Gestern Nachmittag nach der Kita:
Eigentlich sollte es ja nur ein klitzekleiner Sprung in meine Lieblingsbuchhandlung werden. Luftlinie schätzungsweise 300 m. Könnt Ihr Euch vorstellen, dass ich mit meinem kleinen Winzgetüm dafür tatsächlich sage und schreibe eine geschlagene Stunde brauchte?
Es war wirklich nicht einfach, sag ich Euch. Da waren nämlich auf
dem Weg dahin dummerweise sämtliche Geschäfte so offen und freundlich mit
Futter dekoriert, dass Finn iin alle, aber auch wirklich
ALLE Läden hineintänzeln mußte:
Im Obstladen an der Ecke erbettelte er sich immerhin nur ne bescheidene
Banane. Kann man nix gegen sagen, Obst ist gesund und er hat ja auch ganz
lieb "Bitte" gesagt. Dass er kurz davor war, noch ne Handvoll Erdbeeren
heimlich in seinen "Taschenhosen" (=Hosentaschen) mitgehen zu lassen, hat
zum Glück keiner gemerkt und ich hab´s im letzten Moment auch gerade eben
noch verhindern können.
Als ich ihn nach diesem Mopsversuch endlich an den Hosenträgern von den
Erdbeeren weg und nach draußen gehievt hatte, polterte er sogleich - so
schnell konnte ich gar nicht gucken - freundlich grüßend beim Bäcker herein:
"Hallo Frau, ich möchte bitte ein Bonbon haben! Und Kuchen auch!" Die
Bäckersfrau war alt und lieb und lachte, leichte Beute sozusagen, die hat er
sofort herumgekriegt. Sie zog sogleich die hölzerne Bonbonschublade für ihn
heraus. "Eines, Finni, nur eines, o.k!?", mahnte ich vergebens und wurde
sofort von einem maßlosen "Noch viele, Mama, ganz viele, o.k!?" und einer
mir strahlend entgegengestreckten Bonbonhand übertönt. Ca. fünf bis acht
stück waren da drin, buntes Staniolpapier, die glitzerten so schön. Die
Bäckersfrau lächelte verklärt ("Er ist doch ein so ein Lieber und des
schmeckt doch sooooo gut, gell!") und winkte mit ihren staubigen Händen dem
bonbon-entblätternden Finn hinterher.
Meine kläglichen Versuche, den Bonbonschatz zu rationieren, scheiterten
leider daran, dass ich nach wenigen Metern einem uralten Bekannten in die
Arme fiel. Einer von denen, Ihr wisst schon, wo man immer sofort schon bei
der ersten flüchtigen Idee eines Gedankens an diesen Menschen ein schlechtes
Gewissen kriegt. Weil man ja eigentlich schon längst zurückrufen wollte, und
hhrrrrggggss, wir wollten uns ja schon ewig mal treffen blabla........ Nein,
er war nicht sauer, weil ich ihn die letzten fünf Jahre vergessen und seine
Anrufe ignoriert oder überhört hatte. Viel schlimmer: Er setzte
unbekümmert dazu an, eben jene letzten fünf Jahre seines bunten Lebens in
lange, sprudelnde Sätze zu verpacken. Himmel, ich war so verfangen in seinem
Geschwätz und in seinen Krakenarmen, dass ich nicht gleich bemerkte, dass
der bonbonkauende Schnorrkönig bereits im nächsten Laden verschwunden war.
Tchibo, naja, da gibt´s ja nur Kaffee und dazu noch ne Menge Tüddelkram. -
Dachte ich jedenfalls, bevor ich diesen Zausel mit einem kleinen,
plastikumhüllten Kuchen raushoppsen sah. "Aber ich hab gefragt und "Bitte"
gesagt!", schnaubte er und versuchte, seine Beute vor meinen entsetzten
Blicken zu verteidigen. Was mich an seiner Beteuerung allerdings stutzig
machte, war, dass mir auf der Unterseite der Folie ein leuchtendgelbes
Preisschild entgegenblitzte. 50 Cent, aha, das hat er dann wohl von seinem
Taschengeld bezahlt! Ich packte also Kuchen und Kind und stellte beides vor
die Kassiererin hin. "Also so ein Schlitzohr, nee! Er hat ja wirklich
dreimal ganz lieb gefragt, ob er den Kuchen haben kann. Aber die sind doch
zum Verkaufen da und ich kann die leider net einfach so mitgeben, des tut
mir ja selber leid." Ich guckte den Kuchen an und dann Finn, und dann wieder
den Kuchen und mußte feststellen, dass er gar nicht mehr so gut aussah.
Finns Tentakeln und die Bonbonreste darauf hatten ihm gar nicht gutgetan.
Also kaufte ich den Kuchen, packte ihn - unter lautstarkem Protest, versteht
sich! - in den Rucksack und galoppierte mit einem wüstwütenden Finn unterm
Arm dann endlich endlich in die benachbarte Buchhandlung hinein.
Es gefiel ihm da nicht. Es gefiel ihm da erstens nicht, weil´s nix zu essen
und vor allem den geklauten Kuchen nicht gab. Und es gefiel ihm zweitens
da nicht, weil ich mich auf die Suche nach dem "Kleinen Zauberer
Windelfutsch" machte ( wurde mir für besonders hartnäckige Fälle
empfohlen). Er ahnte offenbar, dass ich, was dieses Thema angeht, nun bald
in die "Offensive" gehe, damit das im Sommer endlich über die Bühne geht.
Ich parkte ihn trotzdem mitsamt seinem Unmut auf der Plastikwippe und wandte
mich fragend der Verkäuferin zu. "hhhmmm, neee, hamm wir leider nicht da,
müßt ich bestellen, tut mir leid"........Ich wollte gerade mißmutig mit
einem vermeintlich ebenfalls miefigen Finn den Laden verlassen, als ich
dachte, ich traue meinen Ohren nicht mehr.
"ich will mal probieren, bitte!" säuselte es aus irgendeiner verborgenen Ecke heraus. "Whhhuuuaahhhhh, das kann ja nicht wahr sein, was grapscht er sich denn jetzt schon wieder zum Mampfen ab??" Ich schnaubte und schäumte und fand ihn aber nicht gleich,
weil er sich gut getarnt hinter den Regalen versteckte. Mein Rufen und
Suchen ignorierte er völlig und ich vernahm noch zweimal ein geflötetes "Ich
will noch eine Traube bitte haben", bevor ich ihn endlich erwischte und von
dem weidengeflochtenen Einkaufskorb der grinsenden Kundin weg und über meine
Schulter packen konnte.
Den Rückweg haben wir zum Glück ohne Eskapaden - allerdings auch ohne Buch
und ohne Einkauf (der Kuchen gildet net, gggggrrrrrr!!!) - hinter uns
gebracht. Er triumphierte hoch oben auf meinen Schultern, hatte ja
schließlich an diesem Nachmittag auch gut abgesahnt.
Was für ein Nachmittag!
LG, JULI mit Finn (der bestimmt schon wieder vom Kuchen träumt)