Frühchen: So wirkt sich eine Frühgeburt aus
Frühchen kommen vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche, also mehr als drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, auf die Welt. Wie sie sich entwickeln, ist abhängig von Schwangerschaftsalter und Gewicht.
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Kurzübersicht: Frühchen
Wann ist ein Baby ein Frühchen? Wird ein Baby vor Vollendung von 37 Schwangerschaftswochen geboren oder wiegt weniger als 2.500 Gramm, gilt es als Frühchen.
Was bedeutet das? Es kann sein, dass die Organe deines Frühchens noch nicht eigenständig funktionieren, weshalb es auf der Frühgeborenenstation medizinisch versorgt werden muss.
Versorgung: Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Schon kleinste Frühchen unter 1.500 Gramm haben heute gute Überlebenschancen.
Prognose: Je näher am errechneten Geburtstermin ein Frühchen auf die Welt kommt, desto besser stehen seine Chancen auf ein Leben ohne Einschränkungen.
In Deutschland kommen über acht Prozent aller Babys als Frühchen auf die Welt. Das entspricht etwa 60.000 Frühchen jährlich. Das aktuell jüngste Frühchen, das in Deutschland und Europa überlebt hat, hatte ein Gewicht von 460 Gramm bei der Geburt und kam bei 21+5 Schwangerschaftswochen zur Welt.
Artikelinhalte auf einen Blick:
- Wann ist ein Baby kein Frühchen mehr?
- Anzeichen
- Medizinische Intervention
- Versorgung im Krankenhaus
- Mutterschutz
- Hautkontakt und mehr
- Stillen von Frühchen
- Die erste Zeit zu Hause
- Prognose bei Frühchen
- Entwicklung
Ab wann ist ein Neugeborenes kein Frühchen mehr?
Eine Schwangerschaft dauert normalerweise 40 Wochen. Kommt ein Baby vor Vollendung von 37 Schwangerschaftswochen (37+0), also drei Wochen vor dem errechneten Termin zur Welt, gilt es als Frühchen. Mit Beginn der 38. Schwangerschaftswoche ist es kein Frühchen mehr und gilt als voll entwickelt, also "reif geboren".
Man unterscheidet Frühchen noch einmal in extrem früh, sehr früh und mäßig früh Geborene.
- extrem früh Geborene (weniger als 28 Schwangerschaftswochen)
- sehr früh Geborene (28 bis 31 Schwangerschaftswochen)
- mäßig früh Geborene (32 bis 37 Schwangerschaftswochen)
Je nach Zeitpunkt der Geburt und der damit verbundenen Entwicklung der Organe des Babys fallen die Prognosen für Frühchen recht unterschiedlich aus. Grundsätzlich gilt: Je näher am errechneten Geburtstermin ein Frühchen geboren wird, desto besser.
Anzeichen einer (drohenden) Frühgeburt
Das häufigste Anzeichen einer Frühgeburt sind vorzeitige Wehen. Gerade im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft lassen sich vorzeitige Wehen allerdings nicht immer so leicht erkennen, da sich die Gebärmutter bereits immer mal wieder zusammenzieht.
Geburtswehen unterscheiden sich jedoch von solchen Vorwehen (dazu zählen Senk- ebenso wie Übungswehen) in folgenden Punkten:
- Die Kontraktionen sind schmerzhaft und treten regelmäßig und in kurzen Abständen auf.
- Sie nehmen an Intensität, Dauer und Häufigkeit zu.
- Die Wehen können auch von Rückenschmerzen oder Ziehen im Oberschenkel begleitet werden.
In manchen Fällen können Blutungen oder das frühzeitige Platzen der Fruchtblase (vorzeitiger Blasensprung) eine drohende Frühgeburt ankündigen. Bei Blutungen oder austretendem Fruchtwasser handelt es sich um Notfälle. Bitte suche das nächste Krankenhaus auf oder rufe einen Rettungswagen.
Medizinische Intervention bei drohender Frühgeburt
Liegen keine Gründe für die sofortige Entbindung vor, versucht das Behandlungsteam in der Regel, die Schwangerschaft so lange wie möglich zu erhalten. So gewinnt dein Baby im Bauch Zeit für seine Entwicklung und seine Organe können weiter ausreifen. Auch eine Verlegung in ein Krankenhaus mit Neugeborenen-Intensivstation kann angedacht werden.
Das Vermeiden von Belastungen, körperliche Schonung sowie (Bett-)Ruhe sind jetzt wichtig. Häufig erfolgt die Behandlung im Krankenhaus. Strenge Bettruhe und medikamentöse Wehenhemmung (Tokolyse) können dazu beitragen, die Geburt noch etwas hinauszuzögern.
Wenn sich der Muttermund bereits geöffnet hat, kann es sinnvoll sein, ein Cerclagepessar einzulegen. Dabei wird der Muttermund mit einer kleinen Schale verschlossen.
Vor der 34. Schwangerschaftswoche kann die Lungenreife des Kindes und die Bildung der Lungenbläschen durch die Gabe von Glukokortikoiden (Kortison) zusätzlich beschleunigt werden. Liegen Risikofaktoren für ein Atemnotsyndrom beim Säugling vor, auch noch bis zur 37. Schwangerschaftwoche. Die Gabe erfolgt mittels zwei Spritzen, die der werdenden Mutter verabreicht werden.
Bei Nachweis einer Infektion oder erhöhtem Infektionsrisiko (etwa nach frühem vorzeitigem Blasensprung) werden Antibiotika gegeben.
Frühchen-Versorgung im Krankenhaus
Ein Frühchen kann per Kaiserschnitt oder auch vaginal entbunden werden, je nach Ursache und Situation. Wenn sich das Kind beispielsweise noch nicht in die Schädellage gedreht hat, muss möglicherweise ein Kaiserschnitt durchgeführt werden. Dammschnitte werden bei der Geburt von Frühchen häufiger durchgeführt, um den noch weichen kindlichen Schädel zu schützen.
Wie ein Frühchen nach der Geburt versorgt wird, ist ebenfalls stark abhängig von der individuellen Situation: Während die Organe von sehr kleinen Frühgeborenen noch unausgereift sind, verfügen Frühchen ab der 34. Schwangerschaftswoche oft bereits über gute Vitalfunktionen. Unabhängig davon werden alle Frühchen in den ersten Lebenstagen oder -wochen engmaschig medizinisch überwacht.
Inkubator und Wärmebett für Frühchen
In der Regel kommt ein Baby nach einer Frühgeburt nach der Erstversorgung in ein offenes Wärmebett oder den sogenannten Brutkasten – einen Inkubator, in dem es geschützt, warm und ruhig liegt. Hier kann es auch medizinisch überwacht und versorgt werden.
Das ist besonders wichtig, wenn die Lungen noch nicht voll funktionsfähig sind (Atemnotsyndrom). Bei dieser relativ häufig vorkommenden Komplikation wird das Frühchen beatmet, bis die Lungen ihre Funktion ohne Hilfsmittel aufnehmen können.
Die Ernährung eines Frühgeborenen besteht häufig zunächst aus einer Wasser-Zucker-Mischung, da der Magen noch keine Milch verdauen kann. Später wird es mit abgepumpter Muttermilch ernährt, bis es selbst trinken kann. Auch spezielle Säuglingsnahrung für Frühgeborene steht zur Verfügung.
Wie lange muss mein Baby auf der Frühchen-Station bleiben?
Wie lange der Aufenthalt auf der Frühchen-Station nötig ist, hängt davon ab, wie viel zu früh das Baby geboren wurde und wie weit die Entwicklung ist. Da Frühchen nicht im Mutter-Kind-Zimmer liegen dürfen, bieten viele Kliniken mittlerweile Gästezimmer für Eltern an. Hier können Eltern übernachten, frischgebackene Mütter die Hebamme empfangen oder sich einfach zurückziehen, ohne weit von ihrem Kind entfernt zu sein.
Mutterschutz nach einer Frühgeburt
Nach einer Frühgeburt verlängert sich die Mutterschutzfrist auf zwölf Wochen. Außerdem verlängert sich der Mutterschutz zusätzlich um den Zeitraum, den die Mutter vor der frühen Geburt nicht in Anspruch nehmen konnte.
Was dem Frühchen in der ersten Zeit hilft: Hautkontakt und mehr
Viel Hautkontakt mit den Eltern tut dem Frühchen (nicht nur) in der ersten Zeit gut. Laut verschiedenen Studien entwickeln sich Frühchen mit viel Hautkontakt und häufiger Ansprache durch die Eltern schneller, können eher gestillt werden und haben seltener Atempausen.
Auch wenn dein Frühchen zerbrechlich wirkt: Streichle es, sprich mit ihm und wenn es nicht an Geräte angeschlossen ist, nimm es für einige Zeit auf den Bauch, die Brust oder auf den Arm (Känguruhen). Das Pflegepersonal auf der Station hilft dir dabei. Auch dein*e Partner*in kann "känguruhen".
Wichtig ist, das Frühchen in der ersten Zeit nicht durch Reize zu überfordern – viel hilft nicht viel. Achte auf dein Kind, lerne es kennen und seine Signale zu deuten. Ein Wechsel zwischen Anregung und Beruhigung ist ideal.
Stillen von Frühchen
Auch Frühchen können mit Muttermilch ernährt werden, sofern sie das Saugen und Schlucken schon beherrschen. Andernfalls werden sie über eine Magensonde mit einer Nährlösung oder mit abgepumpter Muttermilch versorgt.
Wenn du es schaffst, die Milchbildung anregen und deine Muttermilch abzupumpen, kann dein Baby mit Muttermilch aus der Flasche ernährt werden. Um die Milchbildung beim Abpumpen in der ersten Zeit anzuregen, kann es hilfreich sein, dabei an das Baby zu denken und sich beispielsweise ein Foto anzusehen. Mit der weiteren Entwicklung deines Babys wird es sogar möglich sein, es direkt an der Brust zu stillen, auch wenn es noch auf der Frühchen-Station liegt.
Einige Krankenhäuser verfügen auch über Muttermilchbanken. Wenn du keine oder zu wenig Muttermilch produzierst, kann gespendete, im Labor geprüfte Muttermilch mit der Flasche oder per Magensonde gefüttert werden.
Mit dem Frühchen zu Hause
Obwohl man sich schon etwas länger kennt, ist die erste Zeit zu Hause mit dem Frühchen für alle Familienmitglieder aufregend. Dein Baby wird vielleicht in den ersten Tagen in dieser neuen Umgebung etwas unruhiger sein. Vielleicht hast du einen Heimmonitor zur Überwachung von Herzschlag und Atmung mit nach Hause gebracht. In diesem Fall wurdest du in der Klinik über Erste-Hilfe-Maßnahmen aufgeklärt.
Es ist völlig normal, wenn du in der ersten Zeit mit deinem Frühchen zu Hause unsicher bist. Vergiss bitte nicht: Dein Kind und du haben es bis hierhin geschafft. Du kannst als Elternteil nicht alles vorhersehen oder beeinflussen. Lass dir Zeit, genieße die Fortschritte. Wenn du unsicher bist, frage deine Nachsorgehebamme oder deine*deinen Ärztin*Arzt. Frühchen werden ohnehin engmaschiger medizinisch betreut.
Tipps für die erste Zeit zu Hause
- Wochenbett nachholen: Wenn du kannst,genieße die erste Zeit mit deinem Frühchen zu Hause besonders und hole das Wochenbett nach.
- Känguruh-Halten: Das hilft deinem Kind nicht nur in der Zeit auf der Frühchen-Station, auch zu Hause kannst du diesen innigen Kontakt aufrechterhalten und das Bonding unterstützen.
- Frühchens sensible Haut pflegen: Verwende nur Pflegemittel, die frei von Duft-, Farb- und Konservierungsstoffen sind. Empfindliche Hautstellen sollten nach dem Baden gut abgetrocknet werden.
- Kleidung für Frühchen: Kleidung ab Größe 32 findest du im Internet. Viele Babyausstatter führen aber auch Frühchenkleidung.
- Eine Babymassage tut auch Frühchen gut: Intensiver Hautkontakt bei der sanften Babymassage fördert auch die Eltern-Kind-Bindung.
- Frühförderung in Anspruch nehmen: Frühchen haben unter Umständen Anspruch auf Frühförderung. Dieser besteht nach Sozialgesetzbuch (SGB) IX § 30 "Früherkennung und Frühförderung". Auskunft erteilen die Krankenversicherungen.
Prognose nach Frühgeburt ist heute insgesamt besser
Vor allem für sehr kleine Frühchen mit einem Gewicht von unter 1.500 Gramm haben sich die Behandlungsmöglichkeiten in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Mit intensivmedizinischer Behandlung sind die Überlebenschancen schon für extrem Frühgeborene ab der 24. Schwangerschaftswoche deutlich gestiegen: Etwa 80 Prozent der Kinder, die zwischen 24 und 25 vollendeten Schwangerschaftswochen und einem Gewicht von deutlich unter 1.000 Gramm geboren werden, überleben. Allerdings zeigen 30 Prozent von ihnen schwere Entwicklungsstörungen.
Ein Großteil der Kinder, die zwischen der vollendeten 26. und 30. Schwangerschaftswoche geboren werden, überleben. Etwa zehn bis 25 Prozent von ihnen zeigen Entwicklungsstörungen, die sich hinsichtlich des Schweregrads erheblich unterscheiden können.
Frühchen, die nach der 30. Schwangerschaftswoche und mit einem Gewicht von über 1.500 Gramm geboren werden, entwickeln sich häufig normal. Voraussetzung dafür ist, dass keine weiteren Komplikationen nach der Geburt auftreten.
Je reifer die Organe, desto besser ist die Prognose
Das Schwangerschaftsalter, also die Schwangerschaftswoche, in der ein Kind auf die Welt kommt, ist oft entscheidender als sein Gewicht. Je länger sich ein Baby im Mutterleib entwickeln kann, desto funktionstüchtiger sind seine Organsysteme.
Umgekehrt bedeutet das aber auch: Je früher ein Kind auf die Welt kommt, desto ausgeprägter sind die Langzeitfolgen. Die Ursache dafür liegt in den noch nicht voll funktionsfähigen Organen. Nach der Geburt kann dies zu einer Reihe von akuten und später mitunter chronischen Erkrankungen führen. Häufig kommen vor:
- Entwicklungsverzögerungen
- chronische Atembeschwerden
- motorische Störungen
- Aufmerksamkeitsstörungen
- körperliche Beeinträchtigungen
- geistige Beeinträchtigungen
Entwicklung von Frühchen
Wie die Entwicklung eines Frühchens verläuft, kann niemand mit Sicherheit voraussagen. Während viele Frühchen die Entwicklungsdefizite im Laufe der Jahre nachholen und manche sich sogar wie reif geborene Kinder entwickeln, hinken andere etwas oder mehr hinterher, einige haben vielleicht sogar Einschränkungen oder Behinderungen.
Viele Frühchen sind zum Beispiel schlechte Esser. Auch Erkältungskrankheiten kommen bei ihnen häufiger vor. Das liegt zum einen daran, dass gerade im letzten Schwangerschaftsdrittel Immunzellen von der Mutter aufs Kind übergehen. Deshalb wird für Frühchen auch ein etwas anderes Impfschema empfohlen; sie sollen die kombinierte Sechsfachimpfung bereits im Alter von zwei Monaten erhalten.
Zum anderen kommen viele Frühchen mit unreifen Atemwegsorganen zur Welt. Einige Frühchen haben auch Probleme mit den Augen. Sie bleiben vor allem in den ersten Lebensjahren anfälliger für Infektionen. Das gibt sich aber mit zunehmendem Alter.
Förderung ist wichtig
Wie sich ein Frühchen entwickelt, hängt auch von den Lebensumständen des Kindes ab. Je nach individueller Situation unterscheiden sich die Möglichkeiten der Familien sehr voneinander. Dabei ist eine gute Behandlung und Förderung auch in späteren Jahren für Frühchen und ihre Entwicklung sehr wichtig.