsche euch alles Gute, viel Kraft vor allem für deine Mutter. Ich finde es sehr schön, dass sie ihren Mann zuhause behält. Das wird ihr auch im Nachhinein als Erinnerung sehr gut tun.
Liebe Grüsse,
Carolin.
Re: OT: Wie "Pietät" beibringen"?
ich würde mir da keinen großen Gedeanken machen. Der Mann deiner Mutter weiß dass er sterben wird und die Frage deines Sohnes wird ihn nicht zusätzlich belasten.
Oskar weiß nicht was Sterben bedeutetund geht ganz unbefangen damit um.
Ich habe kürzlich zu dem Thema mal zwei Bücher angesprochen. Vielleicht könnten die euch weiterhelfen.
http://kind.qualimedic.de/Q-8662025.html
LG Nuria
Re: OT: Wie "Pietät" beibringen"?
ich finde es nicht so schlimm, wenn er diese Frage stellt. Es ist ja leider tatsächlich so, dass das Thema Tod derzeit in eurer Familie durch diese Krankheit eine große Rolle spielt, und alle (auch der Betroffene) wissen, was Sache ist. Dass ein Kind mit so einem abstrakten Thema erst einmal herzlich wenig anfangen kann, ist klar, und ich glaube nicht, dass dies irgendjemand überrascht.
Wenn bei uns die Situation käme und Moritz jmd in solcher Lage diese Frage stellen würde, wäre meines Erachtens am ehesten zu erwarten, dass die kranke Person das Kind an sich drückt, "bald" sagt und vielleicht auch ein bisschen weint, aber dann entweder ein anderes Thema anschlägt oder sachlich 2 oder 3 Worte dazu sagt, und dann ist es gut. Und mit einer solchen Reaktion (auch mit der damit verbundenen Traurigkeit) kann ein Kind dann umgehen und lernt so auch am ehesten, was "Tod" heißt und was dieses Thema für Empfindungen auslöst..
Ich denke, du solltest dir überlegen, wie DU reagieren möchtest, falls er eine entspr. Frage stellt - nicht aber, wie du sein Fragen unterbinden kannst. Schließlich tut er ja nichts schlimmes, dieses Thema anzusprechen - er kann ja nichts dafür, dass in unserer Gesellschaft so viele Menschen eine große Rede-Hemmschwelle zum Thema Tod haben.
Im Übrigen glaube ich, dass genau diese kindliche Herangehensweise auch für die betroffene Person nicht schockierend, sondern eher befreiend, ehrlich und in gewisser Weise auch für einen kleinen Moment im Kindermund-Sinne traurig-erheiternd sein kann. Schwierig wird die Situation nur dann, wenn man dem Kind danach über den Mund fährt, es zurechtweist. Dies macht dann nämlich jegliche angemessene Reaktion des Kranken quasi unmöglich und negativiert das Thema umso mehr.. So jedenfalls meine Meinung.
Alles Gute für euch
die Netzmaus
Re: OT: Wie "Pietät" beibringen"?
Meine Große fragt das auch immer wieder mal meine Oma. Der zugehörige Opa (also für die Kinder der Uropa) ist vorletztes Jahr gestorben und Lena kann sich anscheinend noch ganz gut an ihn erinnern, es hängen auch Fotos im Wohnzimmer der Oma etc.
Mir ist es auch immer peinlich, wenn sie sie direkt fragt ("Warum bist Du denn noch nicht gestorben, Du bist doch auch schon so alt?" u.ä.), aber die Oma geht damit eigentlich ganz locker um.
Vielleicht ist es aber schon schwerer, wenn man jünger ist und weiß, dass man wegen einer Krankheit sterben muss...
Für Kinder, die mit allem so offen und ehrlich umgehen, ist es glaub ich echt schwer einzusehen, warum man "über so was" nicht reden soll (v.a. nur dann, wenn der Betroffene dabei ist, ansonsten reden wir Großen ja auch drüber...).
Kannst Du vielleicht mit dem Mann Deiner Mutter vorher darüber reden (oder mit Deiner Mutter und sie mit ihm) und erklären, dass das Thema Rasmus gerade sehr beschäftigt und sie es ihm (und Euch) nicht übelnehmen sollen, wenn er zu direkt wird? Er ist nun mal ein kleines Kind. Vielleicht hast Du dann ein besseres Gefühl dabei, weil sie "vorgewarnt" waren?
Liebe Grüße und viel Kraft für die nächste Zeit,
Marcia
Re: OT: Wie "Pietät" beibringen"?
also, ich wuerde da nichts "unterbinden" oder versuchen beizubringen. denn vielleicht stimmt gar nicht, was du denkst. viel kraft.
gruss, lucia
Re: OT: Wie "Pietät" beibringen"?
Ich finde es ganz natürlich, daß Oskar diese Frage stellt. Genauso würde er den "Opa" auf Besuch vielleicht fragen, wann er wieder nach hause fährt. Daß es einen Unterschied zwischen den beiden Fragen gibt ist schwer verständlich.
Wiebke stellt derzeit natürlich auch ständig Fragen von ähnlichem Kaliber. Da geht es auch mal drum, wer schon alt ist, wann jemand sterben wird oder warum jemand schon tod ist. Bei uns ist das derzeit alles nur abstrakt, da wir zum Glück nicht in einer solchen Situation sind, aber als sie kürzlich beispielsweise wissen wollte, warum sie keine Onkels und Tanten hat und ich ihr dann immer wieder erklären mußte, daß ihre Tante (die Schwester meines Mannes) leider sehr krank war und deshalb schon tod ist, hat ihr die "ungeschminkte" Wahrheit am besten geholfen, das Thema zu verarbeiten.
Meinst Du, es wäre für den Mann Deiner Mutter wirklich schlimm, wenn Oskar ihm beim Besuch diese Frage stellen würde? Wenn Oskar so an ihm hängt, dann beschäftigt es ihn sicher auch, daß der Opa krank ist und bald nicht mehr da ist. Schaffst Du es, mit ihm (auch immer wieder) darüber zu reden, damit er eine Chance hat, das Thema auch ohne den direkt Betroffenen zu begreifen? Sicher wird er auch verstehen, wenn Du ihm erklärst, daß der Opa nicht gerne darüber spricht weil er selbst traurig ist, daß er bald nicht mehr bei Euch ist, aber dann braucht Oskar eben eine andere Ansprechperson, um seine Fragen beantwortet zu bekommen.
Schöne Grüße, alles Gute und noch eine möglichst schöne Zeit für Deine Mutter, ihren Mann und auch Dich und Deine Jungs wünscht Meike
Re: OT: Wie "Pietät" beibringen"?
erstmal finde ich es unter den gegebenen Umständen schön, dass der Mann deiner Mutter seinen Geburtstag noch erleben durfte. Nun drücke ich euch die Daumen, dass ihr ihm noch persönlich gratulieren könnt.
Wie schon einige meiner Vorschreiberinnen finde auch ich, dass nicht du Oskar "Pietät" beibringen solltest. Vielmehr finde ich, dass WIR von seinem kindlichen Umgang mit dem Thema Tod und Sterben lernen könnten.
Als Charlotte drei war, hat sie gesagt, dass sie immer bei mir bleiben möchte - da musste ich ganz schön schlucken. Später dann hat sie verstanden, dass wir vor ihr Abschied vom Leben nehmen müssen, wenn alles "normal" läuft. Sie sagte dann auch schonmal Dinge wie "Wenn ihr beide tot seid, ziehe ich zu Oma und Opa!" Neulich haben wir uns noch darüber unterhalten, wo sie wohl gerne leben wollte, wenn wir Eltern beide frühzeitig stürben. (Anlass war eigentlich die Begriffsklärung von "Erziehungsberechtigte".)
Für deine konkrete Situation hieße das, Oskar zu unterstützen, mit ihm zu sprechen, ihn ermuntern, dass er mit dem Mann deiner Mutter spricht. Dass du dann die Frage nicht selbst stellen magst, wenn Oskar akustisch unverständlich ist, kann ich allerdings auch verstehen...
LG und viel Kraft,
Katja
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