... fallen mir an dieser Diskussion etwas unangenehm auf.
1. Der gehässige Ton, in dem ständig über Wissenschaftler
"hochwissenschaftliche Bücher" etc. geredet wird. Als ob es irgendwie
unanständig, arrogant oder überheblich sei, Bücher zu lesen oder gar zu
schreiben. Also, mal abgesehen davon, dass in der ganzen Diskussion
kein einziges Buch zitiert wurde und ich mich daher frage, wo diese Idee
überhaupt herkommt: Ich persönlich besitze kein Buch über
Babyernährung, bloß ein Breikochbuch, in das ich selten reinschaue.
Christina ist verwerflicherweise in ein Beikostseminar gegangen, um sich
über die Ernährung ihrer Tochter zu informieren, und wollte uns ihre
Erkenntnisse mitteilen. Warum manche es als schlimm empfinden, wenn
Leute sich die Mühe machen, sich und andere informieren zu wollen,
verstehe ich nicht ganz. Da wurde uns dann auf einmal unterstellt,
Leuten Vorwürfe wegen Dingen gemacht zu haben, die überhaupt kein
Thema waren (z.B. die beliebten Weingummis). Ich laufe sowieso nicht
rum und mache es mir zum Lebensziel, anderen Leuten Vorwürfe zu
machen. Es ging lediglich um Informationen. Was jemand damit tut, ist
jedem selber überlassen. Ich kann es bloß nicht haben, wenn
"Argumente" von der Sorte gebracht werden: "Hach, die Wissenschaft
kann mir egal sein, ich werde es ja wohl selber wissen" (natürlich OHNE
sich informiert zu haben, wozu auch). Wissenschaftler haben
normalerweise eine lange Ausbildung und beschäftigen sich über Jahre
intensiv mit einem Thema. Es ist ziemlich naheliegend, anzunehmen,
dass sie folglich mehr Ahnung davon haben als ich und Du. Sie können
sich trotzdem irren, oder ihre Empfehlungen können praktisch nicht
haltbar sein. Ich mache auch nicht alles, was irgendwo empfohlen wird.
Aber ich kenne die Empfehlungen und mache mir Gedanken darüber und
habe gute Gründe, sie im Einzelfall nicht umzusetzen - sei es, weil ich
sie für fragwürdig halte (Fluortabletten), sei es, weil sie bei uns nicht
funktionieren (Bauchschlafen). Aber nicht bloß, weil ich denke, ach, die
werden schon in 20 Jahren wieder was anderes erzählen, ich bin als Kind
auch nicht daran gestorben etc.
2. Der gehässige Ton, in dem über Stillmütter als "Still-Extremistinnen"
u.ä. geredet wird. Bin ich extremistisch, weil ich a) stille und b) Stillen für
die beste Form der Babyernährung halte (womit ich nun wirklich nicht
die einzige bin - sogar die Babynahrungshersteller müssen es zugeben)?
Es ist ja nun auch nicht gerade so, als ob mir das Stillen zugeflogen wäre
und ich nun auf meinem hohen Ross sitze und auf die Frauen herabsehe,
bei denen es "zufällig" nicht geklappt hat. Erstens mal würde ich nie eine
Frau dumm anmachen, weil sie nicht stillt. Es gibt in wenigen
Einzelfällen Frauen, die selbst bei bester Beratung und größter
Anstrengung nicht stillen können. Es gibt in häufigeren Fällen Frauen,
die nicht stillen können, weil sie schlecht beraten wurden (leider in
vielen Kliniken der Fall). Es gibt Frauen, die nicht stillen wollen (verstehe
ich zwar nicht, akzeptiere ich aber), und Frauen, die aus möglicherweise
völlig verständlichen Gründen die Anstrengung, die das Stillen in den
ersten Wochen oft bedeutet, nicht auf sich nehmen konnten oder
wollten. Darüber kann ich mir kein Urteil anmaßen, also tue ich's auch
nicht. Aber: gleichzeitig mache ich überhaupt keinen Hehl daraus, dass
ich für mich persönlich glücklich bin, stillen zu können, und auch ein
bisschen stolz, denn es ist mir alles andere als zugeflogen. Es war harte
Arbeit, ein wochenlanger Kampf, ich musste mich gegen die
Frühchenstation der Klinik durchsetzen, mit Saugschwäche,
Anlegeproblemen, wunden Brustwarzen, Milchstaus und Mastitis
kämpfen, hatte später ein Kind, das mit meinem Milchfluss nicht
klarkam, habe mich durchgebissen und habe jetzt eine glückliche
Stillbeziehung. Deswegen bin ich keine Extremistin, sondern ich habe es
einfach gewollt und alles dafür getan. Von der Sorte gibt es hier im
Forum eine ganze Menge, und keine davon ist eine Extremistin. Es ist ja
völlig klar, dass es vielleicht Frauen gibt, die - z.B., weil sie noch ältere
Kinder haben oder keine Unterstützung hatten oder früh wieder arbeiten
mussten - diesen Aufwand nicht leisten konnten. Andere wollten es
vielleicht einfach nicht, oder waren nach der Geburt zu fertig, das muss
schließlich jede für sich selbst entscheiden. Es ging jedenfalls nie darum,
Frauen schlechtzumachen, die nicht stillen, sondern bloß um eine
Entscheidung zwischen verschiedenen Babynahrungen. Wenn sich ein
Haufen Leute deswegen gleich angegriffen fühlen, weil sie nicht stillen,
dann muss ich mir den Schuh nicht anziehen.
LG Johanna