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Ich kann nicht mehr :( Sorry sehr lang

Sorry, daß ich euch hier volljammere, aber ich brauch mal jemand, der mir "zuhört". Ich habe am Dienstag was schreckliches erlebt. Es hat morgens um kurz nach 9 bei uns an der Tür geklingelt. Sammy saß im Hochstuhl (angeschnallt), mein Mann war im Bad, also hab ich schnell auf den Türöffner gedrückt. Normalerweise hört man dann,wie unten die Tür aufgemacht wird. Da da aber nichts kam, hab ich halt gedacht es war der Briefträger und der hat halt schon wieder aufgegeben (passiert manchmal). Hab mir nichts weiter gedacht und bin zu Sammy zurück ins Wohnzimmer. Mein Mann hat dann doch mal die Wohnungstür aufgemacht, und ich hab nur gehört wie eine Frau gesagt hat:"Ich brauche Hilfe" oder so ähnlich. Ich hab gedacht, sie braucht vielleicht Hilfe beim Hochtragen von etwas oder was weiß ich. Dann ist mein Mann runter, und kam schnell wieder hoch und meinte: "Der Nachbar ist umgefallen, geh schnell mal runter" Ich hab mir dann erst schnell was angezogen (war wegen der Hitze noch in Unterwäsche), hab mir ein paar Einweghandschuhe geschnappt und bin runtergerannt. Dort war dann eine junge Frau und hat gemeint, ihr Freund liegt da und sie weiß nicht was sie machen soll. Den Notarzt hätte sie schon verständigt, aber der käme so ewig nicht und sie hat einfach mal geklingelt, vielleicht hat ja jemand im Haus Ahnung von erster Hilfe. Er lag auf der Seite bis Bauch mit Gesicht nach unten (so ein bißchen wie stabile Seitenlage).
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Teil 2

Ich hab ihn dann, nachdem ich meinte einen schwachen Puls gefühlt zu haben, vorsichtig umgedreht. Er war ganz blau im Gesicht, hatte ganz viel Speichel vor dem Mund und ganz schrecklich weite, verdehte Augen. Ich hab wieder den Puls gefühlt und dann schnell Handschuhe angezogen und geschaut, ob die Atemwege verlegt sind. Dann hab ich kurz überlegt und dann der Freundin gesagt, sie soll anfangen, ihn zu beatmen. Dann hab ich mit Herzdruckmassage angefangen, weil kein Puls mehr zu tasten war. Wir haben ein paar Mal beatmet und Herzdurck gemacht, dann kam auch schon der Notarzt. Ich bin dann mit der Freundin raus in den Wohnungsflur, weil der Raum in dem er lag nur 9 qm groß ist (weiß ich , weil wir genau die gleiche Wohnung haben) und da schon kaum Platz war für den Notarzt mit Team.
Ich bin dann bei ihr geblieben, und wir haben ständig das Geräusch des EKGs gehört, das Alarm gepiest hat. Zwischendrin immer wieder den Defibrillator. Irgendwann sind wir ins Wohnzimmer, und ein Sani hat sie informiert daß es sehr schlecht aussieht. Nach 45 min haben sie dann die Reanimationsversuche erfolglos beendet. Wie es ihr ging, brauche ich glaube ich nicht zu schreiben. Sie hat es einfach nicht fassen können. Ich bin dann noch bei ihr geblieben, bis der erste Angehörige, den wir erreichen konnten (sein Bruder) zu ihr kam. Das war so ca. gegen 12.30 Uhr. Dazwischen kamen noch die Polizei, die Kripo und noch ein Amtsarzt. Kaum war ich wieder in meiner Wohnung und hab Sammy gestillt

Re: Teil 2

der war total durch den Wind, denn normalerweise verschwindet seine Mama ja nicht so plötzlich. Kaum war ich fertig, da hat es auch schon wieder geklingt und ein Typ von der Kripo war da und wollte ein paar Fragen stellen. Er war ganz nett, und ging auch gleich wieder.
Ach ja, ich sollte vielleicht noch sagen, daß der Nachbar nicht etwas 90 Jahre alt war, sondern gerade mal 30 Jahre alt.
Ich bin seitdem irgendwie total fertig mit den Nerven. Die ganze Zeit frage ich mich, ob ich irgendwas hätte besser machen können, schneller reagieren etc. Außerdem war es einfach nur schlimm, da bei ihr zu sitzen und ihr überhaupt nicht helfen zu können. Ich hab mich so hilflos gefühlt!
Und was jetzt für mich echt das schlimmste ist, daß mein Umfeld meint, ich soll mich da nicht reinsteigern, ich solle das jetzt vergessen, und überhaupt mich nicht so anstellen, es ist ja schon 2 Tage her.
Ich frag mich langsam echt, ob ich unnormal bin, weil mir das so nachgeht??? Ich hab so unendlich viel Mitleid mit seiner Familie, ich seh im Kopf immer wieder sein Gesicht, als ich ihn umgedreht hab......und jetzt bekomme ich auch noch das Gefühl, ich sei nicht normal, weil ich das nicht einfach beseite schaffen kann.
Zu allem Überfluss kriegt Sammy auch noch seinen ersten Zahn und ist dementsprechend drauf :(
Danke fürs Zuhören, ich hab das einfach mal aufschreiben müssen.
Traurige Grüsse,
Angel

Re: Teil 2

Hallo Angel
du hast alles getan, was du tun konntest und ich bewundere dich sehr dafür...muß meinem Kleinen schnell was zu Mampfen geben, dann schreibe ich dir mehr...
LG Lucy mit Pascal *28.10.02

Re: Teil 2

Hallo Angel,
das muss bestimmt ein schreckliches Erlebnis sein. Und das braucht seine Zeit, bis es verarbeitet ist. Das ist ganz und gar nicht unnormal. Deine Reaktion ist wohl auch "normal" (ich meine deine Gedanken, ob du irgendwas besser hättest machen können), ich habe schon häufiger davon gehört.
Um das Erlebte verarbeiten zu können musst du einfach drüber reden, da ist es echt schade, dass dein Umfeld so reagiert :-(
LG Petra

Re: Teil 2

Liebe Angel,
Du bist normal! Das schon mal am Anfang. Jedenfalls empfinde ich das so!
Du hast eine echte Grenzerfahrung mitgemacht, indem Du Dich auf einmal verantwortlich für das Leben eines Menschen gefühlt hast. Dies ist eine so unendliche Bürde für jemanden, der nicht darauf vorbereitet war.
Ich finde, dass Du wahnsinnig gut reagiert hast. Allein schon die Tatsache, dass Du mit Handschuhen runtergelaufen bist und wusstest, dass man einen Puls fühlt, die Atemwege kontrolliert und mit einer Herz-Lungen-Massage arbeiten muss, war aus meiner Sicht schon mehr, als wahrscheinlich 90% der Bevölkerung weiss. Letztendlich hat die Freundin ja auch nur dort gestanden und nichts tun können, weil sie diese Mechanismen nicht verinnerlicht hatte.
Ich finde, durch Dich hat es überhaupt noch eine Chance gegeben, wenn jemals dort noch eine gewesen ist.
Lass die Gefühle erst einmal zu, denn verdrängen lassen sie sich ja doch nicht. Nimm Deinen Sohn, dem Du schon Leben geschenkt hast, geh in den Wald, hör dem Leben dort zu und versuche, innerlich Dein Gleichgewicht wiederzufinden. Für das Leben dieses Mannes hast Du nicht die Verantwortung getragen und schon gar nicht musst Du irgendeine Verantwortung für seinen Tod fühlen!
Ich bewundere Dich und hoffe, dass ich in einer solchen Situation überhaupt noch alle Erste-Hilfe-Griffe weiß.
LG
Steffi

Re: Teil 2

Definitiv hast du alles mehr als richtig gemacht! Besser hätte sicher nur ein komplett ausgestatteter Rettungswagen handeln können, wenn überhaupt... Was hatte er denn? Ist eine sehr indiskrete Frage, sorry.... aber DU hast alles getan,was du konntest! Dein Umfeld verstehe ich auch nicht... so etwas KANN man einfach nicht so schnell verarbeiten. Ich bin z.B. seit ich Kinder habe auch viel nachdenklicher geworden, gehe sorgsamer mit meinem Leben um... Du hast nun erlebt, dass es ganz schnell zu Ende sein kann, das ist eine enorme Belastung für deine Nerven im Moment. Ich kenne dich zwar (leider) nicht persönlich, aber aus deinen Beiträgen hier, lese ich immerheraus, dass du sehr nachdenklich bist und dich mit allem bis ins Detail auseinandersetzt... daher ist deine Reaktion völlig normal.... mich würde das auch sehr beschäftigen. Angel, genieße jede Sekunde mit deinem kleinen Schatz und blick auch vorwärts.....LG Conny- auch nachdenklich....

Re: Teil 2

Hallo Angel,
Ich bewundere deinen Mut, in der Situation so zu handeln. Ich wäre in der Situation sicherlich steiff stehen geblieben und hätte total panisch reagiert. In solchen Momenten bekomme ich immer wahnsinnige Angst und kann gar nichts tun!
Das, was du getan hast, war genau das richtige! Du kannst gar nichts dafür, wie es ausgegangen ist. Wie Dein Umfeld auf deine Gefühle reagiert, kann ich nicht nachvollziehen. Ein bisschen mehr Mitgefühl könnte man da schon erwarten...
Vielleicht hilft es Dir, wenn Du mit der Freundin des Mannes sprichst, oder eventuell psychologische Hilfe in Anspruch nimmst!? So ein Ereignis geht sicherlich nicht von allein an einem vorüber und sich aussprechen ist da eine wirklich große Hilfe.
Fühl Dich gedrückt! LG
Tina

So, da bin ich wieder :-))

Ich hatte vor einigen jahren ein ähnliches Erlebnis. Ich fuhr mit der Straßenbahn nach Hause, alsi ich jemanden röcheln und lallen hörte...ich drhete mich aber nicht um,denn eine Frau meinte da wäre einer betrunken.
Plötzlich gab es einen dumpfen Schlag...da drheten sich alle um - auch ich. Der Mann war zu Boden gefallen, hatte auch ein ganz blau-lilanes gesicht und verdrehte Augen...er jappste nochmal kurz nach Luft und dann war er verstorben. Ich habe mir auch noch wochnelang Vorwürfe gemahct und gedahct: Warum habe ich nicht gleich geschaut und reagiert und die Bilder gehen einem nicht mehr aus dem Kopf...du ahst gesehen wie ein Mensch sein Leben verloren hat, das bleibt einem im Kopf.
Menschen, die noch nie einen menschen sterben sahen, können das nicht verstehen und sie wollen sich auch nicht mit diesem Thema auseinandersetzen, wiel es Angst macht....daher verdrängen sie es und raten mit ihrem rat dir gegenüber, daß auch du das tun sollst...ich finde es aber viiiiel wichtiger drüber zu reden.
GLG Lucy mit Pascal *28.10.02

Re: Teil 2

Hallo Angel,
ich finde das sehr mutig und couragiert, dass ihr sofort versucht
habt, ihn wiederzubeleben. Das allein hätte schon nicht jeder
geschafft. Dass es leider nicht funktioniert hat, lag dann wohl nicht
mehr in eurer Hand. Und dass dir das nahe geht, kann ich gut
verstehen, ich wäre ganz genauso fertig. Das zu verarbeiten
dauert sicher seine Zeit, wobei sich so ein Bild natürlich ins Hirn
"einbrennt" ... das verfolgt einen und da man sowas nicht jeden
Tag erlebt (man ist schließlich kein Notarzt oder
Krankenschwester) ist es ja wohl berechtigt, schockiert zu sein!!!
Ich kann dir nur raten, versuche noch herauszufinden, WARUM es
passiert ist. Das wird dir vielleicht helfen. Ob er einen Schlaganfall
oder Herzinfarkt oder Thrombose etc. hatte ... das kann dir die
Nachbarin sicher nach der Obduktion sagen.
Ich schicke dir mal ganz viel Kraft rüber und liebe Grüße
Ludi

Re: Teil 2

Hallo Angel,
ich muß sagen, daß ich Deine Leistung echt bewundere. Ich bin einmal zu einem Unfall gekommen. Ein Fußgänger wurde angefahren. Man soll es nicht glauben - KEINER hat dem Mann geholfen. Ich bin aus meinem Auto ausgestiegen, weil es nicht vorwärts ging. Als ich sah, was passiert war, habe ich mir meinen Sanikasten geschnappt und bin hin. Einige Anwohner fingen schon an den Mann von der Straße zu holen. Ich kann es bis heute nicht fassen, daß ich NICHT in der Lage war ein Pflaster abzuschneiden. Ich habe so gezittert, daß ich mit der Schere nicht mal richtig das Pflaster getroffen habe. Deshalb bewundere ich Deine Leistung so. Daß dieses Erlebnis nicht einfach in die Schublade gesteckt werden kann ist eigentlich klar. Wenn Deine Umgebung das nicht begreift, dann kann ich das eigentlich nicht begreifen. Dort war nicht nur extreme Hilfe zu leisten, da ist ein Mensch gestorben. Kannst Du wenigstens mit Deinem Mann darüber reden?
Ich wünsche Dir trotzdem, daß Du dieses Erlebnis schnell verarbeiten kannst. Suche Dir jemanden, der Dich versteht. Bei dem Du Dich aussprechen kannst.
Liebe Grüße Kerstin

Re: Teil 2

hallo du arme:-(
ich kann sooo gut verstehen, wie es dir geht...
ich hatte ein ähnliches erlebnis nach dem zweiten staatsexamen, also kurz vorm pj.
da waren wir auf der heimreise aus dem urlaub und kamen praktisch als ersthelfer an eine unfallstelle.
zwei junge leute waren mit einem lastwagen zusammengeprallt. das mädchen - 15 jahre alt - war durch die windschutzscheibe geschleudert worden und lag auf der strasse. sehr verdreht, mit offenen augen, offensichtlich tot.
und ich erinnere ich sehr gut, wie ungeheuer hilflos ich mit trotz meines fast abgeschlossenen studiums vorkam. nicht nur vorkam, ich _war_ völlig hilflos!
der anblick dieses totan mädchens hat mich lange lange verfolgt, manchmal ist die erinnerung wie ein blitzschlag in mich gefahren und ich denke heute noch, obwohl es jahre her ist, noch immer wieder daran...
dein kinderarzt hat völlig recht: du hast auch mit medizinischer ausbildung ganz ohne hilfsmittel nur wenig chancen...
trotzdem ist es völlig normal, dass du das nicht einfach verdrängen kannst. schon gar nicht nach so einer kurzen zeit wie 2 tagen.
lass dir zeit, erlaub dir ruhig, immer wieder darüber nachzudenken. mit der zeit kanst du damit umgehen. ganz sicher!
ganz liebe grüsse,
maria

Re: Teil 2

Liebe Angel,
ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Dir das unheimlich
nahe geht. Und ich kann mir auch vorstellen, dass man das
nicht so einfach ad acta legen kann. - Hast ja schliesslich
nicht nur was anbrennen lassen, sondern einen Menschen
sterben sehen und warst sogar irgendwie "daran beteiligt".
Da funktioniert man nicht so einfach wie eine Maschine weiter.
In jedem Fall hast Du ausgesprochen gut und besonnen reagiert
und dass Du Dir natürlich Sorgen machst, ob Du nicht hättest
mehr tun können...ist vermutlich auch einfach normal.
Nicht normal wäre, wenn Du einfach zur Tagesordnung übergehen
würdest, wie es Deine Umwelt von Dir fordert. Das kann
ja routiniertes Ärztepersonal kaum. Erst recht nicht, wenn
jemand gestorben ist, der noch so jung war.
Hat Dir denn wenigstens jemand sagen können, warum er gestorben ist?
Ich drück Dich und wünsch Dir die Zeit die Du brauchst, um
davon Abstand zu nehmen :-)
Sylvie

Re: Teil 2

Hallo Angel!
Ich kann dich so gut verstehen. Ich bin da auch so. Mir geht sowas immer nahe (in dieser extremen Form blieb es mir allerdings bisher erspart). Nur ich rede nicht drüber (ist halt meine Art), sondern es geistert mir ewig im Kopf herum und ich frage mich ob es so kommen musste und warum.
Du bist also völlig normal. Und drüber reden ist sicher sogar viel besser als schweigen und grübeln.
Ich wünsche dir das du Zuhörer findest die dich ernst nehmen.
LG,
Nancy

Re: Teil 2

Hallo Angel,
ich habe eine Menge Bekannte, die auf dem Rettungswagen fahren (versch. Organisationen) un dsie erzählen auch immer mal wieder ...
Und auch ihnen gelingt nur eine geringe Anzahl an Wiederbelebungsversuchen - und sie sind echt geschult!
Dass du die Bilder nicht vergisst - das ist doch klar! Ich bin mir nicht sicher, ob du das Bild überhaupt vergessen kannst. Sicher es verblasst und du denkst nicht mehr so oft daran, aber vergessen???
Du bist doch nicht unnormal! Wohl eher deine Umgebung!
Ich bin mal vor Jahren, boah so etwa 12, zu einem Unfall dazu gekommen. Die Mutter war völlig hysterisch und das Kind verletzt ... Ich habe den Anblick der Wunden nie vergessen. Wobei der Junge heute wohl bloß noch eine (kleine?) Narbe hat ... .
Sowas brennt sich einfach in die Festplatte.
Ich wünsche dir wieder ruhige Gedanken (und Sammy schnelle Zähne),
Katrin
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