Dann will ich mal erzählen?
Wir sind am Montag Abend gut hier weggekommen, der Flieger war pünktlich und Sarah schlief selig in ihrem Bettchen, das vor uns an der Wand hing, sie schlief auch während unserer Mahlzeiten, so dass wir selbige halbwegs genießen konnten (ob das selbige nun für Sarah oder die Mahlzeiten steht, bleibt eurer Phantasie überlassen).
Meine Familie holte uns im Flughafen ab, dank Priorityschildern am Koffer und der Tatsache, dass man in Brasilien mit Baby dabei an Warteschlangen vorbei kann, waren wir als erstes durch die Passkontrolle, obwohl wir dank Baby so ziemlich als letzte der 390 Passagiere aus dem Flieger kamen, es lebe die Kinderfreundlichkeit!!!
Wir hatten ja beschlossen, dass wir diesmal keine Rundreisen starten, sondern einfach das Leben meiner Schwester mit leben würden, einfach mal nur ausspannen, den brasilianischen Winter genießen, der sich sehr freundlich mit 24°C präsentierte.
Die Highlights waren wohl die Geburtstagsfeier der Junigeburtstagskinder in der Gemeinde, in der meine Schwester seit 7 Jahren arbeitet ? ich wurde schlichtweg in die Feier mit integriert und irgendjemand zauberte auch ein Geburtstagsgeschenk für mich aus dem Ärmel?
Die Gemeinde ist eine Gemeinde für die ?Armen der Strasse?, die Gemeindemitglieder sind zu 99% Obdachlose, dazu zählen ja auch die, die die Nächte in Herbergen verbringen, manche verbringen ihre Tage in Tagesherbergen, die Nächte in Nachtherbergen, sind gepflegt und man würde nie erkennen, dass sie obdachlos sind, andere sind nur auf der Strasse und so sehen sie aus und so riechen sie auch, manche nutzen täglich die Möglichkeit, sich in der Gemeinde zu duschen und ihre Kleidung zu waschen, andere eher selten, es ist eine bunte Mischung aus Menschen, die man sonst nicht angucken würde ? da bin ich sicher!
Ein weiteres Highlight war der 40ste Geburtstag meiner Schwester, eine Mitmachmitbringparty, die gegen 11h begann und gegen 23h mit Straßefegen und Aufräumen endete, ich konnte die Gäste nicht zählen, es war ein dauerndes Kommen und Gehen, der Kuchen war so brasilianischdeutsch, wie er anders nicht sein konnte, die Gäste waren Nachbarn, Kollegen, Freunde ? alles, was sich eingeladen fühlte, kam und es war eine herrliche Feier, die aus Platzgründen auf dem Buergersteig vor dem Haus meiner Schwester stattfand ? sie wohnt glücklicherweise am Ende einer Sackgasse?
Freitags haben wir unseren großen Neffen zu seinem Kindergarten begleitet, meine Schwester hatte Elterngesprächstermin und außerdem war Neuigkeitentag, da dürfen die Kinder etwas von zu Hause mitbringen und erzählen, die Neuigkeit für Christian war unser Besuch und da mussten wir alle kommen. Die Schule ist vor 4 oder 5 Jahren umgezogen weit in den Süden von Sao Paulo, so dass meine Schwester gegen 5:30h das Haus verlassen muss, damit der Kurze den Unterrichtsbeginn um 7:10h nicht verpasst ? sie hat kein Auto, wäre auch nicht viel schneller damit, der Bus alleine fährt schon 45 min auf dem Hinweg, dann noch 2 x 15min laufen, dank Berufsverkehr dauert der Rückweg schon gute 30 min länger und als wir nach Schulschluss gegen Mittag heimfuhren brauchten wir flotte 2 Stunden?was für ein Stress für Mutter, Kind und Kindermädchen, aber sie hat schon Recht, ohne die Ausbildung auf der Schule haben ihre Jungs schlechtere Chancen in Brasilien!!! Die Schule erstreckt sich auf einem Gelände von 60000qm, beginnt mit dem Kindergarten, also, wenn die Kinder vier Jahre alt sind, bietet einen deutschen und einen brasilianischen Schulzweig mit dem Abschluss Abitur und für den deutschen Schulzweig gibt es die Möglichkeit, eine Berufsschule zu besuchen, mit Ausbildung im Beruf. http://www.humboldt.g12.br/
Die Brasilianer können die Ausbildung auch machen, denn sie haben Deutsch als erste Fremdsprache, jedoch ist es schwerer für sie, da sie ja bislang in brasilianisch unterrichtet wurden die Berufsschule in Deutsch ausbildet!
Am Sonntag waren wir auf dem Künstlermarkt am Praca Republica, ein unbedingtes Muss für mich, ich gehe da seit 13 Jahren hin und es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken, und für uns Europäer ist es ein Schnäppchen und Kofferfüller!!!
Vor vier Jahren hat meine Schwester mit einer Lampenwerkstatt als Gemeindeprojekt begonnen, inzwischen beschäftigt sie in der Werkstatt 12 Leute, die von der Stadt im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmassnahme bezahlt werden, es ist ein Wahnsinnsprojekt, das einen eigenen Bericht verdient - hier nur soviel ? die Lampen werden aus Draht als Grundmaterial gebogen und verarbeitet, dann übergossen mit gewaschener, gekochter und gefärbter Zuckerrohrfaser. Zum Schluss bekommen sie noch eine Fassung mit Kabel, Schalter, Stecker und eine Glühbirne und fertig ist sie, die Lampe, die zum größten Teil aus Müll besteht, denn die Zuckerrohrfaser ist ein Abfallprodukt aus dem Zuckerrohr, aus dem der Saft ausgepresst wurde und mit Limone oder Ananas versehen an vielen Ecken und Enden in Sao Paulo verkauft wird. Lecker übrigens sage ich euch?
Neben all den vielen Kontakten zu den Brasilianern haben wir uns auch durch die Innenstadt Sao Paulos geschleppt, dort ist es immer laut, immer voll, immer herrlich unübersichtlich und man findet in jeder Ecke etwas anderes, was einen vom Weitergehen abhält, die Innenstadt ist ein Paradies für den europäischen Touristen, besonders, wenn der Dollar so gut steht, wie dieses Mal?
Wir waren Churasco essen, haben auf der Dachterrasse bei Freunden gegrillt, hatten an meinem Abend zu Hause ein Fleischfondue, wir hatten tolle Gespräche, viel Zeit für einander, Geduld und Muse und es waren 10 herrliche Tage ? mal abgesehen davon, dass ich ausgerechnet an meinem Geburtstag meinen rebellierenden Magen beim Stillen leeren musste, fragt mich nicht, wie ich es geschafft habe, dass Sarah nichts abbekommen hat, ich selber sah wohl unbeschreiblich aus?
Der Rückflug war dank erneuter Zeitumstellung anstrengend, Sarah schlief ihren normalen Mittagschlaf, anschließend, als wir auf Nacht umstellten, war sie wach, was mir eine Menge Bekanntschaften im Flugzeug einbrachte, Reisende aus Berlin, die in Peru waren, zwei Lehrerinnen der deutschen Schulen in Sao Paulo ? eine davon hat mir gleich einen Kontakt für meine Schwester für eine Bewerbung an der Schule gegeben, eine Stelle dort würde ihr das Schulgeld sparen?
Jedenfalls war mein Mann sehr überrascht, als bei der Ankunft in Frankfurt so viele Menschen uns ein schönes Schulfest (das war am Samstag) wünschten, als die zwei Lehrerinnen uns alles Gute fuer meine Schwester wünschten, als die drei Mädels aus Brasilia sich für die Tipps bezüglich ihres Frankfurt Zwischenstopps bedankten, so viele sich bei mir und Sarah verabschiedeten?tja, man kann 11 Stunden lang schlafen oder eben nicht?
Soweit so gut, ich kann nur sagen, ich würde glatt wieder hinfahren?am liebsten sofort!
LG
Peanut