Hallo Ihr Lieben,
Ein Jahr nach der Geburt meines ersten Kindes steht hier wieder eine gepackte Kliniktasche. Es sieht so aus, als sei meine neue Schwangerschaft nicht intakt. Ich zähle heute 8+0.
Der Schock traf uns am Dienstag. Ich hatte meinen ersten Frauenarzttermin, den ich mir gelassen und ohne Grund zur Sorge extra spät gelegt hatte. Alles ging erschreckend schnell. Ich wusste in etwa, wie ein Ultraschallbild in der 8. Schwangerschaftswochen aussehen müsste, wartete nur auf das Blinken des Herzchens. Doch auf dem Bildschirm sah man nur eine Fruchthöhle und einen Dottersack. Klare Sache für meine Frauenärztin "nicht richtig angelegtC, "falsche Proportionen". Eine Bagatelle. "Ich kann Ihnen gleich eine Einweisung in die Klinik schreiben". Oder wir machen noch einen Kontrollultraschall, hieß es, aber das klang für mich nicht so, als würde sie sich etwas davon versprechen. Ich habe mich tot gestellt und mir die Zettel aushändigen lassen und zu Hause den Kliniktermin für heute ausgemacht.
An jenem tränenreichen Dienstagabend fiel mir dann meine Hebamme ein. Sie ist eine sehr kluge Frau, die auch Sinn für einen angemessenen Umgang mit Menschen in Extremsituationen hat. Sie brachte zwei neue, wertvolle Gedanken mit ins Spiel. Zum einen, dass sie mich auf eine Diskrepanz der Ansichten von Ärzten und Frauen wie z.B. Hebammen hinwies. Sie sah durchaus auch den Weg als Möglichkeit, eine vom Körper selber produzierte Blutung abzuwarten und die Gebärmutter danach noch einmal kontrollieren zu lassen. Selbstverständlich bei Komplikationen die Klinik aufzusuchen. Sie selbst war in einer vergleichbaren Situation diesen Weg gegangen. Auch bei ihr gab es in der 8. Schwangerschaftswoche jenes deprimierende Ultraschallbild, sie sollte am nächsten Tag zur Ausschabung. Sie ging nicht. Pointe: Jenes Kind ist jetzt 6 Monate alt! Sie wollte mir allerdings mit ihrem Fall keine zermürbenden Hoffnungen machen.
Ich hatte gestern ein längeres Telefonat mit der Klinikärztin, die bei Lovis' Geburt dabei war. Sie repräsentierte wiederum die andere Seite, klärte mich über Risiken auf, holte aber auch detaillierte Informationen über die verwendeten Narkosemittel ein, so dass ich sie vom Embryonaltoxologischen Institut in Berlin auf Stillverträglichkeit überprüfen lassen konnte.
Ich blieb bei dem heutigen Kliniktermin mit der Option, nach der erneuten Untersuchung auch einen Aufschub für die OP zu bekommen. Klinikalltag bedeutet vor allem viel Warten. Es war eine ziemliche Strapaze, im Morgengrauen dort nüchtern antreten zu müssen und dann noch sehr lange, teilweise weinend, mit anderen Patientinnen und deren Männern auf dem Stationskorridor herumsitzen zu müssen. Alle herumwandelnden Schalfanzuggespenster taten mir so leid; sicherlich haben auch sie ihr Päckchen zu tragen.
Die Stationsärztin war ausgesprochen sympathisch. Ihre Behandlung war Kompetenz ausstrahlend, menschenwürdig und geduldig. Sie machte einen eingehenden Ultraschall, und zwar genau so gründlich, wie ich das angesichts der Entscheidung für eine Ausschabung auch für angemessen halte. Es war kein Vergleich mit meiner Frauenärztin. Das Bild sah ähnlich aus wie am Dienstag. Die Größe des Dottersacks entspricht etwa der 7. Schwangerschaftswoche. Sie suchte die Fruchthöhle aus verschiedenen Perspektiven ab. Am Rande der Fruchthöhle entdeckte sie schließlich eine schwer interpretierbare kleine Struktur, deren Länge etwa der SSL der 7. Schwangerschaftswoche entspricht. Kein Herzschlag darstellbar. Beta-HCG-Wert heute 46.000 (es gibt keinen Vergleichswert von vorgestern, meine Frauenärztin hatte sich nicht dafür interessiert).
Da ich einen späteren Befruchtungszeitpunkt recht sicher ausschließen kann, scheint es so, als hätte unser Baby in der 7. Schwangerschaftswoche seinen Weg ins Leben eingestellt. Da mein Mann und ich uns bei dem Gedanken an eine Abrasio zum jetzigen Zeitpunkt nicht anfreunden können, weil wir uns fühlen würden wie bei einer Abtreibung, werden und dürfen wir warten. Die Ärztin, die uns zwar nicht mit neuen Hoffnungen quälen möchte, würde trotzdem nicht so weit gehen, einen sogenannten "Eckenhocker" auszuschließen. Ich kann am Montag zur erneuten Kontrolle plus OP kommen. Ich überlege, ob ich mich am Montag nicht noch einmal von einem neuen niedergelassenen Arzt untersuchen lasse.
Was ist nur los in meinem Bauch? Ich weiß nicht, ob ich mich schwanger fühlen soll oder nicht. Ich bin so traurig, eine Perspektive ist zerflossen, wir hatten uns so auf das Geschwisterle gefreut. Ich hatte sogar schon einen kleinen Seidenanzug gekauft. Nun weiß ich nicht einmal mehr, welchen Zustand ich mir wünschen möchte. Im Moment könnte ich mich nicht einmal freuen, wenn eine gute Fee käme und mir ins Ohr flüstern würde: "Dein Kind lebt, Du bist schwanger." Da ist eine Geschichte los in meinem Leben, von der ich noch nicht weiß, was sie bedeuten soll.
Traurige Grüße von Tini
mit goldigem ersten Sohn
und mittlerweilen mit Trigeminusneuralgie vor der Rotlichtlampe sitzend