Wenn Sie ein Waage-Kind haben...
Kleine Pause.
Dann die Tochter neuerlich, hartnäckig: »Hat dich die Mammi schon einmal mit Bart gesehen?« Der Vater: »Nein.« Darauf die Tochter: »Wenn sie nicht weiß, wie du mit Bart ausschaust, wieso weiß sie dann, dass du ihr ohne Bart besser gefällst???«
Erneute Pause.
Danach der Vater, leicht erschöpft: »Keine Ahnung. Vielleicht mag sie mich ohne. Bart, weil sie mich so kennen gelernt hat und an mein bartloses Gesicht gewöhnt ist.«
Die Tochter überlegt. Dann fragt sie: »Wenn dich aber die Mammi mit einem Bart kennengelernt hätte? Würdest du dich dann nicht rasieren? Und wir würden gar nicht wissen, wie du ohne Bart ausschaust? Oder würdest du dich einmal rasieren und dir danach wieder einen Bart wachsen lassen? Oder würdest du -«
Genug. Wie's weitergeht, dürfen Sie sich selbst ausmalen. Könnte das kleine Mädchen Ihre Tochter sein? Ja? Dann haben Sie ein waschechtes Waage-Kind zu Hause!
In vielerlei Hinsicht sind Sie zu beglückwünschen. Die Waage entfaltet schon als Kind einen bezaubernden Charme. Sie ist ein liebenswürdiges, bestrickendes kleines Geschöpf, dessen warmem Lächeln - das durch die typischen Waage-Grübchen noch herzlicher und freundlicher wirkt - so bald keiner widerstehen kann. Sie ist meist wohlproportioniert, erfreulich anzusehen, kontaktfreudig und aufgeweckt.
Schon frühzeitig erwacht jedoch auch der Waage Vorliebe für endlose Debatten. Ihr Waage-Kind wird Sie, kaum dass es der Sprache mächtig ist, in weitschweifige Erörterungen verwickeln und sehr enttäuscht sein, wenn Sie seine Redefreudigkeit zu bremsen versuchen. Die Wenn und Aber sind nun einmal sein Lebenselement.
Bereits als Kinder verfügen Waage-Typen über eine bezwingende Logik und einen scharfen Verstand - Sie werden daher in Streitgesprächen mit Ihrem Waage-Sprössling höllisch aufpassen müssen, damit Sie nicht rhetorisch den kürzeren ziehen.
Eine Waage reagiert nicht einfach auf Befehle und Anweisungen. Wenn Sie wollen, dass ihr Waage-Spross Ihnen folgt, werden Sie die Anordnungen, die Sie an ihn stellen, logisch begründen müssen. Gelingt Ihnen das, und sind Sie außerdem imstande, die schätzungsweise zweihundertfünfzig Einwände der kleinen Waage zu entkräften, können Sie damit rechnen, dass Ihren Anordnungen Folge geleistet wird.
Waage-Geborene haben, wie wir wissen, einen Horror vor Entschlüssen. Schon im zartesten Kindesalter zeigt sich bei ihnen eine ausgeprägte Unfähigkeit, simple Entscheidungen rasch zu treffen. Beispiel: Versonnen steht Ihr Waage-Kind, das zum Einkaufen mitkommen wollte, in seinem Zimmer herum. »Was ist«, werden Sie fragen, »ziehst du deinen Mantel nicht an?« - »Gleich«, wird das Waage-Kind antworten, »ich muss mir nur noch was überlegen.« »Mach schnell«, werden Sie daraufhin vielleicht sagen, »mach schnell - was überlegst du eigentlich?« - »Ich überlege«, sagt daraufhin das Waage-Kind nachdenklich, »ob ich den Teddy mitnehmen soll oder den kleinen Hasen. Der kleine Hase war erst gestern mit im Park, also wäre eigentlich der Teddy dran. Andererseits ist der Teddy viel schwerer, und wenn ich ihn den ganzen Weg tragen muss -«
»Himmel«, werden Sie Ihr Waage-Kind möglicherweise unterbrechen, »was soll das? Wenn der Hase leichter ist, warum nimmst du dann nicht einfach den Hasen mit?«
Ihr Waage-Kind wird Sie erstaunt mustern. »Weil ich«, wird es dann, irritiert durch Ihr mangelndes Verständnis, sagen, »weil ich den Teddy nicht kränken will. Darum.«
Das Waage-Kind in seiner solchen Situation anzufauchen hätte wenig Sinn. Es wäre danach nur noch unentschlossener und verwirrter. Bringen Sie die schwankenden Waagschalen lieber zum Stillstand, indem Sie sacht und behutsam eingreifen. Das Waage-Kind hasst lapidare Befehle, doch es ist Vorschlägen zugänglich. Sagen sie daher fröhlich und mit sanftem Nachdruck: »Weißt du, was? Du nimmst heute noch einmal den Hasen mit. Dafür darf der Teddy am Sonntag, wenn wir zu Tante Heidi fahren, den ganzen Tag mit uns sein! Ist das eine prima Idee?«
Waage-Kindern muss man das Entschlüssefassen mit viel Geduld und Zartgefühl beibringen. Eltern, die spüren, wie sie angesichts ihres zaudernden Waagesprösslings unwirsch zu werden beginnen, sollten sich vor Augen halten, dass die mangelnde Entscheidungsfreudigkeit Ihres Kindes einen an und für sich begrüßenswerten Grund hat: Das Waage-Kind zaudert, weil es Angst hat, etwas Unkorrektes, Unfaires zu tun.
Waage-Kinder besitzen ein fein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Nichts empört sie so sehr wie Verletzungen dieses Gerechtigkeitssinnes. Behandeln Sie Ihren Waage-Nachwuchs nie ungerecht! Alles andere kann er Ihnen verzeihen - Ungerechtigkeiten nie.
Manche Kinder verkraften es relativ gut, wenn Ihnen eines ihrer Geschwister von der Mutter, dem Vater, der Oma oder einem Onkel vorgezogen wird. Waage-Kinder sind zutiefst gekränkt über eine solche Behandlung. Sie mögen es nicht einmal, wenn man sie selbst vorzieht: Auch das verstößt, so gern sie sich verwöhnen lassen, gegen ihren Sinn für Gerechtigkeit.
Werfen Sie Ihrem Waage-Kind nie Faulheit vor! Es braucht regelmäßige Ruhepausen. Waage-Kinder sind klug, aufgeschlossen und geistig beweglich, aber sie ermüden rasch. Lassen Sie Ihrem Waage-Sprössling immer wieder Zeit, sich zu erholen! Wenn er neue Kräfte getankt -hat, wird er wieder aktiv.
Freilich beschränkt sich seine Aktivität häufig auf rein geistige Unternehmungen. Körperliche Anstrengungen scheut er. Deshalb sollten Sie Ihr Waage-Kind - sanft, aber bestimmt - wenigstens zu einem Mindestmaß an körperlicher Bewegung anhalten und darauf achten, dass es, wenn schon nicht häufig, so doch ab und zu Sport betreibt.
In der Schule sind Waage-Kinder gescheit, aufgeweckt und begabt, keine Streber, doch im Großen und Ganzen aufmerksam und lernwillig. Allerdings stellen sie auch hier ihre berühmten Wenn- und Aber-Fragen. »Was wäre, wenn Heinrich der Achte nicht mit dem Papst gebrochen hätte?« - »Warum sagen Sie, der amerikanische Bürgerkrieg war unvermeidlich? Es hätte ja auch sein können, dass die Südstaaten gleich nachgegeben hätten, oder nicht? Nehmen wir einmal an, sie hätten nachgegeben: Was wäre dann weiter passiert?« - »Warum reden Sie immer nur von der armen Maria Stuart? Vielleicht war Königin Elisabeth ebenfalls unglücklich.?« Und so weiter und so weiter.
Es gibt Lehrer, die schätzen solche Einwände und freuen sich, wenn ihre Schuler Diskussionen anheizen. Andere hingegen können - auch darauf müssen Sie als Vater oder Mutter gefasst sein - die Argumentierfrage Ihres Sprösslings als Aufsässigkeit missverstehen. Gegen diese Lehrer werden Sie Ihr Kind immer wieder in Schutz nehmen müssen.
Von den Mitschülern wird Ihr Waage-Sprössling meist widerspruchslos anerkannt. Er ist eine Anführernatur wie beispielsweise der kleine Widder, aber man mag ihn wegen seines Charmes, der auch auf Gleichaltrige wirkt, und schätzt ihn ob seines Gerechtigkeitsempfindens und Entgegenkommens. Daheim ist das Waage-Kind ebenfalls auf Ausgewogenheit bedacht. Es tyrannisiert seine Geschwister nicht und ist nach Auseinandersetzungen versöhnungswillig.
Waage-Kinder brauchen viel Harmonie, Frieden und Ausgeglichenheit. Gereizte Eltern, ständiger Streit zwischen Vater und Mutter, zänkische Geschwister, eine Großmutter, die sich chronisch und ohne erkennbaren Anlass darüber beklagt, dass die Familie sie nicht richtig würdige, können die kleine Waage seelisch und körperlich krank machen.
Auch auf den Schönheitssinn eines Waage-Kindes sollte man Rücksicht nehmen. Es hat einen ausgeprägten und erlesenen Geschmack. Wird er beleidigt, bedeutet das Schmerz. Die Erfüllung ihrer ästhetischen Ansprüche bietet der Waage mehr als eine bloß oberflächliche Befriedigung. Zwingen Sie einem Waage-Kind daher nie Kleider oder Schuhe auf, die es hässlich findet - es sei denn, sie wollen es nachhaltig verstimmen.
Bleibt nur noch eins: Die Warnung, das Waage-Kind, wenn's geht, nicht zu sehr zu verhätscheln! Diese liebenswürdigen, bestrickenden kleinen Geschöpfe fordern förmlich dazu heraus, über Gebühr verwöhnt zu werden. Man tut ihnen aber nichts Gutes, wenn man sie allzu heftig anbetet und ihnen jedes Steinchen aus dem Weg räumt. Spätestens in der Schule müssen sie lernen, dass das Leben allerlei Schwierigkeiten birgt.
Oh ja...
Warum-Phase... Diskutieren kann er wirklich, das muss man ihm
lassen! :) Und das mit dem Charme stimmt auch, im Kindergarten
ist er heiß geliebt, auch von den Kindern, obwohl er meist erst
schüchtern in der Ecke saß.
Bin gespannt, ob David dann auch ein typischer Steinbock wird...
LG Yuri
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