Bonding beim Baby: Eltern-Kind-Bindung nach der Geburt
Als „Bonding“ wird der Prozess bezeichnet, bei dem ein einzigartiges, emotionales Band zwischen Eltern und Baby entsteht. Forscher gehen davon aus, dass gerade die ersten Augenblicke nach der Geburt für die Entwicklung einer intensiven Bindung prägend sind.
- © gettyimages.com/Catherine Delahaye
„Bonding“ beschreibt die Verbindung zwischen Eltern und Baby auf emotionaler Ebene. Für das Baby ist die Geburt ein einschneidendes Erlebnis, das es verarbeiten und von dessen Stress es sich erholen muss. Sobald das Kind auf die Welt kommt, sehnt es sich nach Wärme und Geborgenheit. Beim Bonding werden diese Bedürfnisse in der sensiblen Phase der ersten Kontaktaufnahme erfüllt. Es heißt, die sensibelste Phase für den Aufbau dieser innigen Bindung sei in den ersten Stunden nach der Geburt.
Artikel-Inhalt:
- Warum ist Bonding wichtig?
- Technik und Anleitung
- Bondingfreundliche Kliniken
- Bonding-Tuch und -Top
- Bonding nach Kaiserschnitt
- Bonding durch den Vater
- Fehlendes Bonding nachholen?
Warum ist Bonding wichtig?
So früh wie möglich soll das Baby ein Gefühl der Sicherheit bekommen und dadurch ein Urvertrauen zu den Eltern entwickeln. Dem Neugeborenen Liebe, Zuwendung und Aufmerksamkeit zu schenken, stellt die Weichen für das Miteinander der nächsten Lebensjahre.
Außerdem kann ein gelungenes Bonding dazu beitragen, einer postnatale Depression bei Müttern vorzubeugen. Denn der direkte Hautkontakt zwischen Mutter und Baby bewirkt eine vermehrte Ausschüttung von Oxytocin. Das Hormon sorgt dafür, dass man sich sicher und geborgen fühlt, weshalb es auch als Bindungshormon bezeichnet wird.
Bonding-Technik: So entsteht das erste Band
Eine intensive Verbindung wird vor allem durch Körperkontakt geschaffen – durch Streicheln, Halten und Wiegen. Eltern wird deshalb empfohlen, das Baby nach der Entbindung auf die nackte Brust zu legen und es dort dem vertrauten Herzschlag lauschen zu lassen. Auch Kommunikation ist für das Bonding sehr wichtig: Mütter und Väter sollten mit dem Baby sprechen, denn die Stimmen sind dem Kind bereits aus dem Mutterleib bekannt. Das Erfüllen von anderen Bedürfnissen kann ebenfalls eine Rolle spielen – so zum Beispiel das erste Stillen im Kreißsaal. Der unmittelbare Haut-zu-Haut-Kontakt nach der Geburt fördert die Fähigkeit, dass das Neugeborene selbstständig die Brustwarze findet und so den Zeitpunkt des Stillbeginns bestimmt. Diese Fähigkeit wird als "Breast Crawl" bezeichnet.
Bonding-Anleitung auf einen Blick
Direkter Hautkontakt: Das Baby wird Mutter oder Vater nach der Geburt auf die nackte Brust gelegt, um einen unmittelbaren Hautkontakt herzustellen.
Liebevolle Kommunikation: Mit dem Baby ruhig zu sprechen, fördert die Entstehung einer Bindung. Die Stimmen der Eltern sind dem Neugeborenen bereits aus dem Mutterleib bekannt.
Inniges Kuscheln: Auch das sanfte Streicheln und Liebkosen des Babys sorgt für ein Wohlgefühl.
Füttern: Das erste Stillen oder die erste Milchmahlzeit mit der Flasche befriedigen die Urbedürfnisse des Babys.
Bondingfreundliche Kliniken dank Rooming-in
Viele Kliniken schaffen in der ersten Lebensstunde spezielle Bedingungen für Ruhe und Intimität, um frisch gebackenen Familien ein ungestörtes Bonding zu ermöglichen. Eltern sollten die intensiven Momente mit ihrem Kind genießen: Sie sind wunderschön und einmalig – schließlich ist nun eine neue Familie geboren.
Einige Frauen berichten davon, dass das sogenannte "Rooming-in" im Anschluss der Geburt beim Bonding eine Hilfe war. Hierbei werden Mutter und Kind in einem gemeinsamen Klinikzimmer untergebracht. Die Mutter kümmert sich 24 Stunden lang um ihr Kind und wird von Hebammen und Pflegepersonal dabei unterstützt.
Ob "Rooming-in" in Anspruch genommen wird, sollte nach der individuellen Situation entschieden werden. Denn für Mütter könnte es auch entlastend sein, wenn das Baby Zeit im Säuglingszimmer verbringt. In speziellen Familienzimmern kann der Vater ebenfalls untergebracht werden, sodass auch er zur Entlastung der Mutter jederzeit einspringen und viel Kontakt mit seinem Baby aufnehmen kann. Je nach Krankenhaus weichen die Konzepte voneinander ab.
Bonding-Tuch, -Shirt oder -Top für den Haut-zu-Haut-Kontakt
Als Bonding-Tuch oder -Top wird ein Bauchband bezeichnet, das von der Mutter übergezogen wird. Das Baby wird darin eingepackt und davon sicher gehalten. Bonding-Tücher sind nicht zwingend notwendig, können gegebenenfalls aber nützlich sein. Besteht der Wunsch, sollten werdende Mütter vor dem Kauf mit der Klinik besprechen, ob das Tuch verwendet werden darf oder es sogar vom Krankenhaus selbst ausgehändigt wird.
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Kaiserschnitt & Co.: Bonding in besonderen Situationen
Bonding nach Kaiserschnitt: Frauen, die von der Bedeutung des Bondings gehört haben und per Kaiserschnitt entbinden, sorgen sich häufig. Sie haben Angst davor, dass sie in dem wichtigen Moment nicht für ihr Kind da sein können. Es besteht allerdings kein Anlass für Schuldgefühle. In einigen Kliniken wird nach einem Kaiserschnitt ein direktes Bonding zwischen Mutter und Baby ermöglicht. Noch während die Mutter hinter dem Operationstuch operiert wird, liegt das Baby bereits auf ihrer Brust und der Vater bleibt an ihrem Kopfende sitzen. Informieren Sie sich vor der Entbindung in der Klinik, welche Bonding-Möglichkeiten angeboten werden. Ist die Mutter nach der Geburt nicht dazu in der Lage, mit dem Kind erste Bande zu knüpfen, können auch andere Personen – allen voran der Vater – dem Kind Zuneigung geben. Sobald die Mutter wieder wohlauf ist, kommt das Kind zu ihr. Dies gilt auch, wenn während der Geburt Komplikationen auftreten und die Mutter medizinisch versorgt werden muss.
Bonding ohne Stillen: Beim Stillen wird direkter Hautkontakt hergestellt und der Körper schüttet Oxytocin aus – beides ist für das Bonding durchaus förderlich. Das heißt aber nicht, dass Flaschenbabys keine enge Bindung zu ihren Müttern entwickeln können. Auch wenn das Kind in körperlicher Nähe auf dem Arm mit der Flasche gefüttert wird, baut sich Urvertrauen auf.
Bonding bei Frühgeborenen: Die Kliniken bemühen sich um Konzepte, damit auch bei Frühgeborenen ein rasches Bonding stattfinden kann. Dies ist jedoch häufig nicht einfach umzusetzen, wenn die Frühchen unmittelbar nach der Geburt medizinisch versorgt werden müssen. Wie, wann und wie lange das Bonding stattfinden kann, richtet sich daher nach der individuellen Situation von Mutter und Kind. So kann es nach der medizinischen Erstversorgung des Babys zum Beispiel möglich sein, dass es auf die Brust der Mutter gelegt oder alternativ Kontakt durch Handauflegen, Ansprechen oder Blickkontakt hergestellt wird.
Bonding zwischen Papa und Baby
Wenn Väter das Bonding nach der Geburt übernehmen, legen sie sich das Neugeborene auf die nackte Brust. Durch Körperkontakt und Kommunikation findet das Bonding statt. Das Baby kann den Vater bereits jetzt von anderen Personen unterscheiden: Seine Stimme hat es im Mutterleib gehört und erkennt diese nun tatsächlich wieder. Väter können sich mit dem Kind auch ganz nah an den Kopf der Mutter heransetzen, um so die ersten gemeinsamen Momente zu dritt zu genießen.
Rebonding: Lässt sich fehlendes Bonding nachholen?
Zwar heißt es, besonders die ersten Momente nach der Geburt seien prägend – Bonding findet deshalb aber nicht ausschließlich in dieser Zeit statt. Im Gegenteil: Bonding hat schon im Mutterleib begonnen. Längst ist während der Schwangerschaft eine Verbindung zwischen Mutter und Kind entstanden. In der weiteren Entwicklung des Neugeborenen hört das Bonding nicht auf: Trösten, Kuscheln, Füttern, mit dem Kind sprechen, es umsorgen und behüten. All das baut auch später eine intensive Eltern-Kind-Beziehung auf, bei der das Baby Sicherheit erfährt und in ein glückliches, mit Liebe erfülltes Leben startet. Bonding ist eben kein isoliertes Erlebnis, sondern ein andauernder Prozess.
Viele Hebammen und Entbindungspfleger bieten deshalb auch Rebonding-Bäder an, bei denen die Atmosphäre kurz nach der Geburt nachgestellt wird. Bei Bedarf lassen sich solche heilenden Erfahrungen wiederholen. Rebonding eignet sich, wenn Eltern und Kind nicht direkt nach der Geburt bonden konnten oder auch nach schwierigen oder traumatischen Geburtsverläufen.