Plötzlicher Kindstod (SIDS): Ursache möglicherweise gefunden
Von Eltern gefürchtet, glücklicherweise aber selten: Der plötzliche Kindstod, oder kurz SIDS (Sudden Infant Death Syndrome), ist der plötzliche und unerwartete Tod eines gesunden Babys oder Kleinkinds, dessen Ursachen nach eingehender Untersuchung nicht geklärt werden können.
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Artikelinhalte auf einen Blick:
- Plötzlicher Kindstod: Was bedeutet das?
- Ursachen
- Risiko minimieren
- Wann sinkt das Risiko?
- Was tun im Notfall?
- Wie wird der plötzliche Kindstod festgestellt?
- Vorbeugen: die „3-R-Regel“
- Prävention
- Ist eine spezielle Matratze sinnvoll?
- Co-Sleeping
- Hilfe für Betroffene
Plötzlicher Kindstod: Was bedeutet das?
Beim plötzlichen Kindstod verstirbt ein Kind im Schlaf, ganz plötzlich und ohne erkennbare äußere Ursache oder vorangegangene Erkrankung. Der plötzliche Kindstod tritt meist nachts auf, häufiger in der zweiten Nachthälfte. Aber auch in anderen Schlafsituationen, etwa im Kindersitz oder Tragetuch, kann es zum SIDS kommen. Die Kinder hören im Schlaf auf zu atmen und wachen nicht mehr auf.
Der plötzliche Kindstod ist immer eine Ausschlussdiagnose. Das Kind wird deshalb obduziert und in der Regel auch eine polizeiliche Ermittlung eingeleitet. Die Polizei wird eingeschaltet, weil es sich um einen ungeklärten Todesfall handelt. Sie hat die Aufgabe, sich zu versichern, dass es sich nicht um ein Gewaltverbrechen handelt.
Die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. In Deutschland starben im Jahr 2015 127 Kinder am plötzlichen Kindstod, während es im Jahr 1990 noch 1.283 Kinder waren. Es wird davon ausgegangen, dass die beeinflussbaren Risikofaktoren starken Einfluss auf diese Entwicklung haben.
Plötzlicher Kindstod: Ursachen möglicherweise gefunden
Trotz intensiver Forschung und Minimierung des Risikos – und damit eines erheblichen Rückgangs der Häufigkeit – lagen die Ursachen für den plötzlichen Kindstod bislang im Dunkeln. Lediglich bestimmte Risikofaktoren konnten identifiziert werden. Die breite gesellschaftliche Aufklärung und das Befolgen daraus abgeleiteter Empfehlungen sorgten zwar in den vergangenen Jahren für einen erheblichen Rückgang der Fälle, die genaue Ursache des plötzlichen Kindstods war aber weiter unklar. Das war gerade für Eltern von Babys sehr belastend.
Bislang vermutete man, dass eine Störung im Atem- und Weckmechanismus vorliegt, der normalerweise dafür sorgt, dass ein Baby aufwacht, wenn die Atmung aussetzt. Babys mit dieser Störung wachen nicht auf und versterben "im Schlaf". Wieso das passiert, war unklar.
Australische Forscher*innen haben nun eine potenzielle Ursache gefunden: Ein Mangel an dem Enzym BChE (Butyrylcholinesterase) ist möglicherweise der Grund dafür. Sie untersuchten dafür Blutproben von an SIDS verstorbenen Kindern und fanden heraus, dass das Enzym BChE im Vergleich zu gesunden lebenden oder aus anderen Gründen verstorbenen Kindern bei ihnen stark reduziert war.
Die Wissenschaftler*innen wollen nun an einem Screening arbeiten, mit dem sich frühzeitig testen lässt, ob ein Säugling zur Risikogruppe mit Enzymmangel gehört. Ob und wie sich ein solcher Test letztlich auf die Prävention auswirkt, bleibt abzuwarten. Die Empfehlungen zur Vorbeugung des plötzlichen Kindstods sind unverändert wichtig und gültig.
Risiko minimieren
Nach wie vor vermutet man multifaktorielle Ursachen, also mehrere Faktoren und Umstände, die gleichzeitig eintreten müssen, um ein SIDS herbeizuführen. Einige dieser Risikofaktoren sind bekannt. Sie werden in nicht beeinflussbare (endogene) und beeinflussbare (exogene) Risikofaktoren unterteilt.
Endogene (nicht beeinflussbare) Risikofaktoren für den plötzlichen Kindstod:
- Frühchen, vor allem mit sehr niedrigem Geburtsgewicht
- geringes Alter der Mutter
- drogenabhängige Mutter
- alleinstehende Mutter
- Fehlbildungen von Organen
- genetische Vorbelastung (familiäre Häufung)
Exogene (beeinflussbare) Risikofaktoren für den plötzlichen Kindstod:
- Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft
- Rauchen in der Umgebung des Kindes
- Bauchlage während des Schlafs
- Überwärmung
- zu weiche Bettunterlage
Als weitere Risikofaktoren werden das Nichtstillen und vorangegangene Infektionen durch Bakterien oder Viren diskutiert. Ein direkter Zusammenhang mit dem plötzlichen Kindstod konnte bislang jedoch nicht nachgewiesen werden. Inzwischen gibt es auch Hinweise darauf, dass im Winter, vor allem in den Monaten Januar bis März, mehr Kinder am plötzlichen Kindstod sterben.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Baby einen plötzlichen Kindstod erleidet, steigt an, je mehr der oben genannten Risikofaktoren erfüllt sind. Statistisch gesehen weisen 90 Prozent der betroffenen Kinder mindestens einen Risikofaktor auf. Das heißt aber natürlich nicht automatisch, dass ein Kind mit einem oder mehreren dieser Kriterien auch am SIDS verstirbt.
Plötzlicher Kindstod: Wann sinkt das Risiko?
Der plötzliche Kindstod betrifft eher Babys unter einem Jahr, über 90 Prozent der Fälle treten in dieser Zeitspanne auf. Statistisch gesehen besteht die höchste Wahrscheinlichkeit zwischen dem zweiten und vierten Lebensmonat. Für Kleinkinder über einem Jahr ist die Wahrscheinlichkeit, am plötzlichen Kindstod zu versterben, äußerst gering. Jungen sind etwas häufiger betroffen als Mädchen.
Was tun im Notfall?
Ein Großteil der Fälle von plötzlichem Kindstod tritt nachts auf, sodass die Eltern ihr Baby morgens reglos im Bett finden. Alarmiere dann bitte umgehend den Rettungsdienst.
- Prüfe zuallererst, ob dein Baby bei Bewusstsein ist. Sprich es an, fass es an. Bitte schüttle dein Kind auf gar keinen Fall, da dies zu schweren Verletzungen führen kann.
- Prüfe die Atmung. Lege dafür dein Baby auf den Rücken, wenn es noch nicht so liegt. Strecke den Kopf ganz vorsichtig und nur ganz leicht nach hinten, um die Atemwege zu öffnen. Fixiere sein Kinn mit zwei Fingern.
- Beginne sofort mit der Beatmung, indem du deinen Mund über Nase und Mund stülpst. Beatme fünf Mal.
- Zeigt dein Baby kein Lebenszeichen, beginne mit Herzdruckmassage und Beatmung im Wechsel: 30 Mal Herzdruckmassage, zwei Mal beatmen und das so lange durchführen, bis das notärztliche Team eintrifft.
Auf der Website des Universitätsklinikums Bonn findest du viele nützliche und anschauliche Anleitungen u.a. zur Wiederbelebung nicht nur bei Verdacht auf plötzlichen Kindstod, sondern auch zu Verschlucken/Ersticken. Hier geht es zum Poster mit den Anleitungen.
Wie wird der plötzliche Kindstod festgestellt?
Zu den Untersuchungen, die nach dem Todesfall durchgeführt werden, gehört die Obduktion des Kindes und die Analyse der Todesumstände. Erst, wenn keine direkte oder indirekte Ursache gefunden werden kann, wird die Diagnose plötzlicher Kindstod gestellt.
Eine Obduktion ist in mehrfacher Hinsicht wichtig: Zunächst wird eine nicht natürliche Todesursache ausgeschlossen. Besonders für Eltern ist dies zur Verarbeitung des Geschehens wichtig. Die Erkenntnisse der Obduktion lassen sich außerdem zur Erforschung des plötzlichen Kindstods heranziehen.
Dem plötzlichen Kindstod vorbeugen: die 3-R-Regel
Viele Risikofaktoren des plötzlichen Kindstods sind beeinflussbar. Am wichtigsten ist dabei die Beachtung der 3-R-Regel:
- Rückenlage
- rauchfrei
- richtig gebettet
Dein Kind schläft in Rückenlage am besten, denn die Atemwege bleiben frei. Auch die Seitenlage ist zum Schlafen nicht geeignet, da sich dein Baby aus der Seite schneller auf den Bauch drehen kann. Selbstverständlich sollte die Umgebung deines Babys, insbesondere die Schlafumgebung, stets rauchfrei sein. Idealerweise schläft dein Baby im Elternschlafzimmer auf einer festen Matratze ohne weiche Unterlagen wie etwa ein Schaffell, da es sonst leicht überhitzen kann. Es sollte lediglich einen Schlafsack tragen, bitte verzichte auf Kissen oder Zudecken, da es sich damit überdecken kann. Achte auf eine optimale Schlafumgebung.
Prävention des plötzlichen Kindstods
"Richtiges Schlafen" spielt bei der Vorbeugung des plötzlichen Kindstods eine wichtige Rolle. Ein großer Teil der Empfehlungen zur Risikominderung betreffen deshalb auch die Schlafumgebung und Schlafumstände.
Eigenes Bett im Elternschlafzimmer: Der richtige Schlafplatz für dein Baby ist ein eigenes Bett im Schlafzimmer der Eltern. Man weiß mittlerweile, dass sich die Atemgeräusche der Eltern positiv auf die Atemregulation des Babys auswirken. Besonders empfehlenswert sind Gitterbetten ohne hohe Umpolsterung oder Nestchen, da diese die Luftzirkulation im Bett behindern. Diese Empfehlung gilt laut aktueller Leitlinien zur Prävention des plötzlichen Säuglingstods insbesondere für die ersten drei Lebensmonate.
Feste Matratze: Es empfiehlt sich eine feste, luftdurchlässige Matratze mit glatter Oberfläche, die höchstens zehn Zentimeter dick ist. Verzichte auf weiche Unterlagen, Schonbezüge oder im Winter auf Lammfell und Co., da deinem Baby darin schnell zu warm wird und es sogar überhitzen kann.
Schlafsack: Babys benötigen kein Kissen und keine Bettdecke, der Schlafsack reicht völlig aus. Achte bitte darauf, dass der Halsausschnitt des Schlafsacks nicht größer ist als der Kopf des Babys, damit es nicht in den Schlafsack hineinrutschen kann. Wird doch eine Decke verwendet, achte bitte darauf, dass du dein Baby so ins Bett legst, dass es mit den Füßchen ans Fußende des Bettes stößt. Dadurch wird verhindert, dass es mit dem Kopf unter die Decke rutschen kann.
Kein Mützchen: Babys leiten überschüssige Körperwärme über den Kopf nach außen. Verzichte deshalb darauf, deinem Baby zum Schlafen eine Mütze aufzuziehen.
Raumtemperatur: Die ideale Raumtemperatur beträgt 16 bis 18 Grad. Es ist ratsam, den Schlafraum regelmäßig zu lüften. Direkte Sonneneinstrahlung oder Heizungsnähe sollte vermieden werden. Um zu prüfen, ob deinem Baby zu warm oder zu kalt ist, fühle am besten die Haut zwischen den Schulterblättern. Sie sollte sich an dieser Stelle warm, aber nicht verschwitzt anfühlen.
Schlafposition: Die ideale Position ist die Rückenlage.
Schnuller: Schnuller könnten ebenfalls das Risiko für den plötzlichen Kindstod senken. Regelmäßiger Nuckelgebrauch senkt je nach zitierter Studie das Risiko für den plötzlichen Kindstod um 30 bis sogar 60 Prozent. Biete deshalb deinem Baby zum Schlafengehen einen Schnuller an. Nimmt es ihn nicht an, lass ihn aber nicht beim schlafenden Kind liegen, sondern nimm ihn auf jeden Fall aus dem Bettchen heraus.
Kein Pucken: Eine neue Leitlinien-Empfehlung ist der Verzicht auf das feste Einwickeln des Kindes, das sogenannte Pucken (im englischen Sprachraum auch als Swaddling bekannt). Vor allem in Verbindung mit Bauch- und Seitenlage scheint das Pucken ein erhöhtes SIDS-Risiko mit sich zu bringen.
Stillen: Gestillte Säuglinge haben ein geringeres Risiko, deshalb lautet die Empfehlung auch, so lange wie möglich – idealerweise im ersten Lebensjahr oder länger – zu stillen.
Ist eine spezielle Matratze sinnvoll?
Einige Hersteller werben mit speziellen Matratzen, die eine bessere Belüftung zulassen und damit über eine erhöhte Kohlendioxid-Durchlässigkeit verfügen. Solche Matratzen sollen vor dem plötzlichen Kindstod schützen. Dabei ist laut Stiftung Warentest nicht erwiesen, ob derartige Spezialmatratzen wirklich das Risiko reduzieren. Viel entscheidender ist, dass das Baby in Rückenlage schläft. Auch eine spezielle Matratze sollte Eltern nicht dazu verleiten, ihr Baby auf dem Bauch schlafen zu lassen.
Und was ist mit Co-Sleeping im Familienbett?
Babys fühlen sich ganz nah bei den Eltern am wohlsten, das wird wohl kaum ein Elternteil bestreiten. Auch beim Schlafen haben Babys oft eindeutige Vorlieben und viele lassen sich nur ungern ins Babybett legen, auch wenn das im elterlichen Schlafzimmer steht. Doch lange Zeit lehnten Expert*innen das Co-Sleeping kategorisch ab. Zu gefährlich sei es, es drohe der plötzliche Kindstod. Doch stimmt das eigentlich?
Richtig ist, dass die aktuellen Leitlinien zur Prävention des plötzlichen Säuglingstods der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin klar das Schlafen im eigenen Bett im elterlichen Schlafzimmer empfehlen. Dies gilt besonders für die ersten drei Lebensmonate. Eine im Jahr 2013 publizierte internationale Studie bestätigt diese Empfehlung: Demnach stieg die Zahl der SIDS-Fälle von acht von 100.000 im Beistellbett ohne erkennbare Ursache verstorbener Babys auf 23 von 100.000, wenn die Babys im Elternbett schliefen. Am stärksten gefährdet waren Säuglinge unter drei Monaten. In den Niederlanden sank die Zahl der SIDS-Fälle im Rahmen einer großen öffentlichen Kampagne, die vom gemeinsame Schlafen im Elternbett abriet, innerhalb von zehn Jahren von zwölf auf neun pro 100.000 Neugeborene.
Sicheres Co-Sleeping
Andererseits praktizieren viele Eltern heute eine bedürfnisorientierte Erziehung und das gemeinsame Schlafen im Familienbett ist häufig Teil davon. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass das Schlafmuster von Mutter und Kind sich angleicht und das Baby zudem durch verschiedene Außenfaktoren leichter erweckbar ist. Kommt nächtliches Stillen hinzu, sorgt der hohe Prolaktinspiegel für eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Mutter.
Und wenn Eltern zusätzlich bestimmte Faktoren beachten, muss Co-Sleeping nicht automatisch das Risiko für plötzlichen Kindstod erhöhen. Darauf solltest du achten:
- Matratze: Sehr weiche Matratzen oder gar Wasserbetten sind für das Familienbett nicht geeignet, da das Baby darin wortwörtlich "versinken" oder auf den Bauch rollen kann und nicht gewährleistet ist, dass es dauerhaft sicher auf dem Rücken schlafen kann.
- Bettgröße: Das Familienbett sollte über ausreichend Platz verfügen. 1,60 Meter Breite sind hier das absolute Minimum, schließlich wollen zwei Erwachsene und ein Baby darin bequem und sicher schlafen.
- Schlafplatz: Dein Baby sollte an deiner Seite und nicht zwischen dir und deinem*deiner Partner*in schlafen. Das gilt besonders, wenn euer Bett zwei geteilte Matratzen hat und in der Mitte eine Ritze ist. Es sollte außerdem nicht zwischen dir und der Wand liegen. Achte darauf, dass es nicht über die Bettkante hinausfallen kann.
- Schlafbekleidung: Wie im Babybettchen ist ein Schlafsack auch im Elternbett für dein Baby ausreichend. Verzichte auf Kissen, schwere Federdecken und andere Plüschsachen in der Nähe deines Kindes.
- Kein Alkohol: Nach dem Genuss von Alkohol oder anderen Drogen sollte das Baby nicht im Elternbett schlafen! Das gilt auch für bestimmte Medikamente wie Beruhigungs- oder Schlafmittel.
Hilfe für Betroffene
Plötzlicher Kindstod ist für betroffene Eltern ein harter Schicksalsschlag, der sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht immer verhindern lässt. Die Diagnose SIDS wird gestellt, wenn keine andere Todesursache ermittelt werden kann. Wichtig für Eltern ist zu wissen, dass sie keine Schuld tragen! Kontakt zu anderen Betroffenen bekommen sie beispielsweise durch die Gemeinsame Elterninitiative Plötzlicher Kindstod (GEPS) oder andere Selbsthilfegruppen.