Hallo Dilek,
ich kann verstehen, dass ihr abends richtig geschafft seid, wenn Lorin in so
einer anstrengenden Phase steckt, und auch deinen Wunsch, mal eine Pause
machen zu dürfen. Da liegt es natürlich nahe, vom Kind eine
Verhaltensänderung zu erwarten bzw. zu versuchen, diese irgendwie
durchzusetzen.
Aber ich fürchte, so einfach ist das nicht. In dem Alter kann man Kinder noch
nicht "erziehen", eigentlich so etwa im ganzen ersten Jahr nicht. Sie müssen
dazu doch erst mal Zusammenhänge begreifen lernen und so abstrakte Dinge
wie "das darfst du nicht" sind noch lange nicht drin. Sie fängt ja gerade erst
an zu begreifen, dass z. B. Dinge runterfallen, wenn sie sie loslässt! Oder
dass sie trotzdem noch da sind, wenn sie sie nicht mehr sieht. Wie soll sie da
begreifen können, dass sie auch mal alleine spielen soll, wenn ihr gerade
keine Zeit oder Nerven habt?
Hm, ich weiß nicht, ob ich mich besonders verständlich ausdrücke. Für mich
ist halt Erziehung auch nicht dasselbe wie dem Kind beizubringen, das zu
tun, was die Eltern wollen. Das nenne ich Dressur. Dressieren kann man
Kinder vielleicht auch in diesem Alter, damit habe ich keine Erfahrung. Die
Erziehung beginnt für mich aber erst dann, wenn das Kind auch verstehen
und nachvollziehen kann, was ich von ihm will und vor allem warum ("das
darfst du nicht anfassen, das ist heiß"). Das dauert aber noch eine ganze
Weile. Bis dahin kann man das Kind eigentlich nur begleiten und versuchen,
seine Bedürfnisse zu erfüllen. Das ist bei dem einen Kind anstrengender als
bei einem anderen - manche Kinder spielen von Anfang an gern allein und
sind sich selbst Gesellschaft genug, andere eben nicht, aber antrainieren
kann man das nicht. Das kommt von selbst. Übrigens spielen meiner
Erfahrung nach Kinder grundsätzlch NIE dann allein, wenn es einem selbst
gerade gut passen würde, auch nicht mit knapp 3! :)
Halte durch, das wird irgendwann von selbst besser! Und es lohnt sich
wirklich, das Kind einfach zu nehmen, wie es ist, und ganz am Anfang so viel
wie möglich auf es einzugehen. Das macht das Kind sicher und aus dieser
Sicherheit heraus kann es dann selbstständig die Welt entdecken gehen. Klar
ist das ungeheuer anstrengend, aber im Rückblick waren das nur ein paar
Monate und was ist das schon im Vergleich zu einem ganzen, glücklichen
Kinderleben?
LG Yuri

hallo yuri,
im wesentlichen bin ich deiner meinung. man wird ein bedürfnis nach nähe
und aufmerksamkeit sichewr nicht "aberziehen" können... nur frage ich mich
schon: wenn ich sage "nein, das papier nicht essen" und es jedes mal
wegnehme, dann habe ich das gefühl, sie steckt es nicht mehr ständig in den
mund.... oder bilde ich mir das nur ein?
lg erde

Hallo erde,
hm, ich weiß nicht ... das würde für mich eher unter "Dressur" fallen. Kann
schon sein, dass sie deine Erwartungen erfüllen will, aber was hat sie davon?
Sie will das Papier ja nicht essen, sondern nur "ermundeln" - in dem Alter ist
das In-den-Mund-Stecken eben die normale Art, Dinge zu erkunden. Später
reicht anschauen, aber du würdest einem älteren Kind ja nicht sagen: "Halt,
nicht anschauen!" Klar, in den Mund stecken kann gefährlich werden im
Gegensatz zu Gucken, aber den Sinn versteht deine Kleine trotzdem nicht,
also WARUM sie das Papier nicht "essen" darf. Einfacher als ein "Nein" ist es
da schon, die Sachen möglichst gar nicht erst in Reichweite gelangen zu
lassen.
Womit ich natürlich nicht sagen will, du sollst sie das Papier ruhig essen
lassen. *g* Nur darfst du noch lange nicht erwarten (auch wenn sie später
krabbeln oder gar laufen kann), dass sie doch "weiß", dass sie dies und jenes
nicht darf - der Erkundungstrieb ist nun mal stärker, dafür kann das Kind
nichts. Man kann sich auch bei einem 3-Jährigen einfach nicht drauf
verlassen, dass Vebote z. B. eingehalten werden, wenn Mama nicht dabei ist,
der Überblick fehlt den Kindern einfach noch eine ganze Weile. Und selbst
von "ich weiß, dass ich das nicht darf/dass Mama das nicht mag" bis hin zu
"dann mache ich das mal lieber nicht" ist es noch ein laaaanger Weg ...
LG Yuri

Ein bisschen weg vom thema, aber ist mir halt grad eingefallen.
Ich würde so sätze wie "nein, das papier nicht essen" vermeiden. Das ist für ein kind so als würde man einem erwachsenen sagen; "denk nicht an eine gurke" ;o)
Das wort "nicht" geht da vollkommen unter und die kinder visualisieren das gesagte einfach....was bedeutet "papier und essen".
Das gleiche in gefährlichen situationen....sätze vermeiden wie zb. "achtung, sonst fällst du runter"....da visualisiert man gleich das herunterfallen, was dies dann wieder "begünstigt"....lieber sagen; "achtung, halt dich gut fest und steig dann herunter".
GLG Ariane

hi
wahrscheinlich hast du recht.ich möchte mein kind net dressieren, um mir mehr freiraum zu verschaffen.ich möchte ihm nur möglichst viel mitgeben können und wie du sagst selbständig erziehen.aber ich glaub echt, dass sie irgendwie noch im letzten schub steckt, dazu kommen zähnchen,die hitze und ein paar halb erlernte dinge, wie zum beispiel sich drehen, aber noch net robben oder krabbeln können.
ich möchte nur sicher sein, dass das kind net quengelig ist, weil ICH etwas falsch mache.eigentlich hab ich nur deswegen gefragt, damit ich eventuell aus meinen fehlern lernen kann.ist halt das erste kind und da ist man noch ziemlich unsicher.
danke nochmal
lg dilek

hallo dilek,
meine kleine ist auch so anstrengend gerade... das krabbeln klappt nicht...
und das schon seit wochen...
tja, da müssen wir wohl leider duch *handschüttel*
lg erde
ps.: sei froh, dass sei sonst einfacher ist. kann man bei mir nicht gerade
sagen...

Liebe Dilek,
wenn du das alles so aufzählst, versuch dich doch einfach mal einen Augenblick
in ihre Lage zu versetzen - wärst DU da nicht auch quengelig? ;) Muss doch echt
schwer sein, dieses Alter - so viel wollen und noch nicht können ...
Ich denke, wenn du aufmerksam bleibst und ihre Bedürfnisse ernst nimmst,
kannst du nicht viel falsch machen. Jetzt sowieso nicht und auch später hilft
diese Grundhaltung ungemein. Eigentlich entwickeln sich Kinder nämlich fast
von selbst zu sozialen, liebenswerten Wesen, wenn sie die entsprechenden
Vorbilder haben - grob gesagt, aber Erziehung ist wirklich nichts Schweres, was
man richtig oder falsch machen kann, das kommt in der Kommunikation und
dem Zusammenleben mit deinem Kind eigentlich von selbst aus dir heraus.
LG Yuri

Hi Yuri,
ich muss deinen Postings zustimmen - es ist anstrengend, aber Babies und Kleinkinder haben einen angeborenen Drang, zu erkunden und zu lernen und eben auch nach Kontakt. Und auch größere Kinder! Ich habe gestern einen interessanten Beitrag gesehen über die Markenwelt, die über Kinder hereinbricht und die beiden Autoren des Buches "Konsumkids" machten deutlich, dass schon Kiga-Kinder heute oft nur nach Marken spielen (Babyborn spielen, Bobbycar fahren etc.) und eine der Autorin bemerkte, dass manche Eltern versuchen, eine Art Sinlge-Dasein mit Kind zu führen - mit diversen Spielzeugen und Unterhaltungselektronik, um die Kinder zu beschäftigen - und dass dies zum Scheitern verurteilt sei, denn an einer Tatsache ließe sich nunmal nicht rütteln: Kinder brauchen Zeit und echte Aufmerksamkeit, die eigentliche Frage sei nur, wie man das organisiert und nicht, wie man diesen Zustand möglichst vermeidet.
Das soll kein Angriff gegen das ursprüngliche Posting sein, natürlich bin ich auch froh, wenn sich meine vierjährige Tochter auch mal selbst beschäftigt, aber ich habe manchmal den Eindruck, dass gerade bei älteren Kindern davon ausgegangen wird, es reiche die rein körperliche Präsenz der Eltern - auf dem Spielplatz sehe ich Massen von Müttern, die überhaupt kein Wort mit ihren Kindern wechseln (auch wenn diese nicht im Spiel mit anderen sind), sondern nur pausenlos telefonieren. Oft laufen die Kindern ausschließlich nebenbei - ich finde, das kann mal am Tag sein, aber man sollte sich schon etwas mehr anstrengen und auch Zeit bewusst mit dem Kind verbringen, also auch mitbasteln, vorlesen, zuhören - ich finde, dass das erschreckend oft viel zu kurz kommt.
LG Annalisa

Hallo Annalisa!
Ich muss dir jetzt unbedingt schreiben, obwohl ich eigentlich noch aufräumen müsste ;-))) - aber ich finde einfach, dass du sooooo Recht hast!!!
Tobias ist 2-einhalb, ich habe schon immer viel mit ihm gespielt und gesungen, wenn ich was daheim mache, dann kann er mitmachen, ob es Kochen ist oder Basteln. Und die scheinbar einfachen Dinge sind oft spannender als die ganze Elektronik, denn die Definition von "Spielen" haben ja nur wir, die Kinder unterscheiden da ja nicht, die wollen einfach nur lernen/erkunden.
Auf der anderen Seite hab ich immer geschaut, dass er sich auch alleine beschäftigt - weil ich der Meinung bin, dass auch Kinder das brauchen, alleine, in ihrem Tempo, ohne Dazwischen-Gequatsche was zu erkunden. Ich habe immer einen günstigen Moment abgewartet und ihn dann einfach machen lassen. Fixe Zeiten so nach dem Motto "Freies Spiel zwischen 9 und 9:30" bringen da nix, finde ich.
Ich finde, es gilt das Motto "Mach was du machst" - also in dem Sinn, das, was man macht, ganz zu machen, das Kind auch zu SEHEN, zu beobachten - dann merkt man eh recht schnell, wann es mal was alleine machen kann und will.
LG
Birgit

hallo dilek,
ich bin der meinung das man jetzt schon erziehen kann.
wenn loraine irgendwas macht was sie nicht darf, kann ich es ihr jetzt schlecht erlauben und in zwei jahren sagen, so lore, jetzt darfst du das nicht mehr, weil wir jetzt mit der erziehung anfangen.
wenn ich den raum verlassen, sage ich ihr schon von anfang an was ich mache und bei uns funktioniert es. ich kann sie mal alleine im laufi lassen und z. b. in den keller gehen um die wäsche zu holen ohne das bei uns ein kreischkonzert beginnt. wenn sie weint ist immer jemand von uns beiden bei ihr und ich denke sie hat ein gesundes urvertrauen entwickelt.
lg
lena
ja, jedes kind ist anders ;o)

Hallo Dilek,
Du kannst nur das erziehen, was vom Kind auch verstanden werden kann.
Meine Große macht in einer Studie über die Gedächtnisentwicklung von Babys / Kleinkindern bis 3 mit und dort hat man herausgefunden, daß sie schon sehr viel früher sehr viel mehr leisten können, als man bisher angenommen hat. Von daher neige ich dazu von Anfang an bestimmte Dinge vorzuleben.
Was ich aber für nicht erziehbar halte, sind Grundbedürfnisse wie Liebe, körperliche Nähe, Schlafen, Essen, Trinken. Die müssen erfüllt werden bis das Kind von seiner Entwicklung bereit ist, sie loszulassen. Von daher kann ich Dir nicht helfen, was Lorin macht ist völlig normal und altersgerecht, da muß man einfach durch.
Mit der Erziehung kommt es immer auf die Entwicklung des Kindes an. Cedric scheint so langsam zu begreifen, was NEIN heißt. Zumindestens hält er inne und schaut mich an, wenn ich es sage. Der Zusammenhang zwischen Tonfall / Wort und seiner Handlung scheint ihm bewußt zu sein. Angefangen hat das im Vorfeld des 37 Wochen Schubs. Er hat in diesem Zusammenhang auch schon 2-silbige "Wörter" wie Mama, Opa und Baba produziert. Die Entwicklungspsychologen aus unserer Studie gehen davon aus, daß er schon mit der aktiven Sprache begonnen hat. Normalerweise beginnt das aber erst ab 9-10 Monaten, er ist da deutlich früher.
Cedric spielt übrigens schon von Anfang an viel alleine, die Große mußte immer beschäftigt werden und ist mit ihren 3 immer noch sehr anhänglich. Es ist aber schon viel besser geworden, die mußte ich immer mit mir herumtragen.
LG
Claudia

Hallo Claudia,
ui, das klingt aber hochinteressant mit der Studie! Kannst du da ein paar
Beispiele geben, was du meinst mit "bestimmte Dinge vorleben"?
LG Yuri

Hallo Yuri,
schreiendes Baby trösten, nicht hauen, beißen, treten, schlagen, Respekt voreinander, vor den Bedürfnissen des anderen. Keine Packungen im Laden aufreißen, immer erst bezahlen, Müll in den Mülleimer werfen, bei grün über Ampeln gehen, Fahrradhelm tragen, Tischsitten.... Ich kann von meinen Kindern nicht erwarten, daß sie sich gesund ernähren, wenn ich mir selber eimerweise Junk-Food hineinschaufele.
Die Studie ist sehr interessant, wir bekommen nach Abschluß eine Kopie davon. Cedric ist auch in der Kartei, mal sehen, ob sie ihn brauchen. Interesse besteht grundsätzlich, weil sie gerne Geschwister vergleichen. Geld gibts dafür keines, wir machen das nur, weils der Großen so viel Spaß macht gefordert zu werden. Sie ist immer ganz stolz, wenn sie "alles" schafft.
LG
Claudia

Hallo Claudia,
bin gerade ganz erstaunt, dass Kinder mit diesem Worten erst so spät anfangen - Niels benutzt die auch schon eifrig plus "mjammjam" beim Essen. Womöglich hat der ganze Fisch in der Schwangerschaft (Omega3 Fettsäuren) doch was gebracht *lach*.
Klingt wirklich interessant die Studie (man sollte wirklich einen eigenen Entwicklungspsycholgen "zur Hand" haben, der einem alles näher erklärt - wäre eine echte Bereicherung)
LG
Melanie