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An alle Triefnasen...

Das kann ich euch nicht unterschlagen:
Dr. Eckart von Hirschhausen
Erkältet? Bleiben Sie bloß weg!
Unser Hausarzt, Dr. med. Eckart von Hirschhausen, erklärt Ihnen, warum Ärzte Rotnasen wie Sie nicht mögen. Die wahren Genüsse bei Schnupfen, Husten, Heiserkeit gibt es sowieso nicht auf Rezept.
Die Nase rinnt, der Deutsche rennt - zum Arzt. Falsch. Als ehemaliger Arzt darf ich Ihnen verraten, dass es kaum unbeliebtere Patienten gibt als die Erkälteten. Sie erinnern den Arzt an eine seiner größten Blamagen. Wir können zum Mond fliegen, Herz-Lungen-Transplantationen europaweit koordinieren, aber gegen Schnupfenviren sind wir immer noch machtlos. Nicht nur, dass man dem Patienten nicht helfen kann, du kannst auch nichts dafür abrechnen.
Diese Leute sollten direkt zum Apotheker. Der kann immer was abrechnen. Und hat auch kein schlechtes Gewissen, Zeug zu verkaufen, das auf den Krankheitsverlauf nicht mehr wirkt als ein Placebo. OTC heißen diese Produkte im Fachjargon: Over The Counter. Rezeptfrei. Für die Selbstmedikation mit dem gewissen "Weil ich es mir wert bin"-Effekt. Dann eben doch Aspirin von Bayer in der innovativen Pulverschlauch-packung statt der billigen Brausetablette ASS von X. Außerdem bekommt neuerdings alles, was nicht bei drei auf den Regalen ist, noch Vitamin C dazugesetzt, weil es praktisch nichts kostet und zugleich den Verkauf fördert. Glücklicherweise wird Ascorbinsäure nicht gespeichert und verlässt den Körper so gelöst wie es gekommen ist.
Jede Großmutter weiß: Ein Schnupfen dauert mit Behandlung sieben Tage, ohne eine Woche. Stimmt ja nicht ganz. Manchmal sind es nur drei Tage. Keiner kann vorhersagen, wie lange die konkrete Attacke geht. Und diese natürliche Bandbreite bedingt ein quasi religiöses Bekenntnis zum "Geheimtipp-Mittel", auf das eine mehr oder weniger große Schar der Bevölkerung "schwört".
Wir ertragen es nicht, nichts tun zu können, nichts als Inhalieren, Hühnersuppe löffeln und schlafen. Das eigentliche Wunder der Selbstmedikation ist in meinen Augen, dass es noch keine Hühnersuppen-Präparate in der Apotheke gibt. Brausetabletten für die Mikrowelle. Oder wenigstens Zäpfchen. Der größte Umsatzgarant in den vergangenen Jahren: Meerwasser. In kleinen Sprühflaschen. Thalasso - die Kraft des Meeres. Ganz natürlich. Wenn wir schon durch die Evolution der Lunge unsere Nase nicht mehr dauerhaft ins Meer stecken können, stecken wir uns jetzt das Meer in die Nase. Aber Vorsicht: Wenn die Homöopathen Recht haben - und wer heilt, hat ja immer Recht -, dann ist in dem Meerwasser jede Menge Information gespeichert. Die ist ja durch die hohe Verdünnung extrem potenziert. Titanic D 20, würde ich schätzen. Exxon Valdez C 17, vom Kinderpipi der ganzen Nordsee-Familienbäder ganz zu schweigen.
Zum Glück sind die kleinen Behälter ? 20 ml oder 40 ml gut verschweißt, damit keiner auf die Idee kommt, dass man mit einer Messerspitze Salz und Wasser seine eigene Fabrikation aufmachen könnte. Oder beim nächsten Strandurlaub in einer Pet-Flasche den Vorrat für zwei Jahre mitgehen lässt. Nein, es muss echt sein. Es gibt bereits die ersten Feinschmecker unter den Meerwasser-Anwendern, Connaisseurs, die einen Stoß Rügener Südseite mühelos von einer kalifornischen Ebbe-Spätlese unterscheiden können. Und die schwören darauf: Durch die Verflüssigung des Nasensekrets genießt man den harmonischen Abgang doppelt. Bei allem Spott: Nasenspülen und -sprühen gehört tatsächlich zu den wenigen sinnvollen und unschädlichen Dingen bei Schnupfen. Eine Hilfe in den Tagen der Hilflosigkeit.
Dabei bieten Erkältungen auch Grund zur Freude. Mal ehrlich: Gibt es einen schöneren Moment im Leben, als den, wenn sich nach allem Triefen und unkontrolliertem Dröppeln die Konsistenz langsam vom Wässrigen verabschiedet? Wenn als Vorbote der Heilung die ersten zäheren Fäden unserer Sekrete wie Lichtstreifen am Horizont den staunenden Betrachter aus dem Taschentuch anlachen? Dann ist uns, als sollten wir die Welt umarmen, die Viren winken ein letztes Mal mit der weißen Tempo-Fahne, und wir wissen wieder zu schätzen, was wir einem jeden Niesenden zurufen: Gesundheit!
(Stern-Artikel vom 16.01.2004)
Bisherige Antworten

hihi -danke für den netten Beitrag :-)

*lol* Sehr gut!! ;-))) LG

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