Suchen Menü

FYI: Plusminus-Beitrag zu Flügen mit Kindern

Hallo Ihr!
Jetzt wo Ferienzeit ist kam genau der passende Beitrag zu Flugreisen mit Kindern und wie ungeschützt sie im Flugzeug sind. Traurig das die BRD sich scheut Vorreiter in Sachen Kindersicherheit im Flugzeug zu sein.
LG Tanja
Flugzeuge ohne Kindersitze
Was Airlines Kindern zumuten
WDR, Dienstag, 19. Juli 2005
Tim van Beveren
Vor genau 16 Jahren kam es an Bord von United Airlines Flug 232 zu einem Zwischenfall. Auf dem Flug von Denver nach Chicago explodierte ein Triebwerk. Die Maschine ließ sich kaum noch manövrieren. Die Piloten versuchten dennoch eine Notlandung in Sioux City, Iowa. An Bord befanden sich 289 Passagiere und vier Kleinkinder.
Die Chefstewardess Jan Lohr musste einer Dienstanweisung folgend kurz vor der Landung für die Eltern folgende Durchsage machen: ?Legen Sie jetzt ihre Kinder auf den Boden!? Sie erinnert sich noch genau an die Situation: ?Während ich das sagte, konnte ich nicht fassen, was da über meine Lippen ging.?
Sekunden später prallte die Maschine mit über 300 Stundenkilometern auf der Landebahn auf, überschlug sich und fing Feuer. 186 Passagiere überlebten, 43 sogar unverletzt. Nicht so die Kinder. Von den vier kleinen Passagieren wurden drei schwer verletzt und eines starb: der 22 Monate alte Evans. Er wurde beim Aufprall wie ein Geschoss durch die Kabine geschleudert.
Kurz nach dem Unglück forderte die Flugunfall-Untersuchungskommission gesetzliche Vorschriften, damit Kinder künftig besser geschützt werden. Bis heute gibt es keine solche Vorschrift.
Gefährliche Gurte im Einsatz
Auch der TÜV Rheinland in Köln beschäftigt sich im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums bereits seit 1994 mit der Sicherheit von Kleinkindern in Flugzeugen. Ergebnis der Studien: Kinder sind im Flugzeug völlig unzureichend geschützt.
Kindersitze sind eindeutig besser als Gurte, insbesondere für Kinder unter zwei Jahren, die in der Regel keinen eigenen Sitzplatz haben. Für die jüngsten Passagiere an Bord wird aber von vielen Fluggesellschaften der so genannte ?Loop-Belt? benutzt, ein Extragurt für das Kind, der am Gurt des Erwachsenen befestigt wird. Der ist jedoch so gefährlich, dass er für deutsche Airlines verboten wurde.
Martin Sperber ist beim TÜV der verantwortliche Projektleiter. Er beschreibt, was passieren kann, wenn mit einem solchen Gurt ein Baby am Beckengurt der Mutter befestigt ist und es zu einer Vollbremsung, einem Crash oder ?nur? heftigen Turbulenzen kommt: ?Beide Insassen zeigen einen typischen Klappmessereffekt. Die Mutter schlägt auf den Hinterkopf des Kindes, mit ihrer Brust auf den Rücken des Kindes. Das Kind wird quasi zerquetscht von der eigenen Mutter.?
Aber auch Kinder ab zwei Jahre, also mit Anrecht auf einen eigenen Sitzplatz, fliegen gefährlicher als Erwachsene. Denn Flugzeugsitze sind für Erwachsene ausgelegt. Der normale Beckengurt liegt bei Kindern viel zu hoch im Weichteilbereich. Vor allem Ärzte haben für diese, von den Behörden geduldete Praxis der Airlines wenig Verständnis.
Privatdozent Dr. Thomas Höhn von der Kinder-Intensivstation der Uniklinik Düsseldorf ist ein strikter Befürworter für eine klare gesetzliche Anordnung: ?Es geht ja auch nicht darum, den Kindern eine vermehrte Sicherheit zukommen zu lassen, sondern tatsächlich nur um gleiche Voraussetzungen, so ähnlich wie das auch im Auto ist. Wäre das Bewusstsein verbreitet, hätte das Problem längst entweder auf freiwilliger Basis oder auf gesetzlicher Grundlage gelöst werden können.?
?allein deutsche Vorschrift nicht sinnvoll?
Doch das ist bislang nicht der Fall. Die Behörden und die Politik setzen in dieser Frage lieber auf die ?Freiwilligkeit? der Airlines. [plusminus hatte um ein Interview beim Bundesministerium für Verkehr angefragt. Doch zu dem offenbar heiklen Thema Kindersitze wollte man sich dort vor der Kamera nicht äußern. Auf die Frage, warum in Deutschland nicht schon längst eine Pflicht für geeignete Kinderrückhaltesysteme in Flugzeugen eingeführt wurde, teilte das Bundesministerium für Verkehr [plusminus mit: ?Angesichts der Internationalität und Liberalisierung im Luftverkehr ist eine allein deutsche Vorschrift nicht sinnvoll.?
Völlig unverständlich, denn so wird ein angemessener Schutz für Kinder an Bord von Flugzeugen auch weiterhin verzögert. Und das obwohl für Autos in Deutschland seit 1994 eine Pflicht für Kindersitze besteht.
Sitze mitbringen
Für Fluggesellschaften, die freiwillig bereit sind, Kindersitze zu akzeptieren, hat der TÜV zusammen mit dem Luftfahrtbundesamt folgende Kindersitze zur Verwendung an Bord zugelassen: Maxi-Cosi Mico und Citi, Storchenmühle Maximum, Römer King Baby-Safe und Baby Safe Plus (der einzige auch für Behinderte geeignete Sitz) sowie der aufblasbare Lufti-Kid, der einzige Sitz, der bei den meisten Flugzeugtypen qualifiziert wurde. Gleichzeit hat der TÜV Rheinland die folgenden Airlines für die Verwendung solcher Systeme qualifiziert: die türkische Atlas Jet, LTU, Condor und Air Berlin.
Aber wer jetzt denkt, er könne demnächst für seinen Nachwuchs schon bei der Buchung einen entsprechenden Kindersitz mitbestellen, der irrt. Den sollen die Eltern mitbringen, so die Airlines. Eine leihweise Überlassung wird noch nicht angeboten. Dabei passen nicht alle Sitze automatisch auch in alle Flugzeugtypen der unterschiedlichen Gesellschaften. Wenn man also mit einem Kindersitz fliegen möchte, sollte man dringend die Einzelheiten vorher mit der Airline absprechen. Mit zusätzlichen Kosten müssen Eltern für den Sitzplatz für das Kleinkind rechen. Hier räumen die Fluglinien allerdings Rabatte bis zu 66 Prozent ein.
Unsicherheit bleibt
Ein Problem bleiben die ausländischen Airlines, die Deutschland anfliegen. Eine von [plusminus durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass der Grossteil bisher keine Kindersitze an Bord akzeptiert und für Babies weiterhin nur den gefährlichen Loop-Belt anbietet.
Eine schnelle gesetzliche Lösung für die Sicherheit von Kindern in Flugzeugen fordern deshalb Flugbegleiterinnen. Auf ihrem Rücken lastet täglich die Verantwortung für die Sicherheit der kleinsten Passagiere. Jan Lohr, die Chefstewardess von United Flug 232, findet: ?Das ist eine Diskriminierung der übelsten Art: Diese Kinder sind verwundbar, sie sehen uns an, suchen unseren Schutz und wir verhalten uns unverantwortlich.?
Aber weil Kindersitze weder gesetzlich vorgeschrieben noch international eine Selbstverständlichkeit sind, werden Kinder auch weiterhin unnötigen Risiken ausgesetzt. Es bleibt also unsicher, wenn Kinder fliegen.
[plusminus-Tipps:
Auch wenn es Ihnen sicherer erscheint: Schnallen Sie niemals ihr Kind und sich selbst mit dem gleichen Gurt an. Für das Kind wäre dies schon bei einer harten Bremsung lebensgefährlich!
Auch zu locker angelegte Beckengurte sind für Kinder beim Fliegen gefährlich. Achten Sie bei Kleinkindern über zwei Jahren unbedingt auf einen festen Sitz des Sicherheitsgurtes, vor allem bei Start und Landung.
Kontaktieren Sie schon bei der Buchung Ihre Airline, wenn Sie mit einem zugelassenen Kindersitz fliegen wollen. Lassen Sie sich die Verwendung ihres eigenen Kindersitzes für den Hin- und Rückflug im Zweifelsfall lieber schriftlich bestätigen, rät der TÜV Rheinland.
Meistgelesen auf 9monate.de
Diskussionsverlauf
Rat und Hilfe zur Bedienung
Übersicht aller Foren

Mit der Teilnahme an unseren interaktiven Gewinnspielen sicherst du dir hochwertige Preise für dich und deine Liebsten!

Jetzt gewinnen