Kolostrum: So wertvoll ist die erste Muttermilch für dein Baby
Supercocktail für Neugeborene: Kolostrum liefert wichtige Nähr- und Immunschutzstoffe, fördert die Entwicklung eines gesunden Darmmikrobioms und enthält zahllose bioaktive Stoffe, die der Gesundheit und der Entwicklung deines Babys zuträglich sind. Hier erfährst du alles über dieses Superfood für Babys.
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Kurzübersicht: Kolostrum
Was ist das? Kolostrum oder Vormilch ist die erste Muttermilch, die in den ersten Lebenstagen des Babys produziert wird. Sie unterscheidet sich in Aussehen und Zusammensetzung von der reifen Muttermilch.
Was macht Kolostrum so besonders? Als Superfood wird Kolostrum oft bezeichnet, weil es vollgepackt ist mit bioaktiven Substanzen sowie Immun- und Abwehrstoffen. Mütterliche Antikörper schützen das Neugeborene von Anfang an vor Infektionen und geben gleichzeitig den Startschuss für den Aufbau von Babys eigenem Immunsystem.
Was enthält die Neugeborenenmilch konkret? Die erste Muttermilch ist eiweißreich, wovon allein die Hälfte aus Immunglobulin A besteht. Leukozyten und Laktoferrin dienen der Abwehr von Infekten und unterstützen gleichzeitig die Besiedelung der Darmschleimhaut mit Bifidobakterien. Aufgrund ihrer leichten Verdaulichkeit regt Vormilch die Darmtätigkeit an und fördert dadurch die Ausscheidung von Mekonium und Billirubin.
Ab wann kann man Kolostrum sammeln? Ab der 37. SSW, also ab Beginn des 10. Schwangerschaftsmonats, kann man mit dem Ausstreichen und Sammeln von Kolostrum beginnen. Die Vormilch lässt sich genau wie reife Muttermilch einfrieren und kann bei Bedarf im Kühlschrank aufgetaut werden.
In diesem Artikel:
- Was ist Kolostrum?
- Positive Wirkung
- Zusammensetzung
- Kolostrum sammeln
- Kolostrum ausstreichen
- So verändert sich die Muttermilch
Kolostrum: Was ist das?
Vormilch, Anfangsmilch, Erstmilch, Neugeborenenmilch – die erste Muttermilch ist unter vielen Namen bekannt. Tatsächlich wird Kolostrum bereits in der Schwangerschaft gebildet: Ab der 16. SSW beginnt die Produktion in den Brustdrüsen. In den ersten fünf Tagen nach der Geburt erhält das neugeborene Baby Kolostrum, bevor sich die Zusammensetzung der Milch nach und nach verändert und etwa ab dem 14. Tag nach der Entbindung die sogenannte reife Muttermilch fließt.
Kolostrum dient weniger dem Wachstum des Säuglings, sondern dem Schutz vor Keimen und Infekten sowie dem Aufbau des kindlichen Immunsystems. Zusammen mit vielen bioaktiven Substanzen erhält ein Kind alle Antikörper, über welche die Mutter verfügt. Der sogenannte Nestschutz bleibt etwa für sechs Monate nach der Geburt bestehen und lässt dann Stück für Stück nach. Parallel dazu baut das Kind sein eigenes Immunsystem auf.
In den ersten Lebenstagen ist Kolostrum die richtige Nahrung für ein Baby, da es durch seine "leichte" Zusammensetzung (es enthält weniger Fett, Kohlenhydrate und Kalorien) und seine geringe Menge den kindlichen Verdauungsapparat vor Überlastung schützt.
Eine leichte Gewichtsabnahme beim Neugeborenen ist in den Tagen nach der Geburt völlig normal und hat nichts mit einer zu geringen Menge Vormilch zu tun. Das Baby verliert viel Flüssigkeit durch Ausscheiden von Kindspech (Mekonium) und Urin, spuckt am ersten Tag nach der Geburt möglicherweise auch geschlucktes Fruchtwasser aus. Ein Gewichtsverlust von fünf bis zehn Prozent gilt nach der Geburt als normal, spätestens im Alter von 14 Tagen sollte das Geburtsgewicht wieder erreicht sein.
Positive Wirkung des Kolostrums
Als „Superfood“ oder „natürliches Nährstoffkonzentrat“ wird Kolostrum oft bezeichnet. Da ist tatsächlich etwas dran, denn der Magen eines Neugeborenen ist in den ersten Lebenstagen gerade mal so groß wie eine Kirsche. Zwischen 5 und 10 Milliliter fasst er anfangs pro Stillmahlzeit.
Um seine wichtigen Funktionen zu erfüllen, ist Kolostrum daher vollgepackt mit bioaktiven Substanzen und Nährstoffen, vor allem für die Abwehr von Keimen. Schon wenige Tropfen genügen, um den Verdauungstrakt, die Atemwege und die Harnwege zu schützen. Wie viel Kolostrum ein Neugeborenes insgesamt erhält, ist abhängig von der Häufigkeit des Anlegens. Frauen, die bereits ein Kind geboren haben, verfügen meist über eine etwas größere Menge an Vormilch als Erstgebärende.
Fachleute empfehlen auch Frauen, die nicht stillen möchten, ihr neugeborenes Baby zumindest in den ersten Tagen mit Kolostrum zu versorgen. Es kann auch per Hand gewonnen und gesammelt werden.
Zusammensetzung: So wertvoll sind die Inhaltsstoffe von Kolostrum
Kolostrum verfügt über deutlich mehr Eiweiß und enthält weniger Kohlenhydrate und Fett als die reife Muttermilch. Es ist leicht verdaulich und seine Inhaltsstoffe können vom Körper leicht resorbiert werden. Zudem regt es die Darmtätigkeit des Neugeborenen an, was wiederum die Ausscheidung von Mekonium (Kindspech) und mit ihm Billirubin fördert.
Dadurch lässt sich der Entwicklung einer Neugeborenen-Gelbsucht entgegenwirken, denn die kindliche Leber kann dieses Abbauprodukt der roten Blutkörperchen noch nicht verstoffwechseln. Das sogenannte Kindspech fördert genau wie das Kolostrum selbst eine Besiedelung des Darms mit Lactobacillus bifidus, was wiederum dem Aufbau einer gesunden Darmflora dient.
Der Gehalt an Betacarotin, der Vorstufe von Vitamin A, sowie an Vitamin K ist relativ hoch. Betacarotin verleiht dem Kolostrum seine goldgelbe Farbe.
100 ml enthalten | Kolostrum (Vormilch) |
Muttermilch (reif) |
Eiweiß | 2,3 g | 0,9 g |
Fett | 1,9 g | 3,5 g |
Kohlenhydrate | 5,3 g | 7 g |
Mineralsalze | 0,33 g | 0,21 g |
Brennwert | 65 kcal | 75 kcal |
Angaben nach Stiefel et al. (2020)
Immunologischer Schutz und Aufbau der körpereigenen Abwehr
Immunglobulin A (IgA) macht ungefähr 50 Prozent des Eiweißgehalts des Kolostrums aus. Im Laufe der Stillbeziehung wird dieser Anteil immer geringer, bis er ab dem sechsten Monat auf einem Niveau von etwa 10 Prozent verbleibt. IgA macht Krankheitserreger unschädlich, indem es sie an Schleimhäute bindet.
Das IgA im Kolostrum passiert den Darm eines Neugeborenen unverdaut und kleidet im Anschluss seine Darmschleimhaut aus. Es dient damit sowohl der Abwehr von Infekten als auch der Vorbeugung von Allergien, da die Darmwand nun weniger durchlässig für Allergene ist.
Bereits in der Schwangerschaft wandern weiße Blutkörperchen (Leukozyten) in die mütterlichen Brustdrüsen, von wo aus sie in die Muttermilch übergehen. Sie machen körperfremde Substanzen unschädlich und schützen so effektiv vor krankmachenden Eindringlingen. Kolostrum enthält bis zu 3 Milliarden Leukozyten pro Milliliter!
Eine weiterer immunkompetenter Inhaltsstoff der Vormilch ist Lysozym, das nicht nur die Zellwände von unerwünschten Bakterien und Viren zerstört, sondern auch das Wachstum von Milchsäurebakterien im Darm fördert. Laktoferrin, eine Aminosäure mit enzymähnlichen Eigenschaften, hat eine antivirale und antibakterielle Wirkung und wehrt Pilze ab. Sie wirkt direkt im Darm, da sie den Magen unverdaut durchläuft.
Aufbau einer gesunden Darmschleimhaut
Bifidobakterien und Laktobazillen aus dem Kolostrum bilden im noch unreifen Darm des Babys die erste Darmflora. Sie produzieren Milchsäure und sorgen damit für ein saures Milieu im Darm. Dieses saure Milieu unterdrückt das Wachstum unerwünschter Bakterien wie E. coli.
Auch die Konzentration wichtiger Wachstumsfaktoren ist in der Vormilch um ein Vielfaches höher als später in der reifen Muttermilch. Diese Wachstumsfaktoren sorgen zum Beispiel für den Aufbau der Darmflora, indem sie das Wachstum erwünschter Darmbakterien fördern, allen voran Lactobacillus bifidus.
Verschiedene komplexe Kohlenhydrate im Kolostrum, die den Magen ungespalten passieren, fördern das Wachstum von Bifidobakterien ebenfalls. Diese Humanmilch-Oligosaccharide (HMO) sind außerdem wichtig für die Gehirnentwicklung und die Ausbildung der kognitiven Fähigkeiten. Auch in der reifen Muttermilch sind sie enthalten, wenn auch nicht in so großer Menge wie in der Anfangsmilch.
Kolostrum sammeln während der Schwangerschaft: Darum kann das sinnvoll sein
Bereits ab der 37. SSW kannst du mit dem Sammeln des Kolostrums beginnen. Kolostrumgewinnung vor der Geburt kann sinnvoll sein, um eine Reserve für die ersten Lebensstunden anzulegen, sollte das Stillen aus irgendeinem Grund nicht möglich sein. Dazu gehören etwa Kaiserschnitt (Bauchgeburt), die (operative) Versorgung von Geburtsverletzungen oder auch ein Schwangerschaftsdiabetes.
Kolostrum und Schwangerschaftsdiabetes
Eine der vielen positiven Wirkungen der Erstmilch ist ihre stabilisierende Wirkung auf den Blutzuckerspiegel. Davon profitieren besonders Babys von Müttern, die in der Schwangerschaft einen Diabetes (Gestations- oder Schwangerschaftsdiabetes) entwickelt haben.
Ideal ist in diesem Fall ein erstes Anlegen und Trinken innerhalb von 30 Minuten nach der Geburt. Gleichzeitig kommt es gerade bei Erkrankungen wie Diabetes mellitus öfter zu einem verspäteten Milcheinschuss.
Daher wird Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes empfohlen, in den letzten Wochen der Schwangerschaft Kolostrum auszustreichen und zu sammeln. Das manuell gewonnene Kolostrum kann eingefroren werden.
Kolostrum für Frühchen
Frühgeborene profitieren besonders von der wertvollen Zusammensetzung des Kolostrums. Sie benötigen mehr Schutzstoffe, denn sie haben aufgrund der kürzeren Schwangerschaftsdauer im Mutterleib weniger Immunglobuline von der Mutter erhalten.
Diese Antikörper werden zwar bereits ab dem zweiten Trimester stetig auf das Kind im Bauch übertragen, jedoch steigert sich die Menge im Verlauf der Schwangerschaft und läuft gerade in den letzten Schwangerschaftswochen auf Hochtouren, damit das Kind mit einem möglichst starken Nestschutz geboren wird.
Auch hierfür hat die Natur eine kompetente Lösung: Kolostrum von Müttern früh geborener Kinder enthält nämlich wesentlich mehr Schutzstoffe und Antikörper als die von termingerecht geborenen. Fachsprachlich wird diese Vormilch auch Preterm-Milch genannt. Sie wird auch etwas länger produziert, wodurch die Frühchen besser versorgt werden können.
Oft sind Frühchen jedoch zu schwach, um an der Brust zu trinken, daher werden sie mit ausgestrichener Vormilch und später mit abgepumpter Muttermilch über Becher, Spritze, Flasche oder Sonde versorgt.
Kolostrum ausstreichen und sammeln: So gehts
Zum Ausstreichen des Kolostrums empfiehlt sich die Marmet-Technik, bei der die Brust per Hand geleert wird.
Setz dich dafür bequem hin, du kannst deine Brust auch leicht vorwärmen.
Halte die zu entleerende Brust in einer Hand im C-Griff. Dafür liegt der Daumen oben und die restlichen Finger unten.
Drück die Brust nun leicht zusammen, halte sie in diesem Griff und zieh sie zu dir heran.
Halte den Druck weiter und rolle sie mit einer Melkbewegung in Richtung deiner Brustwarze.
Mit der anderen Hand hältst du ein Auffanggefäß vor deine Brustwarze und sammelst die gewonnene Vormilch.
Wenn du dein Baby schon geboren hast und ihm das Kolostrum gleich geben möchtest, sammelst du die Milch entweder direkt in einem Kunststofflöffel und fütterst dein Baby dann mit dem Löffel.
Aber auch jedes andere Auffangbehältnis eignet sich zum Sammeln des Kolostrums. Wichtig ist, dass es sauber/steril ist. Einige Mütter finden es bequemer, das Kolostrum aus dem Behälter mit einer Spritze aufzuziehen und damit ihr Baby zu füttern. Du kannst gefüllte Spritzen auch im Kühlschrank oder im Tiefkühlgerät aufbewahren.
Es gibt verschiedene Gründe, deine Brust nach der Geburt manuell auszustreichen und dein Baby mit dem gesammelten Kolostrum zu füttern. Ein häufiger Grund ist, dass dein Baby (noch) nicht an der Brust saugen will oder kann.
In diesem Fall empfiehlt die La Leche Liga, ab zwei Stunden nach der Geburt deine Brust auszustreichen und dein Baby mit Kolostrum per Hand zu füttern. Ab ungefähr sechs Stunden nach der Geburt lautet die Empfehlung, die Brust regelmäßig auszustreichen. Du kannst versuchen, einige Tropfen Kolostrum auf der Brustwarze zu belassen und so das Interesse deines Babys zu wecken bzw. es die Milchtropfen direkt von der Brustwarze lecken zu lassen.
Zusammensetzung der Muttermilch ändert sich ständig
Im Laufe der Stillbeziehung ändert sich nicht nur die Menge der getrunkenen Muttermilch, auch ihre Zusammensetzung variiert bzw. passt sich an die Bedürfnisse deines Babys an. Ungefähr ab dem fünften Tag nach der Geburt wird die Neugeborenenmilch zur Übergangsmilch, bevor circa ab dem 14. Tag die reife Muttermilch fließt.
Dein Körper bemerkt auch später in eurer Stillbeziehung Infekte bei deinem Baby und passt ganz automatisch die Zusammensetzung der Muttermilch an. Ergebnissen kleinerer Studien zufolge erhöht sich während akuter Infektionen beim Säugling die Anzahl bestimmter Immunzellen in der Muttermilch, vor allem der für die Infektabwehr wichtigen weißen Blutkörperchen (Leukozyten).
Wie genau der mütterliche Körper die Erkrankung des Kindes bemerkt, ist nicht ganz klar – vermutlich über den Speichel des Kindes, der während des Stillens mit Brustwarze und Warzenhof der Mutter in Kontakt kommt. Vielleicht bemerkst du das irgendwann selbst beim Abpumpen, wenn dein Baby krank ist, denn die Muttermilch ändert mit ihrer Zusammensetzung zugleich auch ihre Farbe und Konsistenz. Viele Frauen berichten, dass sie dann wieder eher dem Kolostrum ähnelt – ein weiterer Hinweis auf die vielen effektiven Schutz- und Abwehrstoffe, die in der Vormilch stecken.
Auch wenn du selbst krank bist, schützt du dein Kind durch die passenden Antikörper in der Muttermilch.